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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 240/2003 vom 20.02.2003
OVG NRW zu Regenwasser und § 9 Gemeindeordnung
Das OVG NRW hat mit Urteil vom 28.01.2003 (Az.: 15 A 4751/01) entschieden, dass ein Anschluss- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser an die gemeindliche Abwasseranlage auf der Grundlage des § 9 Satz 1 GO nicht angeordnet werden kann. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das OVG NRW begründet seine neue Rechtsprechung (anders noch: OVG NRW, Urteil v. 05.07.1982 – Az.: 2 A 150/80) damit, dass in § 9 Satz 1 GO NRW
der Begriff Kanalisation im Zusammenhang stehe mit dem Obergriff „und ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen“. Die Beseitigung des Niederschlagswassers Regenwassers) diene aber – so das OVG NRW – jedenfalls in dem konkret zu entscheidenden Fall nicht der Volksgesundheit, weil eine Ableitung des Regenwassers von dem Grundstück der Klägerin im Trennkanalsystem (Schmutzwasserkanal, Regenwasserkanal) erfolge, so dass kein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet werde könne. Im übrigen regele das Landeswassergesetz NRW auch keine Abwasserüberlassungspflicht, auf deren Grundlage ein Anschluss- und Benutzungszwang begründet werden könne.
Die Geschäftsstelle des StGB NRW hat als sofortige Reaktion auf das Urteil des OVG NRW vom 28.01.2003 (Az: 15 A 4751/01) im Verfahren zum Erlass eines Gesetzes zur finanziellen Entlastung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen (Landtags-Drs. 13/3177) den Landtag NRW gebeten, § 9 GO NRW nach Satz 1 um folgenden Satz 2 (neu) zu ergänzen:
„Satz 1 gilt auch für die Beseitigung von Niederschlagswasser i.S.d. § 51 Abs. 1 LWG NRW, soweit die Gemeinde abwasserbeseitigungspflichtig ist.“
Zur Begründung dieser Gesetzesänderung in § 9 GO NRW ist folgendes ausgeführt worden:
„Das OVG NRW hat mit Urteil vom 28.01.2003 (Az: 15 A 4751/01) entschieden, dass nach § 9 Satz 1 GO NRW kein Anschluß- und Benutzungszwang für Niederschlagswasser besteht, weil der Anschluss- und Benutzungszwang nach dem Gesetzeswortlaut nur aus Gründen der Volksgesundheit angeordnet werden kann. Der neue Satz 2 stellt klar, dass die Gemeinde bei bestehender Abwasserbeseitigungspflicht nach § 53 Abs. 1 LWG NRW auch für Niederschlagswasser den Anschluss- und Benutzungszwang anordnen kann, weil dieses im öffentlichen Bedürfnis nach § 9 Satz 1 steht. Dabei gehören zum öffentlichen Bedürfnis auch die wasserwirtschaftlichen Belange und eine verträgliche Entwicklung der Abwassergebühren durch einen hohen Anschlussgrad an die bestehende gemeindliche Abwasseranlage zur Regenwasserbeseitigung. Im einzelnen:
In der älteren Rechtsprechung des OVG NRW war bislang immer anerkannt, dass die öffentliche Abwasseranlage eine der Volksgesundheit dienende Einrichtung ist, für die Anschluss- und Benutzungszwang sowohl für Schmutzwasser als auch für Regenwasser angeordnet werden kann (vgl. OVG NRW, Urt. v. 05.07.1982 – Az.: 2 A 150/80; Rehn/Cronauge, Loseblatt-Kommentar, zur GO NRW, § 9 GO, S. 4).
Auch im Hinblick auf die Beseitigung von Regenwasser von privaten Grundstücken, dient die öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde der Volksgesundheit i.S.d. § 9 Satz 1 GO NRW und es besteht ein zwingendes öffentliches Bedürfnis zur Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sowohl Schmutzwasser als auch Regenwasser Abwasser i.S.d. § 51 Abs. 1 Landeswassergesetz NRW ist und über die Kanalisation im Sinne des § 9 Satz 1 GO NRW abzuleiten ist. Ein öffentliches Bedürfnis zur Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwanges ergibt sich insbesondere aus der wasserwirtschaftlichen Vorsorgestrategie. Diese dient in erster Linie dazu, eine Vielzahl von punktuellen Einleitungen von Niederschlagswasser von einzelnen Grundstückseigentümern in Flüsse und Bäche zu unterbinden, damit es durch die Vielzahl von beliebigen Niederschlagswasser-Einleitungen nicht zu Hochwasser- oder Überschwemmungsgefahren kommt. Dieses wird durch den Anschluss- und Benutzungszwang nach § 9 Satz 1 GO NRW sichergestellt. Ein Nichtbestehen eines Anschluss- und Benutzungszwanges für Niederschlagswasser würde folglich dazu führen, dass jeder Grundstückseigentümer nach freiem Belieben das auf seinem Grundstück anfallende Regenwasser den Flüssen und Bächen zuführen könnte.
In welchen Fällen private Grundstückseigentümer das auf ihrem Grundstück anfallende Niederschlagswasser selbst beseitigen können ist in § 51 a LWG NRW durch den Landesgesetzgeber abschließend geregelt worden. Ohne die vorgeschlagene gesetzliche Änderung würde § 51 a LWG NRW leerlaufen und eine Vielzahl von Abkoppelungen von Niederschlagswassereinleitungen in das Kanalisationsnetz die Folge sein. Dieses würde zu einem dramatischen Anstieg der Abwassergebühren, insbesondere der getrennten Regenwassergebühr, führen.“
Ergänzend weist die Geschäftsstelle noch auf folgendes hin:
Das Urteil des OVG NRW vom 28.01.2003 (Az.: 15 A 4751/01) ist noch nicht rechtskräftig und betrifft einen speziellen Einzelfall. Für diesen speziellen Einzelfall ist festgestellt worden, dass die klagende Grundstückseigentümerin hinsichtlich des Niederschlagswassers einem Anschluss- und Benutzungszwang nach der Entwässerungssatzung nicht unterliegt. Wegen dieser Einzelfall-Entscheidung kann nicht festgestellt werden, dass die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwanges für Regenwasser generell nicht möglich ist. Gleichwohl ist eine Gesetzesänderung im Sinne einer Klarstellung unverzichtbar, zumal die Regenwasserbeseitigung nicht in das freie Belieben des jeweiligen Grundstückseigentümers gestellt werden kann. Anderenfalls läuft die Regelung des § 51 a LWG NRW insbesondere im Hinblick darauf leer, dass das Wohl der Allgemeinheit durch eine ortsnahe Regenwasserbeseitigung auf den privaten Grundstücken nicht beeinträchtigt werden darf. Die Geschäftsstelle des StGB wird deshalb auch im Verfahren zur Änderung des Landeswassergesetzes NRW im Jahr 2003 einfordern, dass im Landeswassergesetz NRW eine Abwasserüberlassungspflicht geregelt wird, wobei unter Abwasser nach § 51 Abs. 1 LWG NRW sowohl Schmutzwasser als auch Regenwasser zu verstehen ist. In der Zwischenzeit kann nur die Empfehlung ausgesprochen werden, dass die Städte und Gemeinden die unteren Wasserbehörden darauf hinweisen, wasserrechtliche Einleitungserlaubnisse im Hinblick auf eine eigenständige Regenwasserbeseitigung in enger Abstimmung mit der jeweiligen Stadt/Gemeinde sorgfältig zu prüfen. In Anbetracht der wasserwirtschaftlichen Vorsorgestrategie insbesondere zur Vermeidung von Überschwemmungen entspricht es nicht dem Wohl der Allgemeinheit, das jedermann das auf seinem Grundstück anfallende Regenwasser nach freiem Belieben beseitigen kann.
Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass der einzige Auslöser des Urteils des OVG NRW vom 28.01.2003 die Einführung der getrennten Regenwassergebühr in der beklagten Stadt gewesen ist und die Klägerin nicht bereit war, die verursachergerechte Mehrbelastung durch die Einführung der getrennten Regenwassergebühr zu tragen. Ausgehend hiervon wird denjenigen Städten und Gemeinden, die noch keine getrennte Regenwassergebühr eingeführt haben, empfohlen, sorgfältig zu prüfen, ob die Einführung einer getrennten Regenwassergebühr zum jetzigen Zeitpunkt unabdingbar ist. Zumindest sollten die angestrebten Gesetzesänderungen abgewartet werden. Denn das Urteil des OVG NRW vom 28.01.2003 gewährleistet im Zweifelsfall keine verträgliche Gebührenentwicklung bei der getrennten Regenwassergebühr, zumal das Grundstück der Klägerin seit über 20 Jahren an den gemeindlichen Regenwasserkanal angeschlossen war.
Az.: II/2 24-30 qu/g