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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 130/2008 vom 24.01.2008
OLG München zur Erfüllungsverweigerung im Aufklärungsgespräch
Das OLG München hat in einem Beschluss vom 15. November 2007 – Verg 10/07 – folgendes festgestellt:
1. Benennt der Bieter auf Nachfrage der Vergabestelle ein von ihm zu lieferndes Produkt, welches den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses nicht entspricht, kann sein Angebot nicht wegen Abweichens vom Leistungsverzeichnis ausgeschlossen werden.
2. Ist der Bieter nicht willens, ein dem Leistungsverzeichnis entsprechendes Produkt zu liefern, kann er wegen fehlender Eignung ausgeschlossen werden.
Problem/Sachverhalt
Ein staatliches Bauamt verlangte „gemäß Ausschreibungsbedingungen" im Anschluss an die Submission von der mindestnehmenden Elektrofirma Angaben zum Hersteller und zu Typen von Uhren einer Schwachstromanlage für den Neubau einer Polizeieinsatzzentrale. Im Leistungsverzeichnis (LV) waren diese Fabrikats- und Typenangaben nicht gefordert, sondern die Funktionen der Uhren bzw. der Uhrendisplays beschrieben. Der benannte Uhrentyp entsprach diesen Anforderungen nicht. Das Bauamt schloss das Angebot der Elektrofirma deshalb aus. Deren Nachprüfungsantrag wies die Vergabekammer zurück. Nachdem der Auftrag zwischenzeitlich an einen Dritten vergeben wurde, wandte sich die Elektrofirma mit einem Feststellungsantrag nach § 123 Satz 3 GWB an den Vergabesenat des OLG.
Entscheidung
Das OLG lehnt den Antrag ab. Der Ausschluss ist rechtens. Das Bauamt musste nicht schon in den Vergabeunterlagen die Angabe des Fabrikats vorsehen. Durch die Beschreibung im LV war klar, was zu liefern war. Ein Ausschluss wegen Abweichens vom LV ist nicht möglich, weil das Angebot objektiv dem LV entspricht. Allerdings ist die Elektrofirma nicht bereit, eine Leistung zu erbringen, die den Anforderungen des LV entspricht. Wegen dieser nach der Submission geäußerten Absicht, die Leistung abweichend auszuführen, fehlt der Elektrofirma allerdings die notwendige Zuverlässigkeit. Wird die fehlende Eignung erst in einem späteren Stadium erkannt, muss der Auftraggeber nicht sehenden Auges den Auftrag an einen ungeeigneten Bieter vergeben. Die Ausschlussentscheidung liegt im Ermessensbereich, weil die Beauftragung der Elektrofirma eine nicht gewünschte Leistungsausführung zur Folge hätte.
Praxishinweis
Der Ausschluss nicht schon auf der ersten Wertungsstufe ist richtig, denn die Elektrofirma bot in ihrem zur Submission vorliegenden Angebot die geforderte Leistung ohne Einschränkungen an. Innerhalb der Bindefrist konnte die Firma ihr Angebot nicht durch nachgereichte Erklärungen einseitig abändern (anders aber OLG Düsseldorf, IBR 2007, 699). Die Argumentation des OLG zum Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit ist jedoch nicht zwingend.
Das OLG geht zwar zutreffend von einer Ermessensentscheidung aus. Wenn schon im Vergabeverfahren Gründe vorliegen, die nach der Zuschlagserteilung eine Kündigung wegen ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung (s. BGB § 281 Abs. 2) rechtfertigen würden, muss der Auftraggeber wegen der angekündigten Vertragsuntreue die Beauftragung verhindern können. Ein Nachgeschmack bleibt jedoch, weil dem Auftraggeber dann kein Schadensersatz wegen der Preisdifferenz zum teureren Zweitbieter zusteht.
Das OLG berücksichtigte die verbleibende Möglichkeit nicht, gegenüber der Elektrofirma im Vergabeverfahren klarzustellen, das die LV-Leistung gefordert und diese nach Zuschlagserteilung mit den vertraglichen Mitteln durchgesetzt werden wird; widrigenfalls Kündigung und Schadensersatz drohen. Ob dies praktikabel bzw. wirtschaftlich ist, hängt unter anderem vom Preisunterschied zum Zweitbieter ab und sollte in die Ermessensabwägung - die hier alleine dem Schutz des Auftraggebers dient - eingestellt werden.
Az.: II/1 608-00