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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 579/2021 vom 28.10.2021
OLG Düsseldorf zum Kommunalrabatt nach § 3 KAV
Der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) hat sich mit Beschluss vom 29.09.2021 (Az. 3 Kart 210/20) über den Umfang des Kommunalrabatts im Rahmen eines Konzessionsverfahrens geäußert. Danach dürfen Preisnachlässe für den abgerechneten Eigenverbrauch der Kommune bzw. kommunalen Betriebe nur auf das Entgelt für den Netzzugang, d.h. den Arbeits-, Leistungs- und Grundpreis, nicht auch auf weitere, mit dem Netzzugang lediglich in Zusammenhang stehende Rechnungsbestandteile wie Abgaben, Umlagen und Entgelte für den Messstellenbetrieb, Messung und Abrechnung gewährt werden. Insbesondere folgt eine Berücksichtigungsfähigkeit nicht aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Weiter hat das OLG entschieden, dass die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Kommunalrabatts der Nettowert des Rechnungsbetrages für den Netzzugang ist.
Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin hatte 2018 bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) beantragt, über den Arbeits-, Leistungs- und Grundpreis hinausgehende Entgeltkomponenten des Kommunalrabatts als Preisnachlass gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Konzessionsabgabenverordnung (KAV) im Regulierungskonto als erzielbare Erlöse gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Anreizregulierungsverordnung (ARegV) erhöhend zu berücksichtigen. Dies hatte diese abgelehnt. Nach dem Wortlaut der Verordnung dürfe ein Preisnachlass nur auf den Rechnungsbetrag für den Netzzugang, das heißt nur für solche Komponenten der Rechnung gewährt werden, die für den Netzzugang berechnet werden, denn in Bezug genommen sei eben nicht der Rechnungsgesamtbetrag. Weder der Begriff „Netzzugang“ noch die Wendung „Rechnungsbetrag für den Netzzugang“ würden in der Verordnung definiert. Es liege daher nahe, die Begriffe nach allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen. Danach sei „Netzzugang“ nichts anderes als die Inanspruchnahme des Netzes. Die Entgelte für den Messstellenbetrieb und die Messung fielen schon begrifflich nicht hierunter. Für die Inanspruchnahme des Netzes würden vielmehr nur der Arbeits-, Leistungs- und Grundpreis als Entgelt erhoben, was dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 und 6 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) zu entnehmen sei. Auch Sinn und Zweck der Konzessionsabgabenverordnung, insbesondere des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV, unterstützten diese Auffassung. In systematischer Hinsicht sei es sachgemäß, auf die zu § 118 Abs. 6 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnWG ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zurückzugreifen, in der dieser betone, dass als Entgelt, Preis, Geldforderung oder Rechnungsbetrag für den Netzzugang nur eine Leistung anzusehen sei, die der Netznutzer als Gegenleistung für die Inanspruchnahme des Netzes erbringe.
Aus den Gründen:
Das OLG hat die Entscheidung der BNetzA als rechtmäßig bewertet. Die streitgegenständlichen gewährten Rabatte auf Abgaben, Umlagen und auf Entgelte für den Messstellenbetrieb, für Messung und Abrechnung könnten nicht erlösmindernd bei der Berechnung der erzielbaren Erlöse berücksichtigt werden. Es handele sich nicht um nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV abweichend vom grundsätzlich geltenden Nebenleistungsverbot ausnahmsweise zulässige Nebenleistungen; nur ein rechtmäßig eingeräumter Rabatt könne die „erzielbaren Erlöse“ mindern. Die oben genannte Regelung, wonach Preisnachlässe für den in Niederspannung oder Niederdruck abgerechneten Eigenverbrauch der Gemeinde bis zu 10 von Hundert des Rechnungsbetrags für den Netzzugang zulässig sind, sei nicht einschlägig, da hiervon nur ein Rabatt auf das Entgelt für den Netzzugang, d.h. den Arbeits-, Leistungs- und Grundpreis erfasst ist, nicht aber ein Rabatt auf Abgaben, Umlagen und auf Entgelte für den Messstellenbetrieb, für Messung und Abrechnung als weitere, mit dem Netzzugang lediglich in Zusammenhang stehende Rechnungsbestandteile. Dies folge bei der gebotenen Auslegung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV aus systematischen und teleologischen Erwägungen.
Gesetzeshistorische Erwägungen führten bei der Auslegung des Begriffs „Rechnungsbetrag für den Netznutzgang“ mit Blick auf die hier streitgegenständlichen Rabatte auf Abgaben, Umlagen und auf Entgelte für den Messstellenbetrieb, für Messung und Abrechnung ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Es ließen sich keine belastbaren Rückschlüsse darauf ziehen, dass der Verordnungsgeber mit dem „Rechnungsbetrag“ bewusst ein weites Verständnis dahingehend verbunden hätte, dass damit alle Entgelte für verbrauchte Energie, für die Netznutzung und für sonstige mit der Netznutzung in Zusammenhang stehende Leistungen umfasst sein sollten.
Für das von der Bundesnetzagentur vertretene enge Verständnis des Begriffs des „Rechnungsbetrags für den Netzzugang“ spreche maßgeblich die systematische Auslegung der Vorschrift. Die systematisch gebotene, enge Auslegung der streitgegenständlichen Klausel „Rechnungsbetrag für die Netznutzung“ werde auch dem Sinn und Zweck des § 3 KAV gerecht.
Die Nichtberücksichtigung des Kommunalrabattes sei nicht wegen des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung, der die Behörde verpflichtet, eine durch Verwaltungsvorschriften vorgegebene oder durch tatsächliche Übung entstandene Verwaltungspraxis bei der Ausübung eines Ermessensspielraums einzuhalten, zu beanstanden. Denn streitgegenständlich sei allein die Frage der Zulässigkeit der Gewährung eines vertraglich vereinbarten Kommunalrabattes auf die im Zusammenhang mit der Netznutzung stehenden Rechnungspositionen, die anhand der gesetzlichen Vorgaben zu beantworten seien. Da die Gewährung von Kommunalrabatten unzulässig sei, wenn sie nicht von § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KAV gedeckt sei, und die vertragliche Abrede über ihre Einräumung nach § 134 BGB (teil-)nichtig sei, könne sie nach dem Sinn und Zweck des Regulierungskontos nicht im Rahmen der erzielbaren Erlöse i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 ARegV Berücksichtigung finden. Ein Ermessensspielraum der Bundesnetzagentur bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage bestehe nicht. Eine etwaige entgegengesetzte vormalige Verwaltungspraxis der Bundesnetzagentur wäre damit rechtswidrig und unbeachtlich („keine Gleichheit im Unrecht“).
Hintergrund:
Konzessionsverträge für Strom und Gas enthalten regelmäßig die Regelung sonstiger zulässiger Leistungen wie etwa den Gemeinderabatt. Danach dürfen Versorgungsunternehmen und Gemeinden neben oder anstelle von Konzessionsabgaben für einfache oder ausschließliche Wegerechte unter anderem Preisnachlässe für den abgerechneten Eigenverbrauch vereinbaren oder gewähren. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht das auf den wirtschaftlichen Vorteil der Gemeinde gerichtete Auswahlkriterium „Gemeinderabatt“ als zulässig an, soweit er sich im Rahmen des nach der Konzessionsabgabenverordnung rechtlich Zulässigen hält und einen sachlichen Bezug zum Gegenstand des Konzessionsvertrages aufweist. Der BGH hat in Verfahren zu § 118 Absatz 6 Energiewirtschaftsgesetz entschieden, dass die gesetzlichen Umlagen, die Konzessionsabgaben und die Messentgelte nicht rabattfähig sind, da sie nicht als Gegenleistung für eine Netzbetreiberleistung erbracht werden.
Das vollständige Urteil ist zu finden unter:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2021/3_Kart_210_20_Beschluss_20210929.html
Anmerkung:
Gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist Rechtsbeschwerde zugelassen, sodass der Fall möglicherweise vor dem BGH verhandelt wird. Ob der BGH in diesem Fall dem OLG-Urteil folgt, ist nur schwer abschätzbar - und somit auch das Risiko für die Kommunen, einen gekürzten Rabatt akzeptieren zu müssen. Der Rabatt i.H.v. 10 % bestimmt sich nach dem entsprechenden Verbrauch und der Summe aller Rechnungsstellen. Deshalb dürften die finanziellen Auswirkungen bei Nichtgewährung im Einzelfall nach erster Einschätzung überschaubar sein. Dennoch unterstreicht die Entscheidung die Reformbedürftigkeit der Konzessionsabgabenverordnung.
Az.: 28.7.1-008/002 we