Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 582/2015 vom 22.09.2015

OVG Hamburg zu Mobilfunkantenne und Erhaltungssatzung

Das OVG Hamburg hat mit Beschluss vom 17. Februar 2014 — 2 Bf 215/13 — Ausführungen zur beabsichtigten Aufstellung einer Mobilfunkantenne und dem Vorhandensein einer kommunalen Erhaltungssatzung gemacht:

  1. Die „städtebauliche Gestalt“ im Sinne von § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB kann bei negativen Auswirkungen sowohl auf das Ortsbild als auch auf die Stadtgestalt beeinträchtigt werden.
  2. Mit dem Beeinträchtigungsverbot im Erhaltungsgebiet soll - über das Verunstaltungsgebot hinausgehend - sichergestellt werden, dass sich neue bauliche Anlagen hinreichend harmonisch in den durch die erhaltenswerte Bausubstanz geprägten Gesamteindruck einfügen.
  3. Auch Nebenanlagen können die städtebauliche Gestalt beeinträchtigen.
  4. Für eine Beeinträchtigung im Sinne von § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB ist es nicht erforderlich, dass sich die neue bauliche Anlage auf die städtebauliche Gestalt des gesamten Erhaltungsgebiets negativ auswirkt.

Die Baubehörde erteilte dem Eigentümer eine Befreiung zur Errichtung einer Mobilfunkanlage mit Antennenmast in einem reinen Wohngebiet. Die Nachbarn wandten sich gegen die erteilte Befreiung. Die Mobilfunkanlage wurde auf einem Eckgrundstück auf einem ca. 1908 errichteten zweigeschossigen Stadthaus errichtet.

Das Stadthaus hat eine Traufhöhe von ca. 10,50 m. Im Eckbereich befindet sich ein turmartig ausgeprägtes Dachgeschoss mit einem pyramidenförmigen Dach. Das Dach endet allerdings nicht in einer Spitze, sondern in einer kleinen rechteckigen Ebene, auf dem der sichtbare Teil der Mobilfunkanlage mit einer Höhe von 3,45 m steht. Die Grundstücke von Klägern und Beigeladener liegen in einem Erhaltungsbereich nach § 39h BBauG 1976, für den weiterhin eine Erhaltungssatzung nach § 172 BauGB aus dem Jahr 1995 gilt.

Entscheidung

Die Befreiung ist rechtswidrig und verletzt die Nachbarn in ihrem Gebietsgewährleistungsanspruch. Die in der Befreiung liegende Abweichung sei nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht mit den öffentlichen Belangen vereinbar, weil das Vorhaben nach § 172 BauGB unzulässig sei. Nach § 172 Abs. 3 Satz 2 BauGB sei eine Genehmigung nach § 172 BauGB (nur) zu versagen, wenn die städtebauliche Gestalt des durch die Erhaltungssatzung geschützten Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt werde. Geschützt seien dadurch das Ortsbild und/oder die Stadtgestalt. Negative Einwirkungen neu errichteter baulicher Anlagen, auch von Nebenanlagen, auf die geschützte Bebauung sollten verhindert werden.

Veränderungen dürften nur vorgenommen werden, wenn sie sich harmonisch in den durch die erhaltenswerte Bausubstanz geprägten Gesamteindruck einfügen würden. Geschützt sei allerdings nicht nur das Ensemble als Ganzes, sondern jedes einzelne Teil. Ein Fremdkörper dürfe keinesfalls genehmigt werden. Dieser liege aber hier in Form des befreiten Antennenmastes vor: Er sei als Solitär auffällig auf dem pyramidenförmigen Dach platziert und weiche mit seinem metallischen Erscheinungsbild von den sonstigen Gestaltungsformen deutlich ab. Er beeinträchtige daher die städtebauliche Gestalt des geschützten Gebiets und dürfe nicht genehmigt werden.

Praxishinweis

Die Entscheidung bestätigt die wichtige Rolle von Erhaltungssatzungen für die Erhaltung historischer Bausubstanz, macht aber zugleich deutlich, welche Konsequenzen ein solcher Schutz auch für die Versorgung der Gebiete mit heute üblichen Kommunikationsmitteln haben kann. Bemerkenswert ist auch, dass hier öffentliche Interessen erfolgreich mit Hilfe des Gebietsgewährleistungsanspruchs als Verletzung nachbarschützender Vorschriften durchgesetzt werden können.

Az.: II gr-ko

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