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Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung vom 18.11.2024
OVG Bremen zur abfallrechtlichen Anordnung
Das OVG Bremen hat mit Beschluss vom 15.10.2024 (Az. 1 B 250/24) eine Anordnung gemäß § 62 KrWG (= Kreislaufwirtschaftsgesetz = Bundesabfallgesetz) gegenüber einem Grundstückseigentümer für ermessensfehlerhaft erachtet, auf dessen Grundstücken mit Mehrfamilienhäusern größere Mengen Lebensmittelreste, Verpackungsmüll, Möbelstücke und Elektrogeräte vorgefunden wurden, die nicht ordnungsgemäß entsorgt wurden. Mit der Anordnung wurde der Grundstückseigentümer aufgefordert, die Abfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (hier: der Stadt) in Erfüllung der Abfallüberlassungspflicht gemäß § 17 KrWG zu überlassen und in der Zukunft eine ordnungsgemäße Erfüllung der Abfallüberlassungspflicht sicherzustellen. Für den Fall einer nicht fristgerechten Entsorgung der vorgefundenen Abfälle wurde eine Ersatzvornahme angedroht sowie ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 €. Die Grundanordnung wurde für sofort vollziehbar erklärt, weil durch die vorgefundenen Abfälle Schädlinge wie z. B. Ratten angezogen würden, wodurch Gesundheitsgefahren für die Anwohner entstünden.
Das OVG Bremen sah die Anordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer (und nicht gegenüber den Mietern) als ermessensfehlerhaft an. Zwar sei der Grundstückseigentümer (als Vermieter) ebenfalls Abfallbesitzer und müsse somit die öffentlich-rechtlichen Abfallüberlassungspflichten gemäß § 17 KrWG erfüllen. Dieses könne auch mit eine Anordnung gemäß § 62 KrWG durchgesetzt werden. Allerdings weist das OVG Bremen darauf hin, dass der § 62 KrWG kein sog. intendiertes Ermessen vorgibt, d.h. dass nur eine ganz bestimmte Entscheidung (hier: Anordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer) möglich ist. Ebenso liege – so das OVG NRW - keine erkennbare „Ermessensreduzierung auf Null“ vor, so dass in der Anordnung Ermessenserwägungen fehlten, warum gegenüber dem Grundstückseigentümer und nicht gegenüber den Mietern die Anordnung erlassen worden sei. Insoweit seien in der Begründung der Anordnung (Verwaltungsakt) keine Ermessenserwägungen erfolgt, zumal es keinen Vorrang für ein Einschreiten gegen den Abfallbesitzer oder den Abfallerzeuger gebe (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 09.03.2011 – Az. 7 LA 50/30 -). Die Stadt habe auch nicht hinreichend genug dargelegt, dass von den Abfallablagerungen eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben ausging und eine Gefahrenintensität gegeben sei, so dass ein abfallrechtliches Einschreiten durch Erlass einer Anordnung zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Abfallüberlassungspflicht gegenüber dem Grundstückseigentümer geboten war.
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Der Beschluss des OVG Bremen vom 15.10.2024 verdeutlicht lediglich, dass bei einer Anordnung gemäß § 62 KrWG mit tragenden Ermessenserwägungen die erfolgte Auswahl des Adressaten begründet werden muss und nicht lediglich auf bestehende Abfallüberlassungspflichten und einen bestehenden Anschluss- und Benutzungszwang abgestellt werden kann.
Gleichwohl ist in der Rechtsprechung durchgängig anerkannt, dass gegenüber einem Grundstückseigentümer (und nicht gegenüber Mietern) eine abfallrechtliche Anordnung erlassen werden kann.
So hat das BVerwG mit Beschluss vom 28.04.2022 (7 B 17.21 – Vorinstanz: OVG BB, Urteil vom 09.06.2021 – OVG 11 B 20.16 -) klargestellt, dass die zuständige Behörde die Grundstückseigentümerin zur ordnungsgemäßen Entsorgung der Abfälle gemäß § 62 KrWG (Anordnungsbefugnis) i. V. m. § 15 KrWG in Anspruch nehmen kann, wenn diese ihr Grundstück an eine Firma verpachtet hat, die insolvent geworden ist.
Ebenso hat das VG Aachen (Beschluss vom 05.09.2019 – Az.: 6 L 713/19 – abrufbar unter www.justiz.nrw.de – Rz. 42 der Beschlussgründe) zutreffend entschieden, dass die Inanspruchnahme einer Grundstückseigentümerin rechtmäßig ist, weil im Rahmen der Ermessensentscheidung zur Auswahl des Pflichtigen bzw. Adressaten auch der Gesichtspunkt der Effektivität maßgeblich ist, d. h. wie der bestehende Gesetzesverstoß am besten beseitigt werden kann.
Die zuständige Behörde muss aber dennoch nachvollziehbar begründen, warum eine Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers erfolgt, denn alternativ kommen grundsätzlich auch andere Adressaten in Betracht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.04.2024 - Az.: 20 A 726/20 – zur Wiederausbaupflicht der Einbaufirma für asbesthaltige Recyclingbaustoffe).
Zugleich hat das VG Köln mit Urteil vom 22.12.2023 (Az. 9 K 7567/18- abrufbar unter www.justiz.nrw.de – Rubrik: Entscheidungen) eine abfallrechtliche Ordnungsverfügung zur Entsorgung der auf einem Grundstück abgelagerten Stoffe und Gegenstände gegenüber der Grundstückseigentümerin für rechtmäßig erachtet. Die Entsorgungsanordnung sei – so das VG Köln - auf der Grundlage des § 62 KrWG rechtmäßig ergangen. Danach könne die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes erlassen. Mit der Beseitigungsverfügung habe die beklagte Behörde das Verbot zur Lagerung von Abfällen zur Beseitigung außerhalb von Abfallbeseitigungsanlagen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG durchgesetzt. Auch der Begriff „sperrmüllartige Gegenstände“ genügt – so das VG Köln – den Anforderungen an die Bestimmtheit der Verfügung (Anordnung). Der Begriff Sperrmüll sei außerdem im allgemeinen Sprachgebrauch hinreichend konkretisiert. Zudem sei die Grundstückseigentümerin ebenfalls als Abfallbesitzerin im Sinne des § 3 Abs. 9 KrWG anzusehen und unterliege deshalb den abfallrechtlichen Pflichten zur ordnungsgemäßen Entsorgung der Abfälle, die auf ihrem Grundstück angefallen seien (vgl. dazu ausführlich: Mitt.StGB NRW Nr. 248/2024).
Az.: 25.0.2.1 qu