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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 156/2012 vom 15.02.2012
OVG Rheinland-Pfalz zu Einzelläden und Einkaufszentrum
Das OVG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 03.11.2011 (Az.: 1 A 10270/11) folgende Feststellungen getroffen:
- Ein Einkaufszentrum kann auch durch ein sukzessives Zusammenwachsen mehrerer Einzelbetriebe entstehen.
- Bei Einkaufszentren wird ein qualifizierter Abstimmungsbedarf gemäß § 2 Abs. 2 BauGB unwiderleglich vermutet.
- EU-Recht steht der Annahme eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 3 BauNVO und § 2 Abs. 2 BauGB nicht entgegen.
Sachverhalt
Die Stadt Bad Ems klagt gegen die Genehmigung eines Textilmarkts (Verkaufsfläche 532 qm) und eines Schuhmarkts (592 qm) in der benachbarten Gemeinde Nievern. Mit diesen beiden Läden soll laut Bauantrag das "Lahntal-Center" auf insgesamt 3.360 qm Verkaufsfläche erweitert werden. Vorhanden sind bereits ein Verbrauchermarkt (Netto), ein Bettenfachmarkt (Dänisches Bettenlager), ein Sonderpostenmarkt (Tedi) sowie ein Drogeriemarkt (Schlecker). Der Rhein-Lahn-Kreis hat die Genehmigungen auf der Grundlage eines Bebauungsplans erteilt, der dieses Gebiet als Gewerbegebiet festsetzt. Die Betriebe sind auf einem inselartigen Areal räumlich konzentriert: Die Läden sind aneinander angebaut, haben jedoch getrennte Eingänge und keinen gemeinsamen Verbindungsgang. Allerdings gibt es nur eine gemeinsame Zufahrt und einen verbindenden Parkplatz.
Entscheidung
Die Klage der Nachbargemeinde hat Erfolg - die erteilten Genehmigungen sind rechtswidrig. Nach Ansicht des Gerichts ist ein Einkaufszentrum anzunehmen, wenn Betriebe verschiedener Art und Größe räumlich konzentriert werden und die einzelnen Betriebe aus der Sicht der Kunden als aufeinander bezogen, als durch ein räumliches Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden in Erscheinung treten. Diese Merkmale erfüllt das geplante Projekt. Folglich sind weitere Läden unzulässig, weil ein Einkaufszentrum in einem Gewerbegebiet nicht genehmigungsfähig ist. Die Nachbargemeinde wird auch in eigenen Rechten verletzt: Aus § 11 Abs. 3 BauNVO folgt, dass für Einkaufszentren ein qualifizierter Abstimmungsbedarf gemäß § 2 Abs. 2 BauGB unwiderleglich vermutet wird. Eine solche Abstimmung ist gerade nicht erfolgt. Abschließend stellt das Gericht klar, dass EU-Recht der Annahme eines Verstoßes gegen § 11 Abs. 3 BauNVO und § 2 Abs. 2 BauGB nicht entgegensteht.
Praxishinweis
Der Begriff des Einkaufszentrums stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Im Gegensatz zu großflächigen Einzelhandelsbetrieben hängt die Sondergebietspflicht nicht von der Feststellung negativer Auswirkungen im Einzelfall ab. Ein Einkaufszentrum kann deshalb nur dann vorliegen, wenn sich aus dem Typus der jeweiligen Anlage bereits nachteilige städtebauliche Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO ergeben. In einem Einkaufszentrum werden - neben den klassischen Einzelhandelsläden - in der Regel Dienstleistungsbetriebe angesiedelt, die in einer Beziehung zum Einkaufen stehen.
Ein Einkaufszentrum kann grundsätzlich auch durch ein sukzessives Zusammenwachsen mehrerer Einzelbetriebe entstehen. Falls eine einheitliche Planung fehlt, so ist außer der räumlichen Konzentration ein Mindestmaß an äußerlich in Erscheinung tretender gemeinsamer Organisation und Kooperation erforderlich. Diese Gemeinsamkeiten können beispielsweise in gemeinsamer Werbung und einer - wie hier - verbindenden Sammelbezeichnung bestehen (Quelle: IBR 2012, 47).
Az.: II gr-ko