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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 244/2010 vom 21.05.2010
OLG Düsseldorf zum Angebotsausschluss bei einseitigen Bietervorgaben
Darf ein Bieter darauf bestehen, dass die mit dem Angebot in einem verschlossenen Umschlag zu übergebende Angebotskalkulation nur in seinem Beisein geöffnet wird? Zu dieser Frage hat sich das OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 15.03.2010 (Verg 12/10) geäußert.
Sachverhalt
Die Vergabestelle (VSt) schrieb eine Baumaßnahme europaweit im Offenen Verfahren aus. Nach den Bewerbungsbedingungen war mit dem Angebot in einem verschlossenen Umschlag eine detaillierte Anbotskalkulation vorzulegen. Der Auftraggeber war berechtigt, den Umschlag zu öffnen und die Kalkulation einzusehen. Des Weiteren waren verschiedene Formblätter zur Kalkulation mit dem Angebot zu übergeben. Die spätere Antragstellerin (ASt) legte diese Formblätter ihrem Angebot nicht offen bei, sondern übergab sie in einem verschlossenen Umschlag gemeinsam mit der Urkalkulation. Ausdrücklich war auf dem Umschlag vermerkt, dass dieser nur im Beisein der Antragstellerin geöffnet werden dürfe. Ein gegen die vorgesehene Zuschlagserteilung an eine Konkurrentin gerichteter Nachprüfungsantrag der ASt blieb vor der Vergabekammer erfolglos.
Entscheidung
Das OLG weist den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde der ASt zurück. Die Beschwerde hat keine begründete Aussicht auf Erfolg, da das Angebot zwingend gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b) VOB/A vom Vergabeverfahren auszuschließen ist.
Trotz der diesbezüglich unmissverständlichen Vorgaben in den Bewerbungsbedingungen hatte die ASt weder die Angebotskalkulation mit dem Angebot vorgelegt noch die Formblätter zur Kalkulation abgegeben. Das Gericht lässt insoweit offen, ob sich die Formblätter tatsächlich in dem Umschlag mit der Angebotskalkulation befinden. Da der Umschlag nach dem Vermerk der ASt nur in ihrem Beisein geöffnet werden darf, sind sämtliche in dem Umschlag befindlichen Erklärungen als nicht abgegeben anzusehen. Diese Vorgabe der ASt stellt eine unzulässige Bedingung dar. Ohne diese wäre der Inhalt des Umschlags der VSt zugänglich gewesen und das Angebot nicht schon deswegen auszuschließen, weil sich die Formblätter in dem Umschlag mit der Angebotskalkulation befinden. Der Vermerk der ASt, dass der Umschlag nur in ihrem Beisein geöffnet werden dürfe, ist von der VSt zu beachten. Ein Auftraggeber ist nicht berechtigt, von einem Bieter eingereichte Unterlagen oder Erklärungen gegen dessen erklärten Willen zu öffnen und einzusehen.
Insoweit besteht eine rechtliche Bindung an die Vorgabe eines Bieters, Unterlagen nur in seinem Beisein zu öffnen. Allerdings sind solche Vorbehalte vergaberechtlich nicht zugelassen und auch nicht hinzunehmen. Sie führen dazu, dass die mit der Bedingung belegten Erklärung oder Unterlagen im Rechtssinn als nicht abgegeben bzw. eingereicht zu betrachten sind. Eine vorbehaltlose Kenntnisnahme und Prüfung der eingegangenen Angebote in jeder durch die Vergabebekanntmachung und die Vergabeunterlagen vorgegebenen Hinsicht muss einem öffentlichen Auftraggeber aber möglich sein. Sonst ist nicht gewährleistet, dass in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden und die Vergabeentscheidung das Gebot des Gleichbehandelns der Bieter wahrt.
Praxishinweise
Die Abgabe von Angeboten oder geforderten weiteren Unterlagen unter einer Bedingung führt regelmäßig zu einer Änderung der Vergabeunterlagen und damit zum zwingenden Ausschluss vom Vergabewettbewerb. So hatte im entschiedenen Fall der Auftraggeber ausdrücklich vorgegeben, dass er berechtigt ist, den Umschlag mit der Urkalkulation zu öffnen und diese einzusehen. Dieses Recht steht allerdings nicht im Belieben öffentlicher Auftraggeber. Sie werden vielmehr ein berechtigtes Interesse an einer entsprechenden Aufklärung der Urkalkulation haben müssen, um eine Einsicht vorzunehmen.
(Quelle: VergabeNews 2010, 57f.)
Az.: II/1 608-00