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Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 606/2003 vom 25.07.2003
OVG Münster zur undifferenzierten Straßenreinigungsgebühr
Das OVG NRW hat mit Urteil v. 27.5.2003 - 9 A 4716/00 - einen Festsetzungsbescheid der Stadt Münster über Straßenreinigungsgebühren wegen mangelnder Vorteilsgerechtigkeit aufgehoben.
Die Straßenreinigungsgebührensatzung sah eine einheitliche Gebühr für Sommerreinigung und Winterdienst vor, die eine Differenzierung lediglich nach dem Frontmetermaßstab und der Reinigungshäufigkeit vornahm. Allerdings teilen die Winterdienstpläne der Stadt die Straßen im wesentlichen in zwei Prioritäten in Anlehnung an ihre verkehrliche Bedeutung ein. Unter die Priorität I (Gesamtlänge ca. 395 km) fallen alle Hauptverkehrsstraßen und alle Straßen mit Bus- und Schulbusverkehr, unter die Priorität II (Gesamtlänge ca. 600 km) alle anderen Wohn- und Wohnsammelstraßen. Die Straßen der Priorität II werden abgearbeitet, sobald die Straßen der Priorität I (in der Reihenfolge Brückenpläne, Rauhreifpläne, Fahrbahnpläne, Radwegpläne und Fußgängerbrückenpläne) entsprechend behandelt worden sind und soweit dann noch Bedarf besteht.
Das OVG ist der Ansicht, daß für diesen Fall eine differenziertere Gebührenstruktur hinsichtlich des Winterdienstes erforderlich ist. Zwar werde im Gebührentarif durch das Anknüpfen an die regelmäßige Reinigungshäufigkeit, die im wesentlichen bedingt sei durch die verkehrliche Inanspruchnahme der jeweiligen Straße, grundsätzlich eine dem jeweiligen Maß der Inanspruchnahme der Straßenreinigung entsprechende, differenzierte Gebührenerhebung gewährleistet. Dies gelte im vorliegenden Fall jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt der Winterwartung. Werde die Winterwartung der Straßen nach bestimmten Prioritäten in Anlehnung an ihre jeweilige verkehrliche Bedeutung durchgeführt mit der Folge, daß schon aus Kapazitätsgründen eine Vielzahl von Straßen geringerer Priorität regelmäßig nicht oder nur bei extremen Witterungslagen wintergewartet werde, sei insofern der erforderliche Zusammenhang mit dem Maß der Inanspruchnahme nicht mehr gegeben.
Aus Sicht der Geschäftsstelle kommt das Urteil in dem konkreten Fall zu einem korrekten Ergebnis. Die Entscheidung kommt auch nicht überraschend, da das OVG NRW bereits in diesem Sinne entschieden hat (zuletzt OVG NRW, NVwZ-RR 1998, S. 136). Nach einer ersten Analyse des aktuellen Urteils kommt die Geschäftsstelle zu folgender Einschätzung:
Die Regelungen der Mustersatzung des StGB NRW (§ 5 Abs. 4 und Abs. 5) sind auch im Lichte der neuen Rechtsprechung haltbar. Sie erfassen allerdings nicht den hier zur Überprüfung stehenden Fall. Ausgehend von der Gesetzesgrundlage, wonach eine einheitliche Straßenreinigungsgebühr zulässig ist, sieht § 5 Abs. 4 der Mustersatzung eine Gebührenerhebung auf der Grundlage einer einmaligen wöchentlichen Reinigung sowie unter Zugrundelegung des Frontmetermaßstabs vor. Allerdings wird bereits in der Mustersatzung (im Gegensatz zur Satzung der Stadt Münster) eine weitere Differenzierung in § 5 Abs. 5 vorgenommen, nämlich für den Fall, daß nur die Winterwartung von der Gemeinde ausgeführt wird.
Im Hinblick auf die Sommerreinigung hat das OVG Münster die Korrespondenz zwischen Reinigungshäufigkeit und verkehrlicher Inanspruchnahme der jeweiligen Straße - wie oben zitiert - ausdrücklich anerkannt. Diese Differenzierung reicht nach Auffassung der Geschäftstelle auch im Bereich des Winterdienstes aus, vorausgesetzt, daß der Winterdienst nur die Leistungen umfaßt, die nach den Gesichtspunkten der Verkehrssicherungspflicht als Pflichtenumfang des kommunalen Winterdienstes nach der BGH-Rechtsprechung (Verkehrswichtigkeit und Gefährlichkeit) anerkannt sind. Innerhalb dieses Leistungsumfangs (Kategorie I der Satzung der Stadt Münster) korrespondiert die verkehrliche Inanspruchnahme der jeweiligen Straße nach Auffassung der Geschäftsstelle ohne weiteres mit der regelmäßigen Reinigungshäufigkeit, so daß mit einer etwaigen mehrmaligen wöchentlichen (Sommer-)Reinigung die zeitlich vorrangige Winterdienstwartung in einer Straße einhergeht. Die zeitliche Abfolge innerhalb dieser Winterdienstkategorie, die sich aus der organisatorischen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommune ergibt, muß sodann - auch im Lichte der aktuellen Rechtsprechung - nicht weiter ausdifferenziert werden. Das OVG verlangt lediglich eine Differenzierung zwischen Straßen der Priorität I und solchen der Priorität II und läßt das Argument nicht zu, eine höhere Gebührenbelastung hinsichtlich der Straßen der Priorität I sei bereits über die Reinigungshäufigkeit gegeben. Die meisten Straßen der Priorität I wurden nämlich mit der Reinigungshäufigkeit "einmal wöchentlich" belegt.
Eine Differenzierung der Winterdienstgebühren erscheint demgegenüber in den Fällen zwingend, wenn - wie vorliegend - eine weitere Kategorie (II) von Straßen eingeführt wird, in denen der Einsatzleiter von Fall zu Fall entscheidet, ob Winterdienst geleistet wird oder nicht. Es handelt sich dabei offensichtlich um Straßen, in denen mangels Verkehrsbedeutung gar keine Winterdienst- bzw. Verkehrssicherungspflicht besteht (Wohn- und Wohnsammelstraßen). Das OVG bestätigt mit dem aktuellen Urteil die Auffassung der Geschäftsstelle, wonach auch in solchen Straßen gebührenfähig Winterdienst geleistet werden kann, und widerlegt damit die gelegentlich in der Literatur vertretene Rechtsauffassung, wonach nur Kosten, die in die Kategorie I fallen, umlagefähig sind. Es trifft zudem die Aussage, daß reine Vorsorgeleistungen bereits eine die Gebühr begründende Gegenleistung in einer konkreten Erschließungsanlage sein können, auch wenn es - wie im vorliegenden Fall - lediglich zweimal in vier Jahren zu einer Winterwartung kommt. Legt man diesen Extremfall zugrunde, so ist aus Sicht der Geschäftsstelle ohne weiteres nachvollziehbar, daß der Anlieger einer solchen Straße nicht zu Gebühren in der gleichen Höhe herangezogen werden kann wie der Anlieger in einer Straße, in der ein kontinuierlicher Winterdienst geleistet wird.
Nach Einschätzung der Geschäftsstelle gibt es auch im Mitgliedsbereich des StGB NRW eine beachtliche Anzahl von Städten und Gemeinden, die eine Differenzierung ihrer Winterdienstorganisation vergleichbar der Stadt Münster vornehmen. Es wird daher erwogen, in Abstimmung mit kommunalen Praktikern Vorschläge für eine differenzierte Gebührenerhebung zu erarbeiten. Ein interessanter Ansatz scheint dabei die Unterteilung in Grundgebühren für die Fix-, Vorsorge- und Vorhaltekosten sowie Zusatzgebühren für die konkrete Leistung vorzunehmen, wie es in einzelnen Mitgliedsstädten bereits praktiziert wird und kürzlich durch die Rechtsprechung zugelassen wurde.
Az.: III/1 642 - 33/5