Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 695/2003 vom 13.08.2003

OVG NRW zu Schadensersatz im Kanalbenutzungsverhältnis

Das OVG NRW hat sich mit Urteil vom 14.01.2003 (Az.: 15 A 4115/01) erneut mit der Frage des Schadensersatzes im öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis auseinandergesetzt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Grundstückseigentümer hatte sein Grundstück an die Betreiberin einer Wäscherei vermietet. Die klagende Stadt stellte im Entwässerungskanal, an den das Grundstück angeschlossen ist, aber auch im Revisionsschacht des Hausanschlusses, eine Verunreinigung mit Perchlorethylen fest, einem in Wäschereien benutzten Reinigungsmittel. Die klagende Stadt nahm die Betreiberin der Wäscherei im Wege der Leistungsklage auf Ersatz des ihr durch die erfolgte Kanalreinigung entstandenen Schadens in Anspruch.

Das OVG NRW kommt in seinem Urteil vom 14.01.2003 (Az.: 15 A 4115/01) zu dem Ergebnis, dass der klagenden Stadt zwar ein Schadensersatzanspruch gegen die Wäschereibetreiberin als Mieterin zusteht. Ein solcher Anspruch ergibt sich nach dem OVG NRW aber nicht aus der Pflichtverletzung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses. Zwar sei anerkannt, dass bei einer Verletzung von Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis ein Schadensersatzanspruch unter entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über die positive Forderungsverletzung, für ab dem 01.01.2002 entstandene Schuldverhältnisse aus § 280 Abs. 1 BGB (vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 Abs. 1 EGBGB) in Betracht komme. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die in Anspruch genommene Person auch Teilnehmer des öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses, also Benutzer sei.

Nach dem OVG NRW erfordert der Sinn und Zweck eines Kanalbenutzungsverhältnisses aber nicht, dass alle diejenigen, die eine Hausentwässerungseinrichtung benutzen wie z.B. Mieter/Pächter, in das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis einbezogen werden bzw. einzubeziehen sind. Vielmehr erscheine eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Benutzern der gemeindlichen Abwasseranlage auf einem privaten Grundstück nicht sachgerecht, weil dann bei einer unzulässigen Benutzung der regelwidrige Benutzer ausfindig gemacht werden müsse, was angesichts des einheitlichen Einleitungsvorgangs nur schwer möglich sei.

Sei demnach nur der Grundstückseigentümer oder der sonst dinglich Berechtigte als Anschlussnehmer der Benutzer der öffentlichen Abwasseranlage, so sind nach dem OVG NRW gleichwohl Mieter oder Pächter, denen der Grundstückseigentümer die Nutzung seiner Hausentwässerungseinrichtungen erlaube und hierdurch mittelbar die Nutzung der öffentlichen Abwasseranlage ermögliche, im Verhältnis zur Stadt die Erfüllungsgehilfen des Grundstückseigentümers mit Blick auf dessen Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis. Der Grundstückseigentümer hafte demnach für Pflichtverletzungen seiner Mieter/Pächter in entsprechender Anwendung des § 278 BGB (sog. Erfüllungsgehilfen-Haftung). Damit liege eine schuldhafte und unzulässige Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage durch den Grundstückseigentümer immer dann vor, wenn durch seinen Anschluss an die öffentliche Abwasseranlage durch ihn selbst oder durch seine Mieter/Pächter schuldhaft unzulässige Stoffe eingeleitet würden.

Nach alle dem bestand nach dem OVG NRW zwar gegen die beklagte Wäschereibetreiberin als bloße Mieterin kein unmittelbarer Anspruch aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis. Das OVG NRW bejahte gleichwohl einen unmittelbaren Schadensersatz-Anspruch der klagenden Stadt gegen die Wäschereibetreiberin als Mieterin aus Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach dieser Vorschrift ist – so das OVG NRW - derjenige, welcher vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Schadensersatz verpflichtet. Diese Voraussetzungen lägen hier vor.

Das Eigentum der klagenden Stadt, nämlich die von ihr betriebene öffentliche Abwasseranlage (bestehend u.a. aus dem Kanalsystem und den Kläreinrichtungen) sei widerrechtlich dadurch verletzt worden, dass eine erhebliche Menge Perchlorethylen vom Anschluss des Hauses in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet worden sei. Durch diese Einleitung sei zwar die Substanz des Kanalsystems nicht beschädigt worden. Eine Substanzverletzung sei aber für die Verletzung des Eigentums i.S.d. § 823 BGB nicht erforderlich. Vielmehr reiche es aus, wenn der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Sache beeinträchtigt werde, hier der Gebrauch der öffentlichen Entwässerungsanlage. Dieses sei durch das eingeleitete Perchlorethylen geschehen. Perchlorethylen sei eine giftige, insbesondere stark wassergefährende Substanz, durch deren biozide Wirkung auf die Bakterienflora Störungen des Faulprozesses in Kläranlagen auftreten können, so dass das Eindringen in die Kanalisation zu vermeiden sei.

Dabei komme es nicht darauf an, dass die im Kanal vor dem Grundstück der Wäscherei gefundene Perchlorethylenmenge alleine nicht zur Funktionsunfähigkeit der Kläranlage geführt hätte. Wegen der vielen Einleiter erfordere gleichwohl jeder Einzelfall einer unzulässigen gefährlichen Einleitung deren Beseitigung, damit nicht durch viele unzulässige Einleitungen eine Funktionsunfähigkeit herbeigeführt werde. Außerdem werde die Wartungsmöglichkeit des Kanalsystems beeinträchtigt, weil für die Mitarbeiter im Falle einer Perchlorethylenverunreinigung Schutzmaßnahmen insbesondere zur Vermeidung des Einatmens dieses Stoffes zu treffen seien. Schließlich führe bei der gegebenen Wahrscheinlichkeit von Leckagen im Kanalsystem die Perchlorethylenverunreinigung dazu, dass auch die Gefahr eines Eintrags in das Grundwasser bestehe. Aus allen diesen Gründen konnte damit – so das OVG NRW - die Entwässerungsanlage der Klägerin nicht ohne Beseitigung der Verunreinigung weiterbetrieben werden, so dass der bestimmungsgemäße Gebrauch der Entwässerungsanlage beeinträchtigt und damit das Eigentum der Klägerin verletzt worden sei, voraus sich letztendlich der Schadensersatzanspruch für die Reinigungsmaßnahmen ergebe.

Az.: II/2 24-30 qu/g

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search