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StGB NRW-Mitteilung 787/2016 vom 24.11.2016
Pressemitteilung: Reform des Kinder- und Jugendhilferechts überdenken
Die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig geplante Reform des 8. Buchs Sozialgesetzbuch missachtet wesentliche Erfahrungen der Praxis. Danach soll die Kinder- und Jugendhilfe die Gesamtverantwortung für seelisch, körperlich und geistig behinderte Jugendliche übernehmen. Zudem sollen diese Leistungen in das System der erzieherischen Hilfen einbezogen werden. „Diese Regelungen sind unausgewogen und nicht umsetzbar", monierte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW Dr. Bernd Jürgen Schneider heute in Düsseldorf vor dem Präsidium des kommunalen Spitzenverbandes.
Mit dieser Reform würden zwei Hilfesysteme mit unterschiedlicher Zielsetzung in fachlich nicht sinnvoller Weise zusammengefügt. Vielmehr müsse nach Lösungen gesucht werden, wie die Schnittstellenprobleme zwischen der Zuständigkeit für seelische Behinderungen und der Zuständigkeit für geistige und körperliche Behinderungen minimiert werden könnten. "Es ist nicht angemessen, eine solche Reform durch schematische Überführung dieser Zuständigkeit in das Kinder- und Jugendhilferecht quasi übers Knie zu brechen", betonte Schneider.
Im Übrigen sei das Vorgehen des Bundesfamilienministeriums im bisherigen Reformverlauf zu beanstanden. Denn mit den kommunalen Spitzenverbänden seien auf Bundesebene noch keine offiziellen Gespräche geführt worden. "Das Bundesfamilienministerium ist daher aufgerufen, zügig mit den kommunalen Spitzenverbänden in Gespräche einzutreten", forderte Schneider. Nur so könnten die fachlichen Argumente für und gegen eine Übernahme der Zuständigkeit für körperlich und geistig behinderte Kinder sowie Jugendliche abgewogen und Lösungen für die Schnittstellenproblematik gefunden werden.
Neben diesen fachlichen Aspekten müsse die Reform auch die gewachsene Struktur der Bundesländer berücksichtigen. "Die Festlegung der Gesamtverantwortung der Kinder- und Jugendhilfe für alle behinderten Kinder und Jugendliche - unabhängig von der Art der Behinderung - hätte massive Auswirkungen auf die fachliche, personelle und organisatorische Struktur der Jugendämter wie auch der Landschaftsverbände in Nordrhein-Westfalen", machte Schneider deutlich. Bei einer solchen Änderung der Zuständigkeit wäre erheblich mehr Personal erforderlich. "Aktuell gehen wir von einer Vervielfachung des bestehenden Personalbestandes aus", so Schneider. Denn jedes Jugendamt wäre zukünftig nicht nur für die seelisch Behinderten zuständig, sondern auch für Kinder und Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Vor diesem Hintergrund sei die Reform in ihrer jetzigen Gestalt vor allem unter verwaltungsökonomischen Gründen nicht tragbar. Es habe sich bewährt, dass die NRW-Jugendämter lediglich für seelische Behinderungen zuständig seien.
Überdies habe eine erste Bewertung des Arbeitsentwurfs aus dem Bundesfamilienministerium ergeben, dass die Reform alles andere als kostenneutral wäre. "Aktuell gehen wir von einer erheblichen Ausweitung der Leistungen und deutlichen Kostensteigerungen bei der Kinder- und Jugendhilfe aus", legte Schneider dar. Bei einer Umsetzung in dieser Form hätte das Land NRW als Folge des Konnexitätsprinzips die Mehrkosten in vollem Umfang zu tragen.
Az.: 35.0.1