Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 518/2017 vom 21.08.2017

OLG Naumburg zu Grenzen vergabefreier interkommunaler Zusammenarbeit

Das OLG Naumburg hat mit Beschluss vom 17.03.2017 (Verg.8/16) festgestellt, dass der Vertrag zwischen einem Abwasserzweckverband und einem Verbandsmitglied über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft und über die technische Betriebsführung der Abwasserbeseitigungsanlagen ein ausschreibungspflichtiger öffentlicher Auftrag ist. Die Voraussetzungen für eine vergabefreie interkommunale Zusammenarbeit lagen nach Auffassung des Vergabesenats vorliegend nicht vor. 

Im zugrunde liegenden Sachverhalt sollte im Rahmen eines „Kooperationsvertrags“ über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft ein Verbandsmitglied von seinem Abwasserzweckverband die Betriebsführung der Abwasserbeseitigungsanlagen übernehmen. Der Vertragsschluss erfolgte ohne vorherige Durchführung eines Vergabeverfahrens. Bereits die Vergabekammer hatte entschieden, dass der insoweit geschlossene Vertrag unwirksam sei. Es handele sich um einen Fall der unzulässigen Direktvergabe. Es bedürfe der Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens. Das Verfahren richtete sich nach dem bis zum 17.04.2016 gültigen Vergaberecht (GWB a.F.).  

Das OLG Naumburg hat festgestellt, dass der Vertrag über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft einen öffentlichen Auftrag darstellt, der im Ergebnis nicht unter die Ausnahme der interkommunalen Zusammenarbeit fällt. Die Prüfung erfolgte vorwiegend nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und noch nicht nach der neuen Vergaberegelung des § 108 Abs. 6 GWB, die nur für Beschaffungsverfahren gilt, die nach dem 18.04.2016 eingeleitet wurden. 

Ungeachtet dessen waren die von der EuGH-Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen, die im Kern auch die Neuregelung des § 108 Abs. 6 GWB aufgegriffen hat, für eine ausschreibungsfreie Zusammenarbeit vorliegend nicht erfüllt. Zwar handele es sich um eine ausschließlich zwischen öffentlichen Trägern geschlossene Vereinbarung. Gleichwohl liege keine horizontale Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ zur Erfüllung einer den Parteien gemeinsam obliegenden Gemeinwohlaufgabe vor. Die Aufgabe der Abwasserbeseitigung im Verbandsgebiet obliege allein dem Zweckverband, nicht der Kommune. Insoweit könne nicht von einer „gemeinsamen“ Aufgabenerfüllung ausgegangen werden.  

Nach Auffassung des OLG Naumburg verhalte es sich so, dass sich der Zweckverband der Kommune zur Erfüllung bestimmter, ihm zugewiesener technischer Dienstleistungen bedient habe. Darüber hinaus weise der Vertrag typische Merkmale eines Auftragsverhältnisses mit Kontroll- und Weisungsrechten des Auftraggebers auf. Eine Kooperation sei dagegen durch die Gleichberechtigung aller Vertragspartner gekennzeichnet, der ein Über-/Unterordnungsverhältnis wesensfremd sei.

Schließlich sei die Zusammenarbeit der Parteien auch nicht durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhänge. Abstrakte Zielsetzungen, die den Vertragsgegenstand nicht unmittelbar betreffen, reichten nicht aus. Für den eigentlichen vertraglichen Leistungsgegenstand, die technische Betriebsführung, unterscheide sich vorwiegend der Vertrag in Bezug auf die Leistungspflichten nicht von einem mit einem privaten Dienstleistungsanbieter zu treffenden Vertrag.  

Anmerkung

Das OLG Naumburg hat sich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen der vergabefreien interkommunalen Zusammenarbeit auseinandergesetzt. Der Vergabesenat hat herausgestellt, dass die Abwasserbeseitigung eine öffentlich-rechtliche Pflichtaufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge und damit zweifellos eine öffentliche Aufgabe ist. Insoweit ist die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft zur Wahrnehmung der Gemeinwohlaufgabe der Abwasserbeseitigung auch nicht anzugreifen.  

Der Senat hat indes klargestellt, dass die Abwasserbeseitigung im Verbandsgebiet keine öffentliche Aufgabe ist, die sowohl dem Antragsgegner als auch der Beigeladenen gemeinsam obliegt. Insoweit lag vorwiegend auch ein Unterschied zur Grundsatzentscheidung des EuGH vom 09.06.2009 (C-480/06-Stadtreinigung Hamburg) und der dort zugrunde liegenden Fallkonstellation vor. Die öffentliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung ist vorliegend mit Gründung des Zweckverbandes auf diesen vollständig übergegangen und lag damit — bezogen auf das Verbandsgebiet — ausschließlich beim Antragsgegner und nicht mehr bei den angeschlossenen Kommunen.  

Für eine vergaberechtsfreie interkommunale Zusammenarbeit fehlt es nach Ansicht des OLG dem vorliegenden Vertrag zudem an einem „kooperativen Konzept“. Insoweit ist auch auf die Anforderung in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB zu verweisen. Der Vertrag über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft beschränkte sich vorliegend im Wesentlichen auf einen Leistungsaustausch, nämlich die Erbringung einer Dienstleistung (technische Betriebsführung) gegen Bezahlung eines Betriebsführungsentgeltes. Weitergehende kooperative Elemente enthielt der Vertrag nicht. Zwar hat das OLG Naumburg die Frage, ob es für eine vergaberechtsfreie Kooperation bereits ausreicht, wenn sich der Beitrag eines Vertragspartners auf die bloße Zahlung eines Geldbetrages beschränkt, nicht abschließend beantwortet. Gleichwohl hat der Senat ausgeführt, dass er dieses für „zumindest zweifelhaft“ hält.  

Nach alledem ist Städten und Gemeinden zu raten, die Voraussetzungen einer vergabefreien interkommunalen Zusammenarbeit im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Bei etwaigen Vertragsgestaltungen kommt es folglich insbesondere darauf an, dass es im konkreten Einzelfall um die Erfüllung einer den Vertragsparteien gemeinsam obliegenden Gemeinwohlaufgabe geht und die Aufgabenerledigung auf der Grundlage eines gemeinsamen und kooperativen Konzepts erfolgt.

Az.: 21.1.1.3-001/002

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