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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 327/2020 vom 09.04.2020
OVG Lüneburg zur Zwangsdurchleitung
Das OVG Lüneburg hat sich in einem Beschluss vom 18.03.2020 (Az.: 13 LA 40/19) mit der Frage der wasserbehördlichen Anordnung eines Zwangsdurchleitungsrechtes (§ 93 WHG) und der wasserrechtlichen Anordnung einer Mitbenutzung von bestehenden Abwasserleitungen auf fremden Grundstücken bezogen auf ein Hinterlieger-Grundstück auseinandergesetzt. Der Kläger (Eigentümer eines Vorderlieger-Grundstücks) wehrte sich gegen eine wasserrechtliche Anordnung eines Zwangsdurchleitungsrechtes durch die zuständige Wasserbehörde über sein Grundstück (Trassenalternative 1), weil alternativ – ohne Inanspruchnahme seines Grundstücks – über ein anderes fremdes Grundstück durch die Mitbenutzung der dort bereits vorhandenen Schmutzwasserleitung für dieses Grundstück ein Anschluss an die öffentliche Abwasserkanalisation hergestellt werden könne (Trassenalterative 2). Das OVG Lüneburg folgt diesem Klagebegehren nicht.
Gemäß § 93 Satz 1 WHG darf die Duldungsanordnung durch die zuständige Wasserbehörde nur dann erlassen werden, wenn das Vorhaben anders nicht ebenso zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehraufwand durchgeführt werden kann (§ 93 Satz 2 WHG i. V. m. § 92 Satz 2 WHG). Die Befugnis der Behörde, den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten eines Grundstücks zur Duldung einer Durchleitung über sein Grundstück zu verpflichten, ist – so das OVG Lüneburg – hiernach bereits dann eröffnet, wenn eine der beiden Voraussetzungen (anders nicht ebenso zweckmäßig oder alternativ: nur mit erheblichen Mehraufwand) uneingeschränkt und anhand objektiver Maßstäbe überprüfbar erfüllt erfüllt ist. Danach war die Trassenalternative 2 über ein anderes Grundstück als das klägerische Grundstück auf der Grundlage eines Praktikabilitätsmaßstabes nicht vorzugswürdig. Die Trassenalternative 2 hätte einen erhöhten Aufwand (größere Leitungslänge 46 m statt 39 m) zur Folge gehabt. Die vorhandene Schmutzwasserleitung auf dem anderen fremden Grundstück hätte baulich verändert und u. a. eine Hecke teilweise beseitigt werden müssen. Außerdem war die Erreichbarkeit des Hinterlieger-Grundstücks bereits über das klägerische Grundstück über ein Notwegerecht gesichert und die Trinkwasserleitung des Hinterlieger-Grundstücks verlief bereits über das klägerische Grundstück, so dass es nicht angezeigt war die Erschließungssituation durch Belastung eines weiteren fremden Grundstücks noch weiter zu verkomplizieren.
Schlussendlich kommt die wasserbehördliche Anordnung einer Mitbenutzung einer vorhandenen Schmutzwasserleitung auf einem fremden Grundstück gemäß § 94 WHG – so das OVG Lüneburg – nur dann in Betracht, wenn eine anderweitig zweckmäßige Möglichkeit gar nicht besteht. Dieses sei hier nicht der Fall, weil eine Durchleitung über das klägerische Grundstück möglich sei und zwar über eine Fläche auf dem klägerischen Grundstück, welche ohnehin nur als Zufahrt dient und die nach Fertigstellung der Schmutzwasserleitung für das Hinterlieger-Grundstück und der Wiederherstellung der gepflasterten Zufahrt keinerlei Nutzungseinschränkungen erfährt.
Die Anordnung der Zwangsdurchleitung war - so das OVG Lüneburg - im Übrigen auch deshalb möglich gewesen, weil die Eigentümer des Hinterlieger-Grundstücks dem Kläger wiederholt eine finanzielle Gegenleistung für die Gewährung des Durchleitungsrechtes angeboten hätten. Deshalb sei auch die ungeschriebene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für eine Zwangsdurchleitung gemäß § 93 WHG erfüllt, dass es dem Begünstigten oder der zuständigen Behörde trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sein muss, sich mit dem betroffenen Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten zu angemessenen Bedingungen über ein Durchleitungsrecht privatrechtlich zu einigen.
Az.: 24.1.1 qu