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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 154/2019 vom 18.03.2019
Beschluss zu Interessenkollision bei Vergabeverfahren
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat mit Beschluss vom 30. Oktober 2018 - 15 Verg 6/18 - zur Frage der Interessenkollision eines Beraters, der gleichzeitig für ein Stadtwerk als öffentlicher Auftraggeber und einen Bieter tätig wird wie folgt Stellung genommen: Eine Interessenkollision liegt vor, wenn ein Berater sowohl den öffentlichen Auftraggeber im Vergabeverfahren als auch die an der Angebotsabgabe beteiligte Muttergesellschaft des Beigeladenen in einem anhängigen Rechtsstreit des Antragstellers gegen die Muttergesellschaft unterstützt.
Die Stadtwerke einer Gemeinde suchen im Wege der Ausschreibung einen strategischen Partner für eine spätere gemeinsame Bewerbung um eine Stromlieferungskonzession. Die strategische Partnerschaft schreiben die Stadtwerke als Dienstleistungskonzession im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb aus. Im Ergebnis der Ausschreibung soll der Zuschlag einem Bieter erteilt werden, dessen Muttergesellschaft sich in anderen Angelegenheiten der Hilfe desselben Beraters bedient und auch schon zuvor bedient hat wie die Stadtwerke im Rahmen der Ausschreibung. Hiergegen wendet sich ein anderer Bieter.
Die Stadtwerke haben gegen das Gebot verstoßen, dass kein Dienstleister in einem Vergabeverfahren mitwirken darf, bei dem ein Interessenkonflikt besteht. Die Suche nach dem strategischen Partner wird deshalb auf den Stand unmittelbar nach Eingang der Teilnahmeanträge zurückversetzt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Verfahren zu wiederholen, weil ab dann in der Person des Beraters der Stadtwerke ein Interessenkonflikt vorlag.
Das Bestehen eines Interessenkonflikts wird nach § 5 Abs. 2 KonzVgV bzw. § 6 Abs. 2 SektVO vermutet, weil der Berater der Stadtwerke zum einen bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt ist, zum anderen aber in anderen Angelegenheiten auch die Muttergesellschaft des Erstplatzierten unterstützt bzw. unterstützt hat. Die Interessen des Erstplatzierten und die seiner Muttergesellschaft sind im Vergabeverfahren gleich zu behandeln. Denn die Interessen des Erstplatzierten werden von der Muttergesellschaft vertreten. Sie hat in seinem Namen und in seiner Vertretung den Teilnahmeantrag und das Angebot eingereicht und den Schriftverkehr mit den Stadtwerken geführt.
Die gesetzliche Vermutung eines Interessenkonflikts kommt deshalb zum Tragen, weil die Beratungsleistungen für die Muttergesellschaft des Erstplatzierten noch zeitgleich während des Vergabeverfahrens erfolgt sind. Der Berater hatte auch Einfluss auf das Vergabeverfahren. Er hat zumindest einen wesentlichen Teil des Auswertungsgutachtens zu verantworten, also die Zuschlagsentscheidung vorbereitet. Der gesetzlich vermutete Interessenkonflikt ist nicht aufgrund der unterschiedlichen Beratungsgegenstände ausgeschlossen. Entscheidend ist, dass nicht festgestellt werden kann, dass auf keinen Fall ein persönliches Interesse des Beraters aufgrund seiner Leistungen in den anderen Angelegenheiten seine Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen dieses Vergabeverfahrens beeinträchtigen kann.
Es ist richtig, dass das OLG nicht allein auf die formale Unterscheidung zwischen Mutter und Tochter abgestellt hat. Soll bei Vergabeverfahren die Hilfe von Beratern in Anspruch genommen werden, empfiehlt es sich für Kommunen oder Stadtwerke, in den Beraterverträgen ausdrücklich eine Hinweispflicht des Beraters zu verankern, für den Fall, dass Interessenkollisionen möglich erscheinen. Die Entscheidung muss dann durch den Auftraggeber erfolgen.
Für den Fall, dass der Vertrag deshalb vorzeitig beendet wird, sollte der Vertrag die Vergütungsfolgen regeln und auch Anreize für einen rechtzeitigen Hinweis setzen, etwa durch die Zusage von Ersatzaufträgen o. ä.. Unterbleibt der Hinweis, hat der Auftraggeber nach einem Nachprüfungsverfahren allenfalls einen Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens, der sich häufig aber gar nicht vollständig in Geld ersetzen lässt (Quelle: IBR 2018, 149).
Az.: 21.1.1.5-001/002 we