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StGB NRW-Mitteilung 334/2012 vom 27.06.2012
Öffentlichkeit von Schulunterricht im Sinne des Urheberrechts
Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sieht Filmvorführungen im Rahmen des Schulunterrichts nicht als öffentlich im Sinne des Urheberrechts an und hat diese herrschende Rechtsauffassung zuletzt im Hinblick auf das Angebot einer so genannten Schirmlizenz der MPLC Filmlizenzierung GmbH vertreten. Anlässlich dieser MPLC-Kampagne hat sich nun das FWU Institut für Film und Bild gGmbH, ein Institut der Bundesländer, das kommunalen Bildungsträgern Medien einschließlich der erforderlichen Verwertungsrechte anbietet, die gegenteilige Rechtsauffassung zu Eigen gemacht.
Das Interesse der FWU an einer engen Auslegung des Öffentlichkeitsbegriffs dürfte darin liegen, dass sie Lizenzen zur öffentlichen Vorführung vermarktet. Mit dem nachfolgend wiedergegebenen Schreiben der Bundesvereinigung an die Gesellschafter der FWU wird deren fehlerhafte Argumentation zurückgewiesen:
"Mit Bedauern mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass das FWU Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht als eine von den Bundesländern getragene Einrichtung auf seiner Homepage, aber auch in Schreiben z. B. an den Landkreistag Nordrhein-Westfalen in einer Art und Weise zum Thema „Urheberrechtlicher Öffentlichkeitsbegriff und Schule“ Stellung nimmt, die den Interessen der kommunalen Schulträger — und damit mittelbar auch der Länder — zuwiderläuft. Neben den nachfolgend darzustellenden rechtlichen Einwänden verwundert Ihre Positionierung auch im Hinblick auf das fehlende Bewusstsein für die damit verbundenen materiellen Auswirkungen auf die belasteten kommunalen Haushalte. Dies hätte zumindest einen vorherigen Austausch in der Sache angeraten sein lassen.
Nach Auffassung der kommunalen Spitzenverbände, die — soweit ersichtlich — auch von den Kultusministerien der Länder geteilt wird, handelt es sich nicht um einen Fall der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG, wenn den Schülern eines Klassenverbandes urheberrechtlich geschützte Medien vorgeführt werden. Diese Auffassung wird von einer Vielzahl von Kommentatoren zum UrhG geteilt (vgl. z. B. Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 3. Auflage 2008, § 15 Rn. 45; Rehbinder, Urheberrecht, 16. Auflage 2010, § 24 Rn. 316) und ist auch vom LG München I (Beschluss vom 30.4.2004 — 21 O 4799/04) bestätigt worden.
Selbstverständlich steht es dem FWU frei, sich eine abweichende Rechtsmeinung zu bilden, zumal es auch Autoren gibt, die eine andere Auffassung vertreten, und es auch richtig ist, dass die Diskussion um den Öffentlichkeitsbegriff in Bereich der Schule durch die Einfügung von § 52a UrhG neue Nahrung erhalten hat. Wenn das FWU als Einrichtung der Bundesländer aber über ein so sensibles Thema wie den urheberrechtlichen Öffentlichkeitsbegriff und seine Bedeutung für den Einsatz von Medien im Schulunterricht informiert, sollte dies nach unserem Dafürhalten in abgewogener und vor allem auch zutreffender Form geschehen.
Vor diesem Hintergrund halten wir es für zumindest bedenklich, dass sie in Ihrer Stellungnahme zwar auf ein für die Rechtslage in Deutschland letztlich irrelevantes Urteil eines österreichischen Gerichts eingehen, die oben zitierte Entscheidung des LG München I aber nicht erwähnen, sondern im Gegenteil behaupten, es gebe keine Rechtsprechung, die die Nichtöffentlichkeit des Klassenverbandes bestätige.
Für bedenklich — weil verzerrend — halten wir es auch, wenn Sie aus einer Kommentierung zu § 52a UrhG eine Passage zitieren, die sich gerade nicht zum Öffentlichkeitsbegriff in § 15 Abs. 3 UrhG verhält, und dabei verschweigen, dass in demselben Kommentar die Auffassung vertreten wird, dass Wiedergaben im Schulunterricht innerhalb des Klassenverbandes nicht öffentlich sind (von Ungern-Sternberg, in: Schricker/Loewenheim (Hrsg.), Urheberrecht, 4. Auflage 2010, § 15 Rn. 84).
Im Übrigen zieht der von Ihnen als „Kronzeuge“ benannte Autor Loewenheim aus der Verwendung des Tatbestandmerkmals „öffentlich“ in § 52a Abs. 1 UrhG gerade nicht — wie von Ihnen nahegelegt — den Schluss, dass jede Werknutzung im Unterricht öffentlich sein müsse. Es ist zwar richtig, dass Loewenheim darauf hinweist, § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG drohe leerzulaufen, wenn man annehmen wollte, der Unterricht in Schulklassen finde nicht öffentlich statt. Er macht aber auch deutlich, dass es zwei Möglichkeit gibt, dieses vom Gesetzgeber nicht gewollte Ergebnis zu vermeiden.
Wörtlich führt er dazu aus: „Entweder man verneint eine persönliche Verbundenheit zwischen den Angehörigen einer Schulklasse. Das müsste dann allerdings wohl generell, also auch für die anderen Vorschriften des Urheberrechts gelten und wäre angesichts der Fassung und tradierten Auslegung des § 15 Abs. 3 UrhG auch nicht einfach zu begründen (!). Oder man stellt die Frage, ob der Öffentlichkeitsbegriff des § 15 Abs. 3 UrhG wirklich für das gesamte Urheberrecht gilt und unbesehen auch auf § 52a UrhG übertragen werden kann.“ (Loewenheim, Öffentliche Zugänglichmachung von Werken im Schulunterricht — Überlegungen zum Begriff der Öffentlichkeit in § 52a UrhG, in: Ohly u.a. (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Schricker, 2005, S. 413, 414). Letzteres — und nicht die von Ihnen vertretene Auffassung — verdient nach Ansicht des Autors den Vorzug (aaO, S. 418). Auf Loewenheim können und sollten Sie sich daher nicht berufen.
Vor diesem Hintergrund dürfen wir Sie dringend auffordern, Ihre Positionierung zu überdenken. Eine Kopie dieses Schreibens haben wir an den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung Ihres Instituts, Herrn Ministerialrat Rudolf Peschke, versandt."
[Quelle: SSG-Mitteilungen Heft 11/12 vom 01.06.2012, Mitgliederrundschreiben Nr. 369/12]
Az.: IV/2 320-1