Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 817/2013 vom 21.11.2013
OVG Münster zur Planung von Konzentrationszonen für Windkraftanlagen
Das OVG Münster hat mit Urteil vom 01.07.2013 (Az. 2 D 46/12) die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Planung von Windkonzentrationszonen konkretisiert. Windkraftanlagen sind gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig. Die Gemeinden können die Errichtung von Windkraftanlagen allerdings mit dem Planvorbehalt des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB steuern, in dem sie hierfür Konzentrationszonen ausweisen. Für die Wirksamkeit einer solchen Planung hatte das Bundesverwaltungsgericht zuletzt mit Urteil vom 11.04.2013 (Az. 4 CN 2/12) die Anforderungen präzisiert. Danach muss die Gemeinde bei der Windkonzentrationsplanung zwischen harten (strikt zu beachtenden) und weichen (der Abwägung zugänglichen) Kriterien unterscheiden und dies in der Begründung im Einzelnen nachvollziehbar dokumentieren.
Mit dem Urteil des OVG Münster werden diese Vorgaben nunmehr konkretisiert und dabei deutlich erhöht. Dies gilt insbesondere für die Annahme harter Tabuzonen, bei deren Festlegung nach der Urteilsbegründung grundsätzlich Zurückhaltung geboten sei. So können nach dem OVG Münster insbesondere die Suchkriterien „Siedlungsraum“, „Natur- und Landschaft“ und „Artenschutz“ in der konkreten Planungssituation nicht durchgängig zur Annahme harter Tabuzonen führen. Dasselbe gilt auch für eine im konkreten Verfahren von der beklagten Gemeinde angenommene Mindestgröße von 30 ha für mindestens drei Anlagen.
Die Festlegung von harten Tabuzonen sei nur dann gerechtfertigt, wenn das angenommene tatsächliche oder rechtliche Hindernis für die Realisierung der Planung nicht noch absehbar auf einer nachfolgenden Zulassungsebene überwunden werden könne, es also zwangsläufig und auf Dauer eintreten werde. Da diese Rechtsfolge tendenziell selten sei, könnten zu den harten Tabuzonen eines Gemeindegebietes regelmäßig nur Flächen mit offensichtlich zu geringer Windhäufigkeit, besiedelte Splittersiedlungen im Außenbereich, zusammenhängende Waldflächen, Verkehrswege und andere Infrastrukturanlagen, strikte militärische Schutzbereiche, Naturschutzgebiete (§ 23 BNatSchG), Nationalparks und nationale Naturmonumente (§ 24 BNatSchG), Biosphärenreservate (§ 25 BNatSchG) und gesetzlich geschützte Biotope (§ 32 BNatSchG) zählen. Darüber hinaus könnten u. U. je nach Planungssituation sowohl Landschaftsschutzgebiete (§ 26 BNatSchG) sowie Natura-2000-Gebiete (§ 31 ff. BNatSchG; FFH-Gebiete) als harte Tabuzonen behandelt werden.
Schließlich befasst sich das OVG Münster mit der Frage, wann eine Konzentrationsplanung der Windenergie substanziell Raum in einem Gemeindegebiet gibt. Der im konkreten Fall von der Gemeinde vorgenommene Vergleich der von ihr ermittelten Potenzialflächen mit der Größe der letztlich dargestellten Konzentrationszonen ist jedenfalls nach dem Urteil als alleiniges Kriterium abwägungsfehlerhaft. Zwar räumt das OVG Münster ein, dass es zur Verschaffung von Raum für Windenergie in substanzieller Weise kein allgemein verbindliches Modell gebe, da dies von den Umständen des Einzelfalls und den örtlichen Gegebenheiten, die in eine Gesamtbetrachtung einbezogen werden müssten, abhänge. Gleichwohl nennt es verschiedene Herangehensweisen, die hierfür in Betracht kommen, wie die Betrachtung der Zahl und der Größe der Fläche, der Anzahl und der Energiemenge der Windkraftanlagen. Größenangaben als isoliertes Kriterium seien jedoch ungeeignet.
Das OVG Münster hat mit dem Urteil einen „neuen Katalog für harte Tabukriterien“ kreiert, der den Beurteilungsspielraum der kommunalen Planungsträger erheblich einschränkt. Den planenden Kommunen obliegt zukünftig bei der Festlegung von harten Tabukriterien eine Darlegungslast. Zwangsläufig wird damit der Ermittlung von weichen Kriterien, die der Abwägung zugänglich sind, eine größere Bedeutung zukommen. Auch die Erhöhung der Anforderungen an die abschließende Abwägung, ob der Windenergie im Gemeindegebiet substantiell Raum verschafft worden ist, erschwert das kommunale Planungsverfahren.
Die Chancen, durch eine Konzentrationszonenplanung die Akzeptanz für Windenergieanlagen in der Bevölkerung zu erhöhen, sind durch das Urteil leider minimiert worden. Da die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen war und die beklagte Gemeinde keine Nicht-Zulassungsbeschwerde eingelegt hat, ist das Urteil mittlerweile rechtskräftig. Daher sollten sich die Kommunen bei der weiteren Ausweisung von Konzentrationszonen für Windenergie an den Vorgaben des Urteils orientieren.
Hinsichtlich des „Suchkriteriums Artenschutz“ bietet der mit Erlass vom 12.11.2013 vom MKULNV aktuell herausgegebene Leitfaden „Windenergie und Artenschutz“ (Leitfaden zur Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen) Hilfestellung für die rechtssichere Umsetzung der Artenschutzprüfung und der FFH-Verträglichkeitsprüfung (s.a. Mitteilung vom 21.11.2013).
Darüber hinaus aktualisiert das MKULNV zur Zeit den Windenergie-Erlass vom 11.07.2011 (Erlass für die Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen und Hinweisen für die Zielsetzung und Anwendung). Dazu werden auch die jüngsten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG Münster zur Windenergieplanung ausgewertet und deren materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Anforderungen an die Planungs- und Genehmigungspraxis in den Erlass aufgenommen. Sobald der Erlassentwurf innerhalb der Landesregierung abgestimmt ist, werden die kommunalen Spitzenverbände angehört. Mit seinem Inkrafttreten ist Anfang 2014 zu rechnen.
Az.: II gr-ko