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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 495/2023 vom 26.07.2023
OVG Niedersachsen zum Kostenersatz bei Wurzeleinwuchs
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Niedersachsen (OVG Niedersachsen) hat mit Beschluss vom 22.02.2023 (Az. 9 LB 23/21) zu einem Kostenersatzanspruch der Stadt bezogen auf die Reparatur eines privaten Abwasser-Grundstücksanschlusses entschieden.
Der reparierte Grundstücksanschluss war kein Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage, sondern eine satzungsrechtlich der Grundstückseigentümerin (Klägerin) zugeordnete, private Abwasserleitung. In diese private Abwasserleitung waren Baumwurzeln eingewachsen. Allerdings war die private Abwasserleitung bereits zeitlich vor dem Wurzeleinwuchs nicht mehr funktionstüchtig, weil diese bei der Verlegung von Leerrohren durch einen Dritten, der nicht im Auftrag der Stadt tätig war, beschädigt worden war.
Das OVG Niedersachsen stellt in seinem Beschluss vom 22.02.2023 fest, dass die Klägerin die Kosten für die Reparaturmaßnahme als Unterhaltungsmaßnahme in Höhe von 4.134,35 € an die Stadt zahlen muss, weil diese sich in der Abwasserbeseitigungssatzung in rechtlich zulässiger Weise unter anderem die Unterhaltung der privaten Grundstücksanschlüsse im öffentlichen Straßenraum maßnahmentechnisch vorbehalten hat und mit der Reparatur eine Privatfirma beauftragt hatte.
Im Kostenersatzrecht ist das Merkmal der „Unterhaltung“ - so das OVG Niedersachsen - nach dem Sinn und Zweck sowie in seiner systematischen Abgrenzung zur Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung als Auffangtatbestand weit zu fassen. Die Unterhaltung umfasst demnach – so das OVG Niedersachsen – alle Maßnahmen, die erforderlich sind, einen bestehenden Haus- oder Grundstücksanschluss ohne dessen Erneuerung, Veränderung oder Beseitigung weiter in einem gebrauchsfähigen Zustand zu erhalten. Es muss sich also um Erhaltungsmaßnahmen im Sinne einer vorsorgenden Instandhaltung oder Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit handeln, wie z. B. Reparaturen an beschädigten oder gestörten Leitungsstrecken. Eine Unterhaltungsmaßnahme liegt auch dann vor, wenn der Anschluss grundsätzlich noch gebrauchsfähig ist und die Maßnahme nur bestimmte Mängel an ihm beseitigt, nicht aber dann, wenn er durch einen völlig oder weitgehend neuen Anschluss ersetzt wird. Die Erneuerung eines Grundstücksanschlusses setzt hingegen voraus, dass eine abgenutzte Leitung vollständig oder zu einem nicht unerheblichen Teil verschleißbedingt durch einen neuen Anschluss gleicher Dimension und Qualität mit im Wesentlichen unveränderten Verlauf ersetzt wird. Die abwasserbeseitigungspflichtige Stadt kann somit auch für die Reparatur an einem Grundstücksanschuss (Anschlusskanal) einen Kostenersatzanspruch geltend machen. Dieses gilt insbesondere dann, wenn der Grundstücksanschluss (Anschlusskanal) an die öffentliche Abwasseranlage, keinen Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage darstellt.
Weiterhin führt das OVG Niedersachsen aus, die Grundstückseigentümerin sei verpflichtet, ihren Grundstücksanschluss wieder in einen funktionstüchtigen Zustand zu versetzen. Maßgeblich sei für den Kostenersatzanspruch der Stadt, ob der Schaden an dem privaten Grundstücksanschluss und die Schadensursache in den Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Grundstückseigentümerin falle.
Ein Kostenerstattungsanspruch ist insoweit – so das OVG Niedersachsen – regelmäßig dann ausgeschlossen, wenn der Grundstücksanschluss (Anschlusskanal) durch Wurzeln von Bäumen beschädigt oder zerstört wird, die im öffentlichen Straßenraum stehen und somit feststeht, dass die Stadt für die Ursache der Maßnahme verantwortlich. Dieses bedeutet zugleich auch, dass eine tatsächliche Unerweislichkeit der Ursache zu Lasten des Grundstückseigentümerin geht (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27.09.2022 – Az. 9 LA 134/20).
Dieses sei vorliegend der Fall. Zwar könne einem Kostenersatzanspruch der Stadt ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegenstehen, wenn der private Grundstücksanschluss durch Baumwurzeln beschädigt worden sei und diese Bäume im öffentlichen Straßenraum stünden. Der Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst aber nicht die Unterhaltung bzw. Erneuerung einer bereits zeitlich vor dem Wurzeleinwuchs durch einen Dritten beschädigten Grundstücksanschlussleitung. Denn ein (erstattungsfähiger) Unterhaltungsaufwand entsteht laut dem OVG Niedersachsen nicht erst dann, wenn es – wie hier durch den Wurzeleinwuchs – zu akuten Funktionsstörungen gekommen ist, sondern bereits dann, wenn der Grundstücksanschluss beschädigt ist und in absehbarer Zeit Störungen zu erwarten sind. Der eigentliche Unterhaltungsbedarf wurde damit bereits durch die Beschädigung des Grundstücksanschlusses durch einen Dritten ausgelöst und nicht durch den späteren Wurzeleinwuchs. Hinzu kam, dass die Stadt die Arbeiten bei dem Dritten nicht in Auftrag gegeben hatte, sondern dieser eigenständig tätig geworden ist.
In diesem Zusammenhang folgt das OVG Niedersachsen auch dem Vortrag der Klägerin nicht, die Stadt habe die Arbeiten des Dritten überwachen müssen, weil ein gesetzliches Schuldverhältnis aus den §§ 125 ff. des Telekommunikationsgesetzes (TKG) abgeleitet werden könne, denn dort sei – so das OVG Niedersachsen – jedenfalls keine Überwachungspflicht, sondern lediglich eine gegenseitige Rücksichtnahme- und Kooperationspflicht geregelt. Die beklagte Stadt sei auch nicht verantwortlich, weil sie Aushubarbeiten des Dritten vor dem Grundstück der Klägerin gestattet habe, denn die beklagte Stadt habe darauf hingewiesen, dass es eine (generelle) Überwachungspflicht der Stadt für Erdarbeiten anderer Unternehmen nicht gebe, zumal es eine Vielzahl von Tiefbauarbeiten an Strom-, Gas-, Wasser-, Abwasser-, Breitband- oder anderen Versorgungsleitungen sowie am Straßen- und Kanalsystem gebe, die bei ihr nicht anzeigepflichtig seien. Auch diesem Vortrag sei– so das OVG Niedersachsen - die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.
Wenn – so das OVG Niedersachsen – zudem die Schadensverursachung durch den Dritten nicht nachweisbar sei, gehe dieses letzten Endes zu Lasten der geschädigten Grundstückseigentümerin und es falle nicht in den Verantwortungsbereich der beklagten Gemeinde, für die Klägerin eventuelle Schadensersatzansprüche gegen Dritte durchzusetzen, bevor sie diese selbst auf Erstattung der Reparaturkosten in Anspruch nimmt. Vielmehr müsse die betroffene Grundstückseigentümerin die Erstattungsforderung selbst gegen den schädigenden Dritten geltend machen.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:
Auch in NRW besteht die Möglichkeit einen Kostenersatzanspruch gemäß § 10 KAG NRW geltend zu machen. Verantwortlich ist auch hier der Grundstückseigentümer, welcher die Pflicht hat, den privaten Grundstücksanschluss im öffentlichen Verkehrsraum – wenn dieser satzungsrechtlich kein Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage ist- fortgesetzt in einem ordnungsgemäßen und funktionstüchtigen Zustand zu erhalten. Dabei ist unerheblich, weshalb ein privater Grundstücksanschluss sanierungsbedürftig ist und ob der betroffene Grundstückseigentümer einen Schadensersatzanspruch gegen schädigende Dritte haben kann (so: OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2016 – 15 A 686/15 - ; VG Münster, Urteil vom 24.06.2020 – 3 K 4970/17 -). Denn in erster Linie ist der Grundstückseigentümer zum Kostenersatz gegenüber der Stadt verpflichtet, wenn diese – satzungsrechtlich geregelt – die Maßnahmen wie z. B die Reparatur einer beschädigten Grundstücksanschlussleitung im öffentlichen Verkehrsraum durchführt oder durch Dritte durchführen lässt.
Az.: 24.1.1 qu