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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 428/2018 vom 04.07.2018
Pressemitteilung: Einwohnerveredelung ist abzuschaffen
Der Landkreistag NRW und der Städte- und Gemeindebund NRW treten für ein Ende der Ungleichbehandlung von Bürgern bei der Gemeindefinanzierung ein. "Wir fordern seit Jahren, dass die sogenannte Einwohnerveredelung abgeschafft wird, weil es für sie keinen sachlichen Grund gibt. Anders als vom Städtetag behauptet haben Großstädte keinen Bedarf, der es rechtfertigt, dass das Land für einen Bürger der Stadt Köln 154 Euro zahlt, während für den Einwohner einer Gemeinde in der Eifel nur 100 Euro überwiesen werden. Besonderen Bedarfen in den Bereichen Soziales und Infrastruktur wird durch spezielle Finanzierungsinstrumente entsprochen", sagten die Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein (Landkreistag NRW) und Dr. Bernd Jürgen Schneider (Städte- und Gemeindebund NRW).
Die heute vom Städtetag NRW veröffentlichte Pressemitteilung und der mitübersandte Flyer sind in mehrfacher Hinsicht klarstellungsbedürftig. Einige Beispiele:
- NRW ist nicht das "Land der Städte": Annähernd 11 von rund 18 Millionen Einwohnern NRWs leben im kreisangehörigen Raum, und zwar in Städten und Gemeinden bis zu über 150.000 Einwohnern.
- Dass in Städten "siedlungs- und soziokulturell bedingt" höhere Bedarfe bestehen, ist in der Wissenschaft nicht allgemein anerkannt. Die bei höheren Einwohnerdichten erzielbaren Synergie- und Skaleneffekte müssten das Anbieten öffentlicher Leistungen eigentlich günstiger machen.
- Besondere Bedarfe aufgrund der Sozialstrukturen oder höherer Schülerzahlen berücksichtigt das System der Gemeindefinanzierung durch einen sog. "Soziallastenansatz" und einen "Schüleransatz". Zudem fördert das Land besondere Infrastruktur wie z.B. Theater mit Zuweisungen außerhalb des Gemeindefinanzierungsgesetzes.
- Investitionen in die Infrastruktur werden durch Städtebaufördermittel und das Gemeindeverkehrsfinanzierunggesetz gefördert. Bahnhöfe und Universitäten, die der Städtetag als Beispiele anführt, werden nicht von Städten finanziert. Die Unterhaltung von Infrastruktur ist hingegen im ländlichen Raum aufwendiger, weil größere Distanzen zu überwinden und eine Vielzahl kleinerer Siedlungen zu erschließen sind.
- Das Land NRW erlebt seit Jahren einen Zuzug in die großen Städte zulasten des kreisangehörigen Raums. Dies ist Ausdruck eines Missverhältnisses in den Angeboten öffentlicher Leistungen zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten. Nicht zuletzt diese Erkenntnis hat zur Einrichtung einer Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" auf Bundesebene geführt. Auch die Raumordnung des Landes zielt mit Recht darauf ab, im ländlichen Raum attraktive Wohn- und Arbeitsstätten zu schaffen und zu erhalten. Diesen Zielen widerspricht eine Subventionierung großer Städte über die "Einwohnerveredelung".
- Kreisfreie Städte verfügen im Schnitt über Grund- und Gewerbesteuereinnahmen von rd. 1000 Euro/Einwohner. Damit liegen sie um mehr als 20% höher als die Einnahmen kreisangehöriger Kommunen.
- Die Vorhaltung von Zoos, Sportstadien und Kultureinrichtungen mag dem Prestige mancher Großstadt dienen. Diese Einrichtungen gehen jedoch oft mit Defiziten einher. Müssen diese deshalb im Ballungsraum Rhein-Ruhr wirklich im Abstand weniger Kilometer vorgehalten werden? Manchmal ist die Konkurrenz von "Kulturtempeln" so groß, dass diese jeweils von der jeweiligen Stadt subventioniert werden müssen, statt über sinnvolle Kooperationen und Fusionen nachzudenken.
- Schließlich: Bietet ein System, bei dem das tatsächliche Ausgabeverhalten maßgeblich für die Ermittlung eines vermeintlichen "Bedarfs" ist, hinreichende Anreize für ein wirtschaftliches Verhalten?
Fazit:
Größere Städte müssen nicht pro Kopf mehr ausgeben als kleine und mittlere Städte - die jeweils vorgehaltene Infrastruktur muss sich vielmehr rechnen. Die NRW-Landesregierung stellt die so genannte Einwohnerveredelung im Gemeindefinanzierungsgesetz zu Recht auf den Prüfstand.
Az.: 41.1.1