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StGB NRW-Mitteilung 128/2020 vom 09.12.2019
OVG Koblenz zu Windenergieanlagen und Kranichzug
Der Betrieb einer Windenergieanlage erhöht das Kollisions- und Tötungsrisiko für ziehende Kraniche nicht in signifikanter Weise, sodass sie keiner Abschaltauflage zum Schutz des Kranichzugs bedarf. Dies hat das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht in Koblenz mit Urteil vom 31.10.2019 - 1 A 11643/17 - entschieden.
Betreiberin einer Windkraftanlage klagt gegen Abschaltauflage
Die Klägerin, eine Betreiberin einer Windkraftanlage, erhielt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage mit der Auflage, an den Massenzugtagen des Kranichs im Frühjahr und Herbst bei bestimmten Wetter- und Windbedingungen die Anlage während des Überflugs der Zugwelle abzuschalten. Ihre gegen diese Auflage erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit der Begründung zurück, ohne die Nebenbestimmung stünde der Genehmigung der Anlage das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach dem Bundesnaturschutzgesetz entgegen, weil sich das Tötungsrisiko für den Kranich durch die Windenergieanlage in signifikanter Weise erhöhe. Die Klägerin legte Berufung ein.
OVG hebt Auflage auf
Das Oberverwaltungsgericht hat nun der Klägerin Recht gegeben und die angefochtene Nebenbestimmung aufgehoben. Die Voraussetzungen für den Erlass der Kranichabschaltauflage seien nicht gegeben. Die Windenergieanlage erfülle auch ohne die Auflage die Genehmigungsvoraussetzungen, insbesondere stehe sie auch ohne diese im Einklang mit dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Danach sei es verboten, wildlebende Tiere besonders geschützter Arten – zu denen auch der Kranich gehöre – zu töten. Der Tatbestand dieses artenschutzrechtlichen Tötungsverbotes sei mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere erst dann erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöhe. Dies sei hier nicht der Fall.
Kollisionsrisiko für ziehende Kraniche nicht signifikant erhöht
Die Windenergieanlage der Klägerin erhöhe das Kollisionsrisiko für ziehende Kraniche nicht in signifikanter Weise, entschied das OVG. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft unterlägen ziehende Kraniche schon bei einer Gesamtbetrachtung aller Windenergieanlagen im Zugkorridor nur einer sehr geringen Gefahr der Kollision und damit der Tötung an Windenergieanlagen. Trotz einer hohen Zahl regelmäßig ziehender Kraniche und mehreren tausend Windenergieanlagen ohne Kranichabschaltauflagen im Zugkorridor sei die Zahl dokumentierter Schlagopfer sehr gering. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass hier in der Nähe der streitigen Windenergieanlage seit Jahren zahlreiche Windenergieanlagen ohne Kranichabschaltauflagen betrieben würden, an denen kein einziges Schlagopfer bekannt geworden sei.
Auflagenlose Genehmigung anderer Anlagen bedingt Gleichheitsverstoß
Diese praktischen Erfahrungen schlössen in einer Zusammenschau mit dem obigen Befund eines schon allgemein sehr geringen Schlagrisikos für einzelne ziehende Kraniche an Windenergieanlagen die Annahme einer signifikanten Gefahrerhöhung durch die hier streitige Windenergieanlage aus. Jedenfalls aber verletze die Kranichabschaltauflage die Klägerin in ihrem grundrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung. Der Beklagte habe in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Windenergieanlage bis in jüngere Vergangenheit zahlreiche weitere Windenergieanlagen ohne Kranichabschaltauflagen genehmigt, ohne dass für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund bestehe.
Anmerkung aus kommunaler Sicht
Die Zulassung und Betreibung von Windenergieanlagen kollidiert immer wieder mit dem Artenschutz. Insbesondere Naturschutzverbände gehen umfassend gegen den Bau und die Erweiterung von Windkraftanlagen auch gerichtlich mit dem Argument vor, eine Zulassung würde gegen den Artenschutz verstoßen. Das OVG Koblenz hat jetzt entschieden, dass der Tatbestand des artenschutzrechtlichen Tötungsverbotes nach dem BNatSchG mit Blick auf die bei einem Bauvorhaben nie völlig auszuschließende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere im Hinblick auf den Kranichzug erst dann erfüllt sei, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart signifikanten Weise erhöhe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Az.: 20.1.4.1-005/001 gr