Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 271/2019 vom 06.05.2019

OLG Hamburg zu Wohnbaugesellschaft als öffentlichem Auftraggeber

Das OLG Hamburg hat mit Beschluss vom 11. Februar 2019 - 1 Verg 3/15 - die Eigenschaft einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft als öffentlicher Auftraggeber wie folgt verneint: Eine Wohnungsbaugesellschaft, die sich ganz oder mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand befindet, ist kein öffentlicher Auftraggeber, wenn ihre Aufgaben mit Gewinnerzielungsabsicht und daher gewerblich wahrgenommen werden. Sie ist infolgedessen nicht verpflichtet, Ausschreibungen für Bauaufträge entsprechend den Regelungen des GWB und der VOB/A durchzuführen.

Bieter B ist ein Malerbetrieb, der Auftraggeber (AG) ist eine Wohnungsbaugesellschaft, deren Eigentümer die Stadt H ist. Der Auftraggeber (AG) vergibt im Jahr 2015 einen Bauauftrag oberhalb des Schwellenwerts ohne Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens. B meint, es handle sich um eine rechtswidrige De-facto-Vergabe, da der AG öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 2 GWB a. F. sei. Er erfülle im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art. Laut seiner Satzung erfülle die Wohnungsgesellschaft gemeinnützige Zwecke; die Gewinnerzielung sei jedenfalls nicht ihr Hauptzweck.

Die Wohnungsgesellschaft behauptet demgegenüber, sie sei gewerblich tätig; für die Gewinnerzielungsabsicht sei es ausreichend, dass dieses Zwischenziel zur Erfüllung öffentlicher Interessen sei. Die Gesellschaft stehe zudem im Wettbewerb mit Dritten. Auch bestehen weder ein Gewinnabführungs- noch ein Beherrschungsvertrag mit der Stadt H; ebenso wenig treffe den Eigentümer eine Pflicht zum Verlustausgleich. Die Vergabekammer weist den Antrag als unzulässig zurück, denn die Wohnungsbaugesellschaft sei nicht öffentlicher Auftraggeber. Hiergegen legt B Beschwerde ein.

Entscheidung

Die Voraussetzungen des § 98 Nr. 2 GWB a. F. liegen nach Auffassung des OLG Hamburg nicht vor. Zwar sei der AG eine juristische Person privaten Rechts, die zu dem Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen. Er stehe zudem unter der vollständigen Kontrolle der Stadt H. Auch sei der AG gewerblich tätig. Der Begriff „nichtgewerblicher Art" in § 98 Nr. 2 GWB a. F. (Jetzt: § 99 Nr. 2 GWB) knüpfe an die Art und Weise der Aufgabenerfüllung an.

Die Tätigkeiten des Auftraggebers seien nur dann „nichtgewerblicher Art", wenn ein Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt fehle, er grundsätzlich keine Gewinnerzielungsabsicht habe sowie die mit der Tätigkeit verbundenen Risiken nicht übernehme und seine Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Allein der Umstand, dass der Wohnungsmarkt in der Stadt H teilweise dysfunktional sei, führe noch nicht zum Fehlen von Wettbewerb. Der AG befinde sich hier nicht durch Zutun des Staates in einer marktbezogenen Sonderstellung. Auch die Gewinnerzielungsabsicht liege nach Auffassung des OLG Hamburg vor, nachdem der AG im laufenden Verfahren eine Klausel zur Gemeinnützigkeit aus seiner Satzung gestrichen hatte.

Zudem habe die Wohnungsbaugesellschaft in der Vergangenheit erhebliche Gewinne erwirtschaftet. Auf den Willen zu einer Gewinnmaximierung komme es insoweit nicht an. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt H eine mögliche Insolvenz des Auftraggebers in jedem Fall verhindern werde. Unstreitig nimmt der AG auch keine öffentlichen Mittel zur Wahrnehmung seiner Aufgaben in Anspruch. Das Merkmal „nichtgewerblicher Art" sei mithin nicht erfüllt, der AG daher kein öffentlicher Auftraggeber. (Quelle: IBR 2019, 272)

Praxishinweis

Die Entscheidung ist positiv, auch wenn sie einen konkreten Einzelfall betrifft. Sie gibt den als Eigengesellschaft handelnden kommunalen Wohnungsbaugesellschaften dann, wenn diese mit der Absicht der Gewinnerzielung arbeiten, die Möglichkeit, außerhalb der Vorschriften des Vergaberechts zu agieren. Grund ist, dass es an dem für eine Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 GWB vorausgesetzten Tatbestandsmerkmal der Erfüllung von Aufgaben „nichtgewerblicher Art“ fehlte, weil die Wohnungsbaugesellschaft nicht ausschließlich gemeinnützig tätig sei.

Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit muss eine kommunal getragene Wohnungsbaugesellschaft aber bei ihren eigenen Vergaben unabhängig von der Anwendung des Vergaberechts einhalten. Dazu gehört grundsätzlich auch die Wahrung des Wettbewerbsprinzips.

Az.: 21.1.4.4-002/003 we

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