Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 295/2011 vom 30.05.2011

Pressemitteilung: Keine Entwarnung trotz Wirtschaftsaufschwung

Die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen ist trotz der wirtschaftlichen Erholung unverändert kritisch. Dies zeigt die diesjährige Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW. Wie im Vorjahr haben sich alle 359 kreisangehörigen Mitgliedskommunen mit rund 9,4 Mio. Einwohnern an der Umfrage des Spitzenverbandes beteiligt.

„Der wirtschaftliche Aufschwung führt zwar zu einem Anstieg der Einnahmen vor allem bei der Gewerbesteuer, der aber durch steigende Ausgaben insbesondere im Sozialbereich wieder aufgezehrt wird“, erklärte Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer, Präsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, heute in Gütersloh bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Insgesamt bestätige das Bild die Aussagen der Finanzwissenschaftler Martin Junkernheinrich und Thomas Lenk. Diese haben eine Unterfinanzierung der Kommunen von durchschnittlich rund 2,1 Mrd. Euro pro Jahr errechnet.

Dies - so Ruthemeyer - führe dazu, dass im Jahr 2011 nur 25 Mitgliedskommunen des Verbandes einen strukturellen Haushaltsausgleich erreichen könnten (2010: 28). Weitere 190 Kommunen schafften den Haushaltsausgleich nur, indem sie ihr Eigenkapital weiter aufzehren.

Abbau des Eigenkapitals und Überschuldung

Wie im Vorjahr wurde mit der Haushaltsumfrage der Abbau der Ausgleichsrücklage - der Anteil des Eigenkapitals, der im NKF zum fiktiven Haushaltsausgleich eingesetzt werden kann - sowie des Eigenkapitals allgemein abgefragt. Bis Ende 2011 werden 247 StGB NRW-Mitgliedstädte und -gemeinden ihre Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht haben. Für 2012 erwarten dies 53 Kommunen und für die beiden Folgejahre noch einmal 29 Kommunen. Dies bedeutet, dass im Finanzplanungszeitraum insgesamt 329 StGB NRW-Mitgliedskommunen - etwa 90 Prozent - ihre Ausgleichsrücklage vollständig aufgebraucht haben werden.

Sieben Kommunen haben bereits jetzt das Eigenkapital vollständig verzehrt, bei weiteren 21 StGB NRW-Mitgliedskommunen zeichnet sich eine Überschuldung im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung ab. „Allein diese Zahlen belegen den dringenden Handlungsbedarf“, sagte Ruthemeyer. „Wir müssen jetzt schnellstens einen Konsens erzielen über einen sinnvollen Einsatz der für den Stärkungspakt Stadtfinanzen bereitgestellten 350 Millionen Euro.“ Zudem benötige man ein Konzept für die Zeit ab 2014, wenn die Entlastung der Kommunen von der Grundsicherung erstmals voll wirksam wird.

Haushaltssicherung und Nothaushalt

Ein weiterer Indikator zur Beurteilung der Finanzlage ist die Anzahl der Kommunen mit Haushaltssicherungskonzept. Ein solches muss aufgestellt werden, wenn eine Kommune ihren Haushalt nicht einmal fiktiv ausgleichen kann. In diesem Jahr werden 144 StGB NRW-Mitgliedskommunen in dieser Situation sein. Gegenüber dem Vorjahresstand von 132 Kommunen ist dies eine weitere Steigerung.

Den strengsten Restriktionen sind Städte und Gemeinden unterworfen, deren Haushaltssicherungskonzept von der Kommunalaufsicht nicht genehmigt wird, da sie auch auf mittlere Sicht keinen Haushaltsausgleich erreichen können. In der so genannten vorläufigen Haushaltswirtschaft, auch Nothaushaltsrecht genannt, sind den Kommunen freiwillige Ausgaben grundsätzlich untersagt. Hierbei wird es 2011 voraussichtlich einen Anstieg auf 118 kreisangehörige Städte und Gemeinden (2010: 107) geben. „Spitzenreiter“ bei Haushaltssicherungskonzepten und Nothaushaltskommunen sind im Jahr 2011 wiederum die Regierungsbezirke Köln und Arnsberg (s. Tabelle):

Haushalts­sicherung

strukturell unausgeglichen

strukturell ausgeglichen

Regierungsbezirk

2010

2011

2010

2011

2010

2011

Arnsberg

40

46

32

27

2

1

Detmold

16

17

43

40

8

10

Düsseldorf

12

12

37

38

5

4

Köln

46

51

42

40

6

3

Münster

18

18

45

45

7

7

Gesamt

132

144

199

190

28

25

 

Liquiditätskredite auf Höchststand

„Die schwierige Lage der Kommunalfinanzen wird zusätzlich durch den Rekordstand der Kredite zur Liquiditätssicherung deutlich gemacht“, betonte Ruthemeyer. Zum Jahreswechsel 2010/2011 durchstießen die NRW-Kommunen erstmals die Schallmauer von 20 Mrd. Euro. Dies bedeute, dass die Kommunen allein im Verlauf der zurückliegenden fünf Jahre etwa 9,5 Mrd. Euro neue Kredite zur Liquiditätssicherung aufnehmen mussten, um laufenden Verwaltungsaufwand zu finanzieren.

Nach Berechnungen der Gutachter Junkernheinrich und Lenk könnten in zehn Jahren 50 bis 70 Mrd. Euro zu Buche stehen, wenn nicht entschlossen gehandelt wird. „Der Rekordstand an Liquiditätskrediten macht deutlich, dass die Kommunen in NRW auf Konsolidierungshilfen des Landes dringend angewiesen sind“, legte Ruthemeyer dar.

Steigende Erträge

Auf der Ertragsseite profitiert die Gewerbesteuer von der guten wirtschaftlichen Entwicklung, wobei dies bei den einzelnen Städten und Gemeinden unterschiedlich ausgeprägt ist. In den Haushaltsplanungen gehen die Kämmerer von einem Zuwachs des Gewerbesteueraufkommens um 5,6 Prozent gegenüber 2010 auf rund 3,2 Mrd. Euro aus.

Der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz liegt 2011 in den StGB NRW-Mitgliedskommunen bei 420 Prozentpunkten. Damit kommt es zu einer vergleichsweise moderaten Anhebung von fünf Punkten gegenüber dem Vorjahr, was einen deutlichen Zusammenhang mit der Anhebung der fiktiven Hebesätze durch das Land aufweist. Für die Grundsteuer B wird mit einem Aufkommen von 1,23 Mrd. Euro (+4,5 Prozent) gerechnet. Es kommt im Durchschnitt zu merklichen Anhebungen der Hebesätze auf 236 Prozent bei der Grundsteuer A (+12 Punkte) und auf 407 Prozent bei der Grundsteuer B (+15 Punkte).

Steigender Aufwand

Entscheidende Ursache für die zunehmende strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden ist der - von diesen nicht mehr steuerbare - Anstieg der Sozialkosten. Die jährlichen Aufwendungen für soziale Leistungen belaufen sich für die NRW-Kommunen mittlerweile auf mehr als zwölf Mrd. Euro.

Die Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund ab 2012 - so Ruthemeyer - sei ein erster wichtiger Schritt zur Entlastung der Kommunen. „Wenn wir die Situation der Kommunen nachhaltig verändern wollen, müssen allerdings weitere Entlastungen folgen“, forderte der StGB NRW-Präsident.

Entwicklung der Umlagen

Die Belastung durch die Kreisumlage ist auch in diesem Jahr bestimmendes Thema bei der Aufstellung der Kommunalhaushalte. Mit einem durchschnittlichen Hebesatz von 42,0 Prozent bildet die Kreisumlage auch 2011 den wesentlichen Ausgabenblock der kreisangehörigen Kommunen. Der durchschnittliche Umlagesatz ist gegenüber 2010 um 0,7 Prozentpunkte gestiegen. Hinzu kommt eine deutlich höhere Belastung bei der Jugendamtsumlage, die im Schnitt um knapp drei Prozentpunkte auf 21,3 Prozent ansteigt.

Az.: IV

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