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StGB NRW-Mitteilung 401/2005 vom 28.04.2005
Plenartagung des Ausschusses der Regionen
Am 13./14. April 2005 fand in Brüssel die 59. Plenartagung des Ausschusses der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der Europäischen Union (Ausschuss der Regionen, AdR) statt.
Politische Schwerpunkte dieses Plenums der Vertretung der Kommunen und Regionen in der EU bildeten die Politikbereiche EU-Verfassungsprozess und Struktur- und Regionalpolitik in der Europäischen Union nach dem Jahr 2006.
Der Präsident des Ausschusses der Regionen, Peter Straub, appellierte an die Mandatsträger in Europa, sich stärker für die Information der Öffentlichkeit über die Verfassung der Europäischen Union einzusetzen. "Wir alle müssen an die Öffentlichkeit gehen und erklären, weshalb der Verfassungsvertrag im Interesse aller EU-Bürger liegt" erklärte Straub.
Derzeitiger Stand der EU-Verfassung
In Deutschland wird der Deutsche Bundestag am 12. Mai über die EU-Verfassung abstimmen (vgl. dazu auch DStGB Aktuell 0505-24). Dabei ist mit einer großen Zustimmung zu rechnen, wie auch in der Länderkammer, dem Bundesrat, dessen Beschluss für Juni 2005 vorgesehen ist. Mit großer Spannung wird der Ausgang des EU-Verfassungs-referendums in Frankreich am 29. Mai 2005 erwartet. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sich den jüngsten Umfragen zufolge in Frankreich eine Mehrheit gegen die EU-Verfassung abzeichnet, was für den europäischen Verfassungsprozess insgesamt ein sehr großes Problem wäre. Der Vertrag über eine Verfassung für Europa wurde bislang in den EU-Mitgliedsstaaten Griechenland, Italien, Litauen, Slowenien, Spanien und Ungarn ratifiziert. Die EU-Verfassung kann erst dann in Kraft treten, wenn alle 25 Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert haben. Der Verfassungsvertrag sieht allerdings auch vor, dass sich der Europäische Rat mit dieser Frage befassen muss, wenn nach zwei Jahren seit Unterzeichnung des Vertrags (diese erfolgte am 29.10.2004) vier Fünftel der EU-Mitgliedsstaaten die Verfassung ratifiziert haben und in einem oder mehreren Mitgliedsstaaten bei der Ratifikation Schwierigkeiten aufgetreten sind. Eine aktuelle Übersicht der einzelnen Ratifizierungsverfahren ist im Internet verfügbar unter der Adresse europa.eu.int/constitution/referendum_de.htm .
EU-Kommissarin Hübner zur Regionalpolitik
Die für Regionalpolitik zuständige EU-Kommissarin Danuta Hübner aus Polen besuchte die Plenartagung des AdR und erläuterte die Kommissionsvorschläge zur zukünftigen Regionalpolitik, nicht zuletzt auch mit Blick auf den EU-Haushalt für den Zeitraum 2007-2013. Für die Regionalpolitik sind knapp über 336 Milliarden Euro vorgesehen. Der AdR und das Europäische Parlament unterstützen den Vorschlag der Kommission, ein Kohäsionsbudget auf der Grundlage von mindestens 0,41% des Bruttonationaleinkommens vorzusehen, was von der EU-Kommissarin Hübner erwartungsgemäß begrüßt wurde. Das für die künftigen Ziele der europäischen Kohäsionspolitik vorgesehene Ausgabenniveau sei die "unterste Grenze". Jede weitere Reduzierung werde die Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung schwächen, einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit für die europäischen Regionen bewirken und dazu führen, dass die Europäische Union weniger dynamisch, für ihre Bürger weniger sichtbar und auf weltweiter Ebene weniger effizient werde. Gegen die von der EU-Kommission angepeilte Mittelerhöhung für die EU-Strukturpolitik wenden sich allerdings eine Reihe der sog. Nettozahler in der EU, darunter vor allem auch Deutschland, und eine Kompromisslinie zur Auflösung dieses Konflikts ist in Brüssel noch nicht in Sicht.
Zukünftige EU-Strukturfonds Ausreichende Mittel, mehr Subsidiarität
Der AdR verabschiedete seine Stellungnahme zum EU-Verordnungs-entwurf über die "Allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds", und damit also über den geplanten Rahmen der zukünftigen EU-Strukturpolitik.
In der Sache zeigt sich der Ausschuss der Regionen "vorerst" zufrieden mit den Finanzvorschlägen der Europäischen Kommission, die für die Regionalpolitik ein Budget von 336,1 Milliarden Euro zur Finanzierung der drei Ziele Konvergenz (78%), regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (18%) und regionale Zusammenarbeit (4%) vorsieht. Diese Vorschläge der Kommission werden als ausreichend angesehen, "um die Regionen der 'alten' EU weiter zu fördern und gleichzeitig die neuen Mitgliedstaaten gleichberechtigt zu unterstützen". Der AdR fordert jedoch die Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, "sich angesichts der im Zuge der Erweiterung entstandenen neuen Anforderungen zu bemühen, für eine angemessene Aufstockung dieser Mittel zu sorgen".
Im Zusammenhang mit der Umsetzung der neuen Generation von Programmen ruft der AdR zur Achtung des Subsidiaritätsprinzips "auch innerhalb der Mitgliedstaaten und nicht nur zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union" auf. Der Ausschuss der Regionen ersucht die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten zum Abschluss dreiseitiger Vereinbarungen unter Einschluss der lokalen Gebietskörperschaften anzuregen. Es gehe dabei nicht nur um Dezentralisierung, sondern auch darum, den Akteuren auf allen Ebenen Kompetenzen zu übertragen. Die einzelstaatlichen strategischen Rahmenpläne dürfen überdies nicht alle Details vorschreiben, "damit den Regionen bei der Festlegung ihrer spezifischen Ziele und Maßnahmen ausreichend Spielraum gelassen wird".
Der AdR ist über die Festlegung der gemeinschaftlichen Kofinanzierungsrate im Verhältnis zur Höhe der Gesamtausgaben der öffentlichen Hand besorgt, da dies private Unternehmen davon abbringen könnte, sich an den Programmen zu beteiligen. Der Ausschuss schlägt daher vor, die Beteiligung der Fonds im Verhältnis zur Höhe der gesamten im Mitgliedstaat getätigten Ausgaben zu berechnen, "um somit zu öffentlich-privaten Partnerschaften anzuregen".
Die Mitglieder des Ausschusses der Regionen haben außerdem zwei spezifische Stellungnahmen zur EU-Strukturpolitik, nämlich Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und zum EU-Kohäsionsfonds.
Ausschuss der Regionen gespalten in der Arbeitszeitfrage
Auf der Tagesordnung der Plenartagung stand auch die Debatte über die Arbeitszeitgestaltung in der EU. Nach einer teils heftigen Debatte verabschiedeten die AdR-Mitglieder die Stellungnahme zu diesem Thema mit knapper Mehrheit: 44 Ja-Stimmen, 39 Gegenstimmen und 14 Enthaltungen.
Die Fraktionen des Ausschusses der Regionen hatten rund 20 Änderungsanträge eingebracht, von denen vor allem einer eine lebhafte Debatte auslöste. Zum Stein des Anstoßes wurde im Wesentlichen der individuelle Verzicht auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Seit 1993, als die erste europäische Richtlinie zu diesem Thema erlassen wurde, gilt in Europa eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden. Von dieser Regel kann aber im Wege des "Opting-out" abgewichen und in einem Unternehmen länger gearbeitet werden, wenn der Arbeitnehmer einverstanden ist. Die EU-Kommission schlägt vor, dass dieses "Opting-out" in Zukunft in Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern oder Tarifverträge eingebettet werden sollte und dass die wöchentliche Arbeitszeit in keinem Fall 65 Stunden überschreiten darf. Sie ist der Auffassung, dass die Arbeitnehmer in einigen Mitgliedstaaten, die von der Klausel Gebrauch machen, nicht wirklich die Wahl hätten. Nach dem Ergebnis der Abstimmung im AdR spricht sich dieser gegen die Beibehaltung dieser Opting-out-Regel aus. Hiernach soll die den Mitgliedstaaten derzeit gegebene Möglichkeit, "die Regelung bezüglich der durchschnittlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden bei den Arbeitnehmern auf freiwilliger und individueller Basis nicht anzuwenden", progressiv auslaufen, um mehr Unternehmergeist, Kreativität und eine aktive Bürgerschaft zu fördern und zugleich eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu ermöglichen.
Der Änderungsantrag wurde damit begründet, dass die Beibehaltung der Opt-out-Vereinbarung die Bemühungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten untergrabe, ihre Bürger zu einem aktiveren Engagement in der Gesellschaft zu ermutigen. Ferner werden die dramatisch niedrigen Geburtenraten angeführt, die zum Teil auf Schwierigkeiten mit der Vereinbarung von Berufs- und Familienleben zurückzuführen seien.
In der Frage der Definition von Arbeitszeit unterstützt der Ausschuss der Regionen den Vorschlag der EU-Kommission. Danach soll als Bereitschaftsdienst nur die Zeit als Arbeitszeit angesehen, "in der ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen muss, um auf Aufforderung des Arbeitgebers seine Tätigkeit ausüben oder seine Aufgaben wahrnehmen zu können". Die inaktive Zeit während des Bereitschaftsdienstes soll nicht als Arbeitszeit zählen, sofern nicht ein Mitgliedstaat anderweitig entscheidet oder diesbezüglich eine tarifvertragliche Vereinbarung getroffen wurde. Das sog. Jaeger-Urteil des EuGH hatte an dieser Stelle einen Reformbedarf ausgelöst (Urteil vom 09.09.2003, C-151/02, Stadt Kiel ./. Jaeger).
AdR-Kooperationsvereinbarung mit dem Kongress der Gemeinden und Regionen in Europa
Einer der weiteren politischen Höhepunkte der AdR-Plenartagung war die Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem AdR und dem Kongress der Gemeinden und Regionen in Europa (KGRE) des Europarats. Das Protokoll - die erste derartige Vereinbarung zwischen einer EU-Institution und einem Arbeitsorgan des Europarats - wurde von Präsident Straub und dem KGRE-Präsidenten Giovanni Di Stasi im Plenum gemeinsam unterzeichnet. KGRE-Präsident Di Stasi hob hervor, dass diese Vereinbarung es den beiden Gremien der Kommunen und Regionen in Europa der EU einerseits und des Europarates andererseits - ermögliche, gemeinsam an der Förderung der Dezentralisierung und der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu arbeiten. Die Kooperationsvereinbarung zwischen AdR und KGRE wird auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs des Europarats nächsten Monat beim Gipfel des Europarates in Warschau vorlegen werde.
Az.: I 05-03