Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 444/1999 vom 05.07.1999
OVG NW zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW
In den Mitteilungen des NWStGB vom 20.06.1999 (Nr. 408, S. 198) hatte die Geschäftsstelle rein vorsorglich und vorläufig darüber berichtet, daß das Oberverwaltungsgericht in Münster (OVG NW) mit Urteil vom 15. Mai 1999 (Az.: 15 A 2880/96) seine Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW geändert hat. Zwischenzeitlich liegt die schriftliche Begründung zu dem Urteil vor. Auf der Grundlage dieser Urteilsbegründung läßt sich die neue Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes in Münster zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW nunmehr wie folgt zusammenfassen:
1. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW entsteht die Kanalanschlußbeitragspflicht, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung oder Anlage angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Dabei kann die Satzung auch einen späteren Zeitpunkt bestimmen.
Das OVG NW hält mit Blick auf diesen Gesetzestext nicht mehr an seiner Auffassung fest, daß die Kanalanschlußbeitragspflicht erst mit dem Inkrafttreten der ersten gültigen Satzung entsteht, also vorherige Beitragssatzungen, die an zur Unwirksamkeit führenden Mängeln leiden, für die Frage des Zeitpunkts des Entstehens der Beitragspflicht unerheblich sein sollen (S. 15f. des Entscheidungsabdrucks).
2. Mit dem Begriff des "Inkrafttretens" in § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW wird der zeitliche Beginn der Wirksamkeit eines Gesetzes ( bzw. einer Satzung als "Gemeindegesetz") verstanden. Dabei ist es nach dem OVG NW denkbar, den Begriff des "Inkrafttretens" einerseits so zu verstehen, daß nur wirksame Rechtsvorschriften in Kraft treten können. Der Begriff des Inkrafttretens kann nach dem OVG NW aber auch als das schlichte Inkrafttreten einer Rechtsvorschrift verstanden werden. In diese Richtung versteht nach dem OVG NW auch § 93 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz den Begriff des Inkrafttretens, der auch ein Inkrafttreten nichtiger Gesetze (§ 95 Abs. 3 Satz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz) kennt. Das OVG NW weist aber ausdrücklich darauf hin, daß mit diesem Verständnis des Begriffs "Inkrafttreten" einer nichtigen Satzung keine Wirksamkeit in dem Sinne beigelegt wird, daß eine solche Satzung den Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist in Gang setzt. Die nichtige Beitragssatzung führt nicht zum Ingangsetzen der Festsetzungsverjährungsfrist, denn nur eine wirksame Beitragssatzung kann nach wie vor zur Entstehung der Beitragspflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG NW) und damit zum Beginn der Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NW i.V.m. § 170 Abs. 1 Abgabenordnung) führen. Das Inkrafttreten einer sich später als nichtig erweisenden Beitragssatzung, die die Beitragspflicht zum Entstehen hat bringen sollen, führt nach dem OVG NW allein dazu, daß die zur Entstehung notwendige wirksame Satzung gem. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW in diesem Zeitpunkt - ggf. durch Rückwirkung - wirksam sein muß.
3. Die Geschäftsstelle sieht durch die Änderung der Rechtsprechung des OVG NW zur Zeit folgende praktische Konsequenz:
Das OVG NW geht nach wie vor davon aus, daß eine Kanalanschlußbeitragspflicht nur durch eine wirksame Kanalanschlußbeitragssatzung und bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen entstehen kann. Ist also eine Kanalanschlußbeitragssatzung unwirksam, so entsteht die Kanalanschlußbeitragspflicht nicht und ein erlassener Kanalanschlußbeitragsbescheid ist rechtswidrig. In der Folge hierzu muß die Gemeinde eine neue (wirksame) Kanalanschlußbeitragssatzung erlassen. Dabei muß der neuen Satzung eine Rückwirkung zu einem bestimmten Zeitpunkt (in der Vergangenheit) beigemessen werden, um die Kanalanschlußbeitragspflicht neben den im übrigen vorliegenden Voraussetzungen für "Altfälle" zum Entstehen zu bringen. Wird eine solche wirksame Beitragssatzung mit der erforderlichen Rückwirkung für den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW erlassen, so wird nach dem OVG NW jetzt aber geprüft, ob auf der Grundlage der neuen wirksamen Beitragssatzung ein Kanalanschlußbeitrag noch erhoben werden kann, oder ob nicht bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Dabei beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist gem. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NW i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NW i.V.m. § 170 Abs. 1 Abgabenordnung mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragspflicht entstanden ist.
Die neue Rechtsprechung des OVG NW führt deshalb dazu, daß Kanalanschlußbeiträge durch die rückwirkende Inkraftsetzung einer wirksamen Beitragssatzung zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit (für "Altfälle") nur dann noch erhoben werden können, wenn Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten ist. Diese Folge ist das Ergebnis der Rechtsprechungsänderung des OVG NW, weil nach der alten Rechtsprechung die Frage der Festsetzungsverjährung keine Rolle spielte, denn erst mit der ersten wirksamen Kanalanschlußbeitragssatzung entstand die Beitragspflicht und deshalb konnte auch erst mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Kanalanschlußbeitragssatzung die vierjährige Festsetzungsfrist für die Verjährung zu laufen beginnen.
Az.: II/2 24-22