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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 387/2004 vom 27.04.2004
"Ökosteuer" und Ausnahmen für Stadtwerke verfassungsgemäß
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 20. April 2004 (1 BVR 1748/99 und 1 BVR 905/00) die Verfassungsbeschwerden gegen die Ökosteuer zurückgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Strom- und Mineralölsteuer als Verbrauchsteuern im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG an. Die Differenzierung zwischen produzierendem Gewerbe und Dienstleistungsunternehmen bei der Steuervergünstigung (§ 9 Abs. 3, § 10 Abs. 1, § 2 StromStG, §§ 25, 25 a MinöStG) verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Aus einer Steuervergünstigung für eine Gruppe erwächst kein Anspruch einer anderen Gruppe nach Art. 3 Abs. 1 GG auf eine andere Steuervergünstigung, die wirtschaftlich zu einer vergleichbaren Entlastung führt. Für die stromproduzierenden Stadtwerke sind mit der Entscheidung auch Fragen im Zusammenhang mit der Stromsteuer dahingehend geklärt, dass die Steuerverschonung für das produzierende Gewerbe nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt.
Aus den Gründen:
Strom- und Mineralölsteuer sind Verbrauchsteuern. Nicht die unternehmerische Tätigkeit der Erzeugung von Strom und Mineralöl, sondern der Verbrauch dieser Wirtschaftsgüter wird besteuert. Die Steuer ist auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt. Ob dies in jedem Einzelfall gelingt, ist unerheblich. Der Einordnung als Verbrauchsteuer steht auch nicht entgegen, dass das steuerlich belastete Verbrauchsgut produktiv zur Erbringung von Dienstleistungen verwendet wird. Es gibt keinen Rechtssatz, der das Anknüpfen einer Verbrauchsteuer an ein Produktionsmittel verbietet. Verbrauchsteuern auf Rohstoffe kennt das deutsche Steuerrecht seit jeher.
Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Stromsteuer und Erhöhung der Mineralölsteuer Lenkungsziele verfolgt, indem er über eine Verteuerung des Energieverbrauchs Anreize zur Energieeinsparung bieten und damit günstige Umwelteffekte erzielen sowie den Faktor Arbeit entlasten will, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die gezielte Höherbelastung bestimmter steuerlicher Verbrauchstatbestände kann insbesondere auch durch umweltpolitische Zwecke gerechtfertigt werden.
Das ökologische Anliegen des Gesetzgebers verlangt allerdings eine grundsätzlich gleichmäßige Belastung bei gleicher Umweltschädlichkeit des Verbrauchs. Gleichwohl wird unter anderem das Produzierende Gewerbe gegenüber den übrigen Wirtschaftszweigen in § 9 Abs. 3, § 10 Abs. 1 und 2 StromStG begünstigt. Diese stromsteuerlichen Vergünstigungen für das Produzierende Gewerbe, nämlich für betriebliche Zwecke steuervergünstigten Strom zu beziehen und die ermäßigte Stromsteuerlast über den Spitzenausgleich weiter zu mindern, knüpfen nicht an den Verbrauch, sondern an den Verbraucher an. Sie werden nicht von dem ökologischen Lenkungszweck getragen, sondern stellen eine Maßnahme der Wirtschaftsförderung dar. Diese Steuerverschonung für das Produzierende Gewerbe verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber darf mit den Vergünstigungen im Rahmen seines Gestaltungsspielraums wichtigen wirtschaftlichen Belangen den Vorrang vor seinem generellen umweltpolitischen Anliegen einräumen. Eine Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsposition der in der Bundesrepublik Deutschland produzierten und international handelbaren Güter soll vermieden, eine Gefährdung des Wirtschaftsstandorts Deutschland verhindert und einer Verlagerung von Arbeitsplätzen in das Ausland entgegengewirkt werden.
Auch die Auswahl der begünstigten Wirtschaftszweige ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der nicht begünstigte Dienstleistungssektor steht nicht im selben Maße wie das Produzierende Gewerbe im internationalen Wettbewerb. Der Gesetzgeber durfte wegen der strukturellen Unterschiede von Warenproduktion und Dienstleistungserstellung davon ausgehen, dass Dienstleistungen im Gegensatz zu Warengütern nicht im gleichen Maße international handelbar sind.
Az.: Az.: IV/3 811-16