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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 310/2012 vom 18.05.2012
Positionen des StGB NRW-Umwelt und Verbraucherschutzausschusses zur Landespolitik
Der Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz des StGB NRW hat in seiner Sitzung am 03.05.2012 einstimmig die nachfolgenden Forderungen an die neue Landesregierung beschlossen:
1. Klimaschutz und Klimaanpassung
Die Klimaschutzziele des Landes NRW können bis zum Jahr 2020 nur dann erreicht werden, wenn Städte und Gemeinden nachhaltig bei der Aufstellung von Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepten sowie ihrer zeitnahen Umsetzung durch das Land unterstützt und gefördert werden. Außerdem dürfen haushaltsrechtliche Beschränkungen die Aufstellung von Konzepten sowie die Durchführung rentierlicher Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr behindern.
Die Erfahrungspraxis zeigt, dass freiwillig aufgestellte Konzepte dabei mehr Qualität und Akzeptanz bieten. Im Hinblick auf das geplante Klimaschutzgesetz NRW muss vermieden werden, dass bereits bestehende Konzepte wieder an den künftigen Klimaschutzplan NRW angepasst werden müssen. Hierdurch würde wertvolle Zeit zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verloren gehen.
In einem neuen Klimaschutzgesetz muss klargestellt werden, dass die Belange des Klimaschutzes und der Klimaanpassung als besonders bedeutsame Kriterien neben anderen Belangen zu berücksichtigen sind und damit als Grundsätze der Raumordnung, die einer Abwägung unterliegen, festgelegt werden. Raumordnung und Landesplanung bilden im Gegensatz zur fachlich-sektoral ausgerichteten Fachplanung (z. B. für Verkehr, Wirtschaft, Verteidigung, Abfallentsorgung) eine übergeordnete, überörtliche und zusammenfassende räumliche Gesamtplanung, deren Sinn und Ziel es ist, die vielfältigen Raumnutzungsansprüche, die an den knappen und nicht beliebig vermehrbaren Raum gestellt werden, frühzeitig zu harmonisieren und zu koordinieren. Dieser Funktion würde die Festsetzung von Klimaschutzzielen als Ziele der Raumordnung widersprechen.
Ein Klimaschutzgesetz NRW kann nur grundsätzlich dafür Sorge tragen, dass die Gesichtspunkte des Klimaschutzes und der Klimaanpassung in einem planungsrechtlichen Rahmen als wichtiger Belang Eingang finden, ohne gegenüber anderen Belangen automatisch eine Vorrangstellung einzunehmen. Die angestrebte Festlegung als Ziele der Raumordnung muss abgelehnt werden, da sie eine Einschränkung der kommunalen Planungshoheit bedeuten würde.
2. Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in NRW
Es ist daran festzuhalten, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur nur im Einvernehmen mit den Städten und Gemeinden als Maßnahmenträger in die Umsetzungsfahrpläne Eingang finden. Die Landesregierung wird aufgefordert, auch weiterhin Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur (wie z. B. die Renaturierung von begradigten Gewässern) mit Landesmitteln nachhaltig zu fördern.
Zukünftig müssen aber auch Maßnahmen an Gewässern gefördert werden, die einen positiven Nebenreflex auf die kommunale Abwasserbeseitigung haben können, weil hierdurch die Anzahl der Maßnahmen und deren Umsetzung im Interesse der Verbesserung der Gewässergüte erhöht werden könnte. Der Nebenreflex auf die kommunale Abwasserbeseitigung darf kein K.O.-Kriterium mehr für die Versagung der Förderung mehr sein.
3. Abwasserbeseitigung
Die Abwasserbeseitigung gehört als pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit zu den Aufgaben der ortsnahen Grundversorgung der Städte und Gemeinden. Dabei muss es ihnen freigestellt bleiben, in welchen Organisationsformen (wie z.B. Regiebetrieb, eigenbetriebsähnliche Einrichtung, Anstalt des öffentlichen Rechts) die Aufgabe vor Ort wahrgenommen wird. Die Möglichkeit einer gewünschten interkommunalen Zusammenarbeit muss nachhaltig erleichtert werden.
Bei dem Thema Mikroschadstoffe (z. B. Arzneimittelrückstände im Ablaufstrom der Kläranlage) ist es in erster Linie erforderlich, an der Quelle dieser Stoffeinträge anzusetzen. Hierzu gehört unter anderem — wo dieses möglich ist - die Vorklärung von Abwasser vor der Einleitung in den öffentlichen Abwasserkanal, sowie eine Aufklärung der Anwender von Arzneimitteln über deren ordnungsgemäße Entsorgung. Verfallene oder nicht mehr benötigte Arzneimittel gehören nicht in den öffentlichen Abwasserkanal, sondern in die Restmülltonne. Das Memorandum der Arbeitsgemeinschaft der Wasserverbände in NRW (agw), des BWK-Landesverbandes NRW, des DWA-Landesverbandes NRW, des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes NRW für einen Schutz der Gewässer vor Spurenstoffen zeigt Wege und Möglichkeiten auf, die in die weitere Diskussion Eingang finden müssen.
Die 100%ige Herausnahme von nicht reinigungsbedürftigen Grund- bzw. Drainagewasser (sog. Fremdwasser) aus öffentlichen Mischwasser- und Schmutzwasserkanälen ist nicht finanzierbar und würde zu einem erheblichen Anstieg der Schmutzwassergebühren führen. Eine Herausnahme des Fremdwassers aus dem öffentlichen Kanalnetz kann deshalb nur in nachweisbar festgestellten Fremdwasserschwerpunktgebieten erfolgen. Die insoweit bestehende Landesförderung muss beibehalten werden.
Regenwasser, das aus öffentlichen Regenwasserkanälen direkt in Flüsse oder Bäche eingeleitet wird, ist nur dann vor der Einleitung zu reinigen, wenn dieses nachweisbar erforderlich ist. Kostengünstige und zugleich effektive Reinigungsmaßnahmen sind hier erforderlich, damit die Regenwassergebühr stabil gehalten werden kann. Überzogene Anforderungen durch das Land werden deshalb abgelehnt. Dieses gilt auch für Aussagen zur Niederschlagswasserbeseitigung in den Abwasserbeseitigungskonzepten der Städte und Gemeinden.
Der neue Landtag und die neue Landesregierung werden aufgerufen, die Zustandsüberprüfung von privaten Abwasserleitungen einer sachgerechten und sozialverträglichen Neuregelung zuzuführen. Eine gute Grundlage hierfür ist das Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände vom 13.01.2012, das insbesondere die Verlässlichkeit staatlichen Handelns einfordert, damit diejenigen Grundstückseigentümer nicht enttäuscht werden, die rechtskonform und auf eigene Kosten eine Zustandsüberprüfung seit dem 01.01.1996 bereits durchgeführt haben. Eine generelle Zuständigkeit der Städte und Gemeinden für eine Zustandsüberprüfung bei privaten Abwasserleitungen wird abgelehnt, weil diese neue abgabenrechtliche Problemstände erzeugt.
4. Abfallentsorgung
Im Themenbereich Abfallentsorgung wird das Land aufgefordert, den landeseinheitlichen Abfallwirtschaftsplan zügig zu überarbeiten, damit der ortsnahen Entsorgung von Abfällen auch im Interesse des Klimaschutzes Rechnung getragen werden kann. Darüber hinaus muss das Landesabfallgesetz zeitnah an das neue Abfallgesetz des Bundes angepasst werden, das als Kreislaufwirtschaftsgesetz am 01.06.2012 in Kraft treten wird. Mit Blick auf seine Umsetzung wird das Land aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass eine Wertstofftonne unter Regie der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf der Bundesebene eingeführt wird. Hierdurch würde sichergestellt, dass Wertstoffe aus privaten Haushaltungen unabhängig vom Verwertungspreis einer verlässlichen sowie hochwertigen Verwertung zugeführt werden. Hierfür bietet die gebührenfinanzierte kommunale Abfallentsorgung die beste Grundlage. Zugleich wird es als sinnvoll angesehen, in einem künftigen Wertstoffgesetz des Bundes die Entsorgung von gebrauchten Einwegverpackungen nach der Verpackungsverordnung wieder den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überantworten, weil das bestehende private Erfassungssystem mit mittlerweile 10 Systembetreibern einen zu hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand erfordert. Bei der flächendeckenden Bioabfallerfassung muss es in der Entscheidung der Städte und Gemeinden liegen, in welcher Art und Weise die getrennte Bioabfallerfassung erfolgt. Ebenso muss die Möglichkeit der Eigenkompostierung beachtet werden.
Im Hinblick auf das künftige Kreislaufwirtschaftsgesetz werden Landesregierung und Landtag aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass eine Wertstofftonne unter Regie der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf der Bundesebene eingeführt wird, damit sichergestellt ist, dass Wertstoffe aus privaten Haushaltungen unabhängig vom Verwertungspreis einer verlässlichen sowie hochwertigen Verwertung zugeführt werden. Hierfür bietet die gebührenfinanzierte kommunale Abfallentsorgung die beste Grundlage. Zugleich wird die Landesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass in einem künftigen Wertstoffgesetz des Bundes auch die Entsorgung von gebrauchten Einwegverpackungen nach der Verpackungsverordnung den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern wieder überantwortet wird, weil das bestehende Erfassungssystem einen zu hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand erfordert.
Bei der flächendeckenden Bioabfallerfassung ist die kommunale Organisationshoheit der Städte und Gemeinden bezogen auf das „Wie“ der Bioabfallerfassung und die grundsätzliche Möglichkeit zur Eigenkompostierung zu beachten.
5. Lärmschutz
Es genügt nicht, den Städten und Gemeinden die Pflicht aufzuerlegen, Lärmaktionspläne aufzustellen. Ein nachhaltiger Lärmschutz kann nur erreicht werden, wenn Städte und Gemeinden die in ihren Lärmaktionsplänen vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen auch gegenüber den verantwortlichen Maßnahmenträgern durchsetzen können. Anderenfalls werden die lärmbetroffenen Bürgerinnen und Bürger enttäuscht. Die Landesregierung wird deshalb aufgefordert, sich für eine Änderung der §§ 47 a bis f Bundesimmissionsschutzgesetz im vorstehenden Sinne einzusetzen und in der Zwischenzeit dafür Sorge zu tragen, dass Maßnahmenträger ihrer Verantwortung gerecht werden. Dabei ist auch wichtig, dass die Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen durch das Land gefördert wird.
6. Gewinnung von unkonventionellen Erdgasvorkommen (so genanntes Fracking)
Die Erkundung und die Gewinnung von unkonventionellen Erdgasvorkommen darf nicht genehmigt werden, bevor nicht alle dadurch bewirkten Risiken ausgeschlossen werden können. Die Berichte in den Medien über Benzol-Einträge bei Erkundungsbohrungen in den Boden im Bundesland Niedersachsen sind hier ein deutliches Warnsignal. Insbesondere geht es um den Schutz der kommunalen Trinkwasserversorgung, aber ebenso darum, dass die landwirtschaftliche oder bauliche Nutzung von Grundstücken nicht beeinträchtigt wird.
Die Landesregierung wird aufgefordert sich auf der Bundesebene dafür einzusetzen, dass sowohl das Bundesberggesetz als auch die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bergbaulichen Vorhaben dahin geändert wird, dass Städte und Gemeinden frühzeitig über Erkundungs- und Gewinnungsbohrungen unterrichtet werden und alle Umweltbelange eine grundlegenden sowie sorgfältigen Prüfung unterzogen werden.
Die Beauftragung eines technischen Gutachtens durch die Landesregierung im Dezember 2011 zur Abklärung der Risiken und Gefahren ist ein richtiger Schritt. Allerdings wäre es auch wichtig gewesen, die rechtlich erforderlichen Rahmenbedingungen zeitgleich abzuklären. Der Verweis auf ein parallel vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten greift hier zu kurz.
7. Altlastensanierung und Flächenaufbereitung
Die Landesregierung und der Landtag werden aufgefordert, den Fortbestand des seit dem Jahr 1988 bestehenden AAV nachhaltig sicherzustellen, denn die Wiedernutzbarmachung von Altlastenflächen dient dazu den Flächenverbrauch zu vermindern. Die im Haushaltsentwurf 2012 vorgesehene Aufstockung der Landesmittel zur Finanzierung des AAV von 2 Mio. auf 7 Mio. Euro wird ausdrücklich begrüßt. Hieran sollten die neue Landesregierung und der neue Landtag nahtlos anknüpfen.
8. Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit
Die Landesregierung und der Landtag werden aufgefordert, die interkommunale Zusammenarbeit im Bereich der kommunalen Grundversorgung (z.B. Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung sowie Abfallentsorgung) nachhaltig zu stärken. Hierzu gehört insbesondere, die interkommunale Anstalt des öffentlichen Rechts (§§ 27, 28 GKG NRW) und die öffentlich-rechtliche Vereinbarung (§§ 23 ff. GKG NRW) durch eine zukunftsweisende Änderung des GKG NRW zu fördern und zugleich bestehende Rechtsunsicherheiten abzustellen sowie Regelungslücken zu schließen.
9. Hochwasserschutz
Hochwasserschutzmaßnahmen sind auch weiterhin mit Landesmitteln nachhaltig zu fördern. Gleichzeitig ist es erforderlich, die Refinanzierungs-Vorschriften in den §§ 103, 107 und 108 LWG NRW grundlegend und gerichtsfest zu überarbeiten.
Az.: II/2 qu-ko