Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 560/2023 vom 21.08.2023
OLG Düsseldorf: Keine Vorabinformations- und Wartepflicht im Unterschwellenbereich
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 21.06.2023 (27 U 4/22) festgestellt, dass die Informations- und Wartepflicht nach § 134 GWB keine Vergabeverfahren unterhalb der sog. Schwellenwerte erfasst (Aufgabe von Senatsbeschluss vom 13.12.2017 – 27 U 25/17). Die Vorschrift sei mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht analog anwendbar. Sofern weder ein grenzüberschreitendes Interesse noch eine landesgesetzliche Verpflichtung zur Mitteilung vor Zuschlagserteilung bestehe, sei der Auftraggeber bei einer Unterschwellenvergabe nur zur nachgelagerten Unterrichtung über den bereits erfolgten Abschluss bzw. die Zuschlagserteilung verpflichtet.
Der Auftraggeber (AG) schrieb im zugrunde liegenden Sachverhalt einen Rahmenvertrag für rechtsanwaltliche Beratungsleistungen aus. Der Auftragswert bewegte sich unterhalb des EU-Schwellenwerts. Bieter B bat den AG für den Fall, dass ein anderer Bieter für den Zuschlag vorgesehen sei, um Übersendung einer Vorabinformation nach § 134 GWB. Dem kam der AG nicht nach. Er informierte B vielmehr erst nach Zuschlagserteilung darüber, dass der Zuschlag seinem Angebot nicht erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste Angebot sei. Auf Nachfrage stellte er lediglich die Informationen nach § 46 UVgO zur Verfügung. Vor dem Landgericht beantragte B unter Verweis auf einen Verstoß gegen § 134 GWB die Feststellung der Nichtigkeit der mit den Zuschlagsempfängern geschlossenen Rahmenverträge. Gegen die ablehnende Entscheidung des Landgerichts leitete B ein Berufungsverfahren vor dem OLG ein. Er berief sich darauf, dass nur so effektiver Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG sichergestellt sei und eine Vorabinformation und Wartefrist zudem europarechtlich geboten sei.
Das OLG Düsseldorf ist dieser Rechtsauffassung nicht gefolgt. Die Informations- und Wartepflicht des § 134 GWB findet auf Unterschwellenvergaben weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung. Es fehle, so das OLG, an einer planwidrigen Regelungslücke. Die UVgO sehe mit § 46 Abs. 1 Satz 1 nur eine nachgelagerte Unterrichtung vor. Im Übrigen seien die Rahmenverträge selbst bei analoger Anwendung des § 134 GWB nicht nichtig: Es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn die Verletzung von Informations- und Wartepflichten im Kartellvergaberecht nur nach den einschränkenden Vorgaben des § 135 GWB geltend gemacht werden könnte, während bei unterschwelligen Aufträgen entsprechende Rechtsgeschäfte allgemein nach § 134 GWB nichtig wären. Die in seinem Urteil vom 13.12.2017 geäußerte Auffassung hat das OLG Düsseldorf damit aufgegeben: Der in Art. 19 Abs. 4 GG wurzelnde Grundsatz der Gewährleistung tatsächlich wirksamer gerichtlicher Kontrolle erfordere nicht zwingend die Gewährleistung von Primärrechtsschutz, eine Kompensation könne auch über Schadensersatz erfolgen.
Anmerkung
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Über 90 Prozent aller durchgeführten Vergabeverfahren in Deutschland betreffen Auftragswerte unterhalb der EU-Schwellenwerte. Daher hat die Frage nach den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten in diesem Bereich eine große Praxisrelevanz. Das OLG hat klargestellt, dass nicht berücksichtigte Bieter im Unterschwellenbereich keinen Anspruch auf Vorabinformation nach § 134 GWB analog haben. Auch andere Gerichte, wie etwa das OLG Celle (Urt. v. 9. Januar 2020, 13 W 56/19) oder das KG Berlin (Urt. v. 7. Januar 2020, 9 U 79/19), hatten zuvor bereits eine Vorabinformationspflicht unterhalb der EU-Schwellenwerte abgelehnt. Unterhalb der EU-Schwellenwerte gibt es somit grundsätzlich kein geordnetes speziell vergaberechtliches Rechtsschutzverfahren und keine Pflicht zur Vorabinformation.
Az.: 21.1.4.4-002/005 we