Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 236/2004 vom 25.03.2004

Pressemitteilung: Kein Licht am Ende des Tunnels

Es gibt keine Entspannung der kritischen Lage der Kommunalfinanzen gegenüber den Vorjahren. Dies belegen die Ergebnisse der jüngsten Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW. 346 der 359 kreisangehörigen Mitgliedstädte und -gemeinden (9,3 Mio. Einwohner) des StGB NRW hatten sich an der Umfrage ihres Spitzenverbandes beteiligt. „Auch im Jahr 2004 werden nur wenige Kommunen in NRW ohne Eingriffe in die Substanz ihren Haushalt ausgleichen können“, erklärte der Präsident des kommunalen Spitzenverbandes, Bergkamens Bürgermeister Roland Schäfer , heute in Düsseldorf bei der Vorstellung der Umfrage-Ergebnisse.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kurzfassung (Daten für 2004):

  • Haushaltssicherungskonzept in 139 von 346 Kommunen (40,1 Prozent)
  • 52 von 346 Kommunen in so genannter vorläufiger Haushaltsführung
  • Echter Haushaltsausgleich nur in 50 von 346 Kommunen
  • Gemeindliches Gesamt-Defizit 1,2 Mrd. Euro (Stand Ende 2003)
  • Auf niedrigem Niveau stagnierende Einnahmen der Kommunen
  • Kommunale Investitionen von 1,5 Mrd. Euro bei Investitionsstau von rund sieben Mrd. Euro
  • Anstieg der Personalausgaben um durchschnittlich 0,8 Prozent
    (unter den Tarifabschlüssen)

Grund für die finanzielle Misere ist laut Schäfer die nach wie vor weit auseinander klaffende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben - insbesondere im Sozialbereich: „Während die Investitionen der NRW-Kommunen seit 1992 von 6,4 Mrd. Euro um fast 50 Prozent auf 3,3 Mrd. Euro zurückgingen, sind allein in den letzten fünf Jahren die Sozialausgaben um 1 Mrd. Euro gestiegen - auf mittlerweile 9,2 Mrd. Euro.“ Allein im vergangenen Jahr habe es einen Anstieg von rund sechs Prozent gegeben. Schäfer verwies darauf, dass ungeachtet aller Hilfe-Versprechungen an die Kommunen immer weitere Aufgabenverlagerungen ohne Kostenausgleich erfolgten wie beispielsweise durch das Landespflegegesetz, das Gesetz zur Gleichstellung Behinderter oder durch die - aktuell diskutierte - Verpflichtung zur Schaffung von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige.

„Auch die Ergebnisse des Vermittlungsverfahrens zur so genannten Gemeindefinanzreform haben an dieser Misere nichts Nennenswertes geändert“, so Schäfer. Im Gegenteil schwebe eine zusätzliche Belastung durch die Hartz IV-Gesetzgebung (Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe) ab 2005 wie ein Damoklesschwert über den Kommunen. „Ohne rasche Korrektur dieses Gesetzeswerks droht vielen Kommunen spätestens im Jahr 2005 das finanzpolitische Aus“, warnte Schäfer. „Die den Kommunen zugesagte Gemeindefinanzreform steht weiter auf der Tagesordnung.“

Die Ergebnisse im Einzelnen

Haushaltssicherung „Normalfall“

Von den 346 Städten und Gemeinden, die sich an der Umfrage beteiligt haben, müssen in diesem Jahr 139 (40,1 Prozent) ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. Obwohl es bereits im vergangenen Jahr einen sprunghaften Anstieg gegenüber 2002 von mehr als 74 Prozent gegeben hatte, ist damit im Jahr 2004 wiederum eine Steigerung um fünf Kommunen zu verzeichnen. „Der Zustand der Haushaltssicherung ist mittlerweile zur Normalität geworden, obwohl es sich haushaltsrechtlich nur um absolute Ausnahmefälle handeln sollte“, bedauerte Schäfer.

Ähnlich dramatisch verhält es sich mit der Zahl derjenigen Kommunen, deren Haushaltssicherungskonzept noch nicht einmal genehmigungsfähig ist und die deshalb unter den strengen Voraussetzungen der vorläufigen Haushaltsführung wirtschaften müssen. Im Jahr 2003 erhielten 45 Kommunen keine Genehmigung der Kommunalaufsicht, im Jahr 2004 rechnen 52 Städte und Gemeinden damit, dass ihnen die Genehmigung versagt wird. Absoluter „Spitzenreiter“ ist hier der Regierungsbezirk Köln, auf den mehr als die Hälfte (28) der Kommunen in der Haushaltssicherung entfällt.

Die eigentliche Normalvorgabe eines strukturell ausgeglichenen Haushalts, bei dem auf Vermögensveräußerung und Rücklage-Entnahme verzichtet werden kann, wird in den Jahren 2003 und 2004 jeweils nur von 50 Kommunen erreicht. Dies entspricht einem Anteil der Städte und Gemeinden, deren Haushalt noch als gesund bezeichnet werden kann, von gerade einmal 14 Prozent.


 Haushaltssicherungstrukturell unausgeglichenstrukturell ausgeglichen
 JahrJahrJahr
Regierungsbezirk200320042003200420032004
Arnsberg37392325106
Detmold121142431212
Düsseldorf1919262688
Köln42464032610
Münster232432311414
Gesamt1331391631575050


Lediglich 30 Kommunen sehen überhaupt die Chance, bis zum Jahre 2010 den Zustand der Haushaltssicherung zu verlassen.

Gesamtdefizit immer höher

Das gemeindliche Gesamtdefizit bewegt sich auf einem dramatisch hohen Niveau. Bei den befragten Mitgliedskommunen des StGB NRW, die sich in der Haushaltssicherung befinden, sind bis 2003 Fehlbeträge von fast 1,2 Mrd. Euro aufgelaufen. Dieses Defizit wird sich nach den aktuellen Prognosen der Kämmerer bis zum Jahre 2008 mehr als verdoppeln.

Einnahmen weiter im Keller

Die kommunalen Steuereinnahmen sind nach wie vor unbefriedigend. Der Anteil der NRW-Kommunen an der Einkommensteuer lag in 2003 bei 5,32 Mrd. Euro und damit nochmals ein Prozent unter Vorjahresniveau (Vergleich 2002: 5,383 Mrd. Euro, 2001: 5,5 Mrd. Euro, 2000: 5,8 Mrd. Euro). Die Entwicklung des Umsatzsteuer-Anteils stellt sich kaum besser dar: Für 2003 werden nur 676 Mio. Euro erreicht (Vergleich 2002: 679 Mio. Euro, 2001: 691 Mio. Euro).

Angesichts des durch die Steuerreform bedingten Rückgangs beim Gemeindeanteil sowie des konjunkturell bedingten Rückgangs beim Anteil an der Umsatzsteuer und der sinkenden Zuweisungen des Landes aus dem kommunalen Finanzausgleich sind die Kommunen mehr denn je auf eigene Einnahme-Möglichkeiten angewiesen.

Trotz der Hebesatz-Erhöhungen der vergangenen Jahre wird bei der Gewerbesteuer - auch unter Einbeziehung der Vermittlungsergebnisse vom Dezember vergangenen Jahres - längst nicht mehr der Stand des Jahres 2000 erreicht. Nach den drastischen Einbrüchen der beiden zurückliegenden Jahre von jeweils rund zwölf Prozent und dem nochmaligen Rückgang im Jahr 2003 ergibt sich für 2004 zwar eine erwartete Verbesserung in Höhe von rund zehn Prozent. Es werden für 2004 insgesamt etwas mehr als 2 Mrd. Euro an Gewerbesteuer-Nettoeinnahmen erwartet.

Jedoch ist die Verbesserung lediglich eine technische Folge des Vermittlungsergebnisses vom Dezember vergangenen Jahres zur so genannten Gemeindefinanzreform. „Bereinigt um die Umlagesenkung wird deutlich, dass bei der Gewerbesteuer mit einer konjunkturell bedingten Erholung nicht gerechnet wird. Das Aufkommen würde sich dann mit 1,85 Mrd. Euro noch knapp unter dem Niveau des Jahres 2003 (1,88 Mrd. Euro) bewegen“, erläuterte Schäfer.

Die Grundsteuer B erweist sich als verlässliche Einnahmequelle. Hier werden von den befragten Kommunen Einnahmen in Höhe von rund einer Mrd. Euro erwartet. Diese bedeutet - trotz nahezu unveränderter Hebesätze - eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 2,7 Prozent.

Ungeachtet der schwierigen Einnahmesituation sind die Hebesätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer durchweg stabil geblieben. Dies ist zum einen Ausdruck für verantwortungsvolles Handeln vor Ort. Es hängt allerdings auch damit zusammen, dass nach der im vergangenen Jahr erfolgten Anpassung an die erhöhten fiktiven Hebesätze des Landes weitere Spielräume nach oben nicht gesehen wurden. Betrug 2003 der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz 408 Punkte, so blieb dieser Wert im Jahr 2004 mit 409 Punkten praktisch unverändert. Ähnlich ist es bei der
Grundsteuer B. Dort betrug 2003 der durchschnittliche Hebesatz 376 Punkte, im Jahr 2004 sind es 378 Punkte.

Keine Konjunkturimpulse

Die kommunalen Investitionen bewegen sich auch im Erhebungszeitraum auf einem dramatisch niedrigen Niveau. Trotz eines gigantischen Investitionsstaus von allein sieben Mrd. Euro im Schulbereich sollen nach den Planungen der Kämmerer im Jahr 2004 lediglich 2,5 Prozent mehr Mittel für Bauinvestitionen ausgegeben werden. „Dies ist bestenfalls ein Aufhalten des Abwärtstrends, Impulse für die Konjunktur können die Kommunen aber mit dem Volumen von rund 1,5 Mrd. Euro weit weniger geben als noch Mitte der 1990er-Jahre“, betonte Schäfer.

Die Stagnation bei den Investitionsausgaben bedeute für die Kommunen, dass der seit Jahren festgestellte Investitions- und Sanierungsstau der öffentlichen Infrastruktur weiter anhalten und die Haushalte kommender Jahre belasten wird. Ein nachhaltiges Wirtschaften sei den Kommunen damit nicht möglich, so Schäfer.

Die kommunalen Sparanstrengungen dokumentieren sich erneut bei den Personalausgaben, deren Anstieg mit 0,8 Prozent deutlich unter den Tarifabschlüssen liegt. Dies deutet darauf hin, dass die bereits in den vergangenen Jahren sehr sparsame Personalpolitik in den Städten und Gemeinden fortgesetzt werden soll. In der Praxis wird sich dies nur mit weiterem Stellenabbau bewerkstelligen lassen.

Ausblick

Die Umfrageergebnisse belegen, dass bei den Gemeindefinanzen nach wie vor dringender Handlungsbedarf besteht:

  • die im Vermittlungsverfahren zugesagte Entlastung der Kommunen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in Höhe von 2,5 Mrd. Euro muss notfalls durch gesetzliche Korrekturen sichergestellt werden.
  • Die von Bund und Ländern im Rahmen des Vermittlungsverfahrens beschlossenen zusätzlichen Leistungen für die neuen Bundesländer dürfen nicht einseitig den westdeutschen Kommunen auferlegt werden.
  • die geplante große Steuerreform muss die Interessen der Kommunen angemessen berücksichtigen. Dies bedeutet insbesondere, dass die Gewerbesteuer, die immer noch die wichtigste eigenständige Einnahmequelle der Kommunen ist, ohne einen qualitativ und quantitativ angemessenen Ersatz nicht beseitigt werden darf.
  • in der Landesverfassung muss das Konnexitätsprinzip im nunmehr dritten Anlauf innerhalb von 10 Jahren endlich unter Zurückstellung von parteipolitischen Streitigkeiten umgesetzt werden. Gleiches gilt auch für das Grundgesetz.

Schäfer verwies darauf, dass es bei den Schlüsselzuweisungen des Landes NRW im Jahr 2005 einen Rückgang von fast acht Prozent geben wird. Ebenso sei bekannt, dass viele der kommunalrelevanten Kürzungen im Landeshaushalt erst im Jahr 2005 ihre volle Wirkung entfalten, sodass die Kommunen an zahlreichen Stellen wegbrechende Landesmittel entweder durch eigene Mittel ersetzen oder Einrichtungen schließen und Leistungen zurückfahren müssten. „Ohne entschlossenes Handeln gehen in vielen NRW-Kommunen spätestens im Jahr 2005 die Lichter aus“, machte Schäfer deutlich.

Az.: IV

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