Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 75/2004 vom 15.12.2003

Rechtsprechung zur Gewerbeabfall-Verordnung

In den Mitteilungen des StGB NRW vom Dezember 2003 (Nr. 898) war darüber berichtet worden, dass das VG Stuttgart mit Urteil vom 24. Oktober 2003 (Az.: 19 K 2192/03 – nicht rechtskräftig) den Rechtstandpunkt eingenommen hat, aus § 7 Satz 4 GewAbfV ergebe sich keine generelle Pflicht für Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen eine Pflicht-Restmülltonne in Benutzung zu nehmen. Vielmehr sei ein konkreter Nachweis erforderlich, dass überlassungspflichtige „Abfälle zur Beseitigung“ anfielen. Unabhängig davon, dass das Urteil des VG Stuttgart nicht rechtskräftig ist und mit der Sprungrevision dem Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung unterbreitet werden soll, kann dem Rechtstandpunkt des VG Stuttgart aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:

Ein Nachweis, dass bei einem einzelnen Abfallerzeuger entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung keinerlei Abfall zur Beseitigung anfällt und folglich ein kommunaler Restabfallbehälter nicht zu benutzen ist, wird durch die Gewerbeabfall-Verordnung zwar nicht ausgeschlossen, dürfte aber wohl kaum schlüssig und nachvollziehbar zu führen sein, zumal etwa überfällige bzw. verdorbene Lebensmittel, Essensreste, Zigarettenkippen, benutzte Damenbinden/ Tampons, Küchenschwämme, Schwammtücher, Staubsaugerbeutel, Kehricht, defekte Kugelschreiber, benutzte Papiertaschentücher und dergleichen mehr auch bei gewerblichen Abfallbesitzern/-erzeugern regelmäßig anfallen.

§ 7 Satz 4 GewAbfV hat vor diesem Hintergrund eine eigenständige Bedeutung gegenüber den Regelungen in § 7 Satz 1 bis 3 GewAbfV, wo lediglich die schon nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 KrW-/AbfG bestehende Rechtslage wiedergegeben wird. § 7 Satz 4 GewAbfV ordnet mithin an, dass alle Abfallerzeuger/-besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen mindestens einen Restabfallbehälter des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu nutzen haben. Ein Verstoß gegen die Maßgabe in § 7 Satz 4 GewAbfV stellt nach § 11 Nr. 9 GewAbfV sogar eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine anderweitige Auslegung der Regelungssystematik in § 7 GewAbfV, etwa eine optionale, d.h. in das Belieben des gewerblichen Abfallerzeugers/-besitzern, gestellte Nutzung des Restabfallbehälters des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, würde demnach dem Sinn und Zweck der Gewerbeabfall-Verordnung nicht gerecht, da der Verordnungsgeber sich dann die umfangreichen Regelungen insbesondere zur Getrennthaltung von Abfällen in der Gewerbeabfall-Verordnung (§ 3, 4, 6 und 8 GewAbfV) hätte gänzlich ersparen können. Denn es macht keinen Sinn eine Rechtsverordnung zur Absicherung des Kreislauf- und Abfallwirtschaft zu erlassen, die im Ergebnis den vor der Erlass der Rechtsverordnung bestehenden Rechtszustand unverändert fortbestehen lässt. Eine solche Absicht hat der Bundes-Verordnungsgeber nachweislich der Verordnungs-Begründung auch nicht verfolgt (vgl. BT-Drucksache 14/7328, S. 1; Versteyl in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 2. Aufl. 2003, Einl. Rz. 168ff., Rz. 170; Rühl, AbfallR 2002, S. 14ff.; Schink, UPR 2002, S. 401ff., S. 407ff.; Dieckmann, Recht der Abfallwirtschaft, 2003, S. 15ff. und 2002, S. 20ff.; Queitsch, Gewerbeabfall-Verordnung, Systematische Darstellung, 1. Auf. 2003, S. 11, S. 34).

In diesem Zusammenhang ist § 7 Satz 4 GewAbfV demnach die Folge der Getrennt-haltungspflichten in § 3 GewAbfV und der Ermächtigungsgrundlage in §§ 7 Abs. 1 Nr. 2, 12 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG an die Bundesregierung, Anforderungen, d.h. Vorgaben, für die Getrennthaltung von Abfällen zu regeln. Die Befugnis nach § 7 Abs.1 Nr. 2 KrW-/AbfG Anforderungen an die Getrennthaltung von Abfällen zu regeln soll dabei insbesondere im Interesse einer sortenreinen Verwertung Vermischungen und Verunreinigungen der Abfälle vorbeugen und dient damit der Konkretisierung der Maßgabe in § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG, wonach „Abfälle zur Verwertung“ untereinander getrennt zu halten sind, wenn anderenfalls die Verwertung bestimmter Abfälle z.B. durch Verschmutzung zu nichte gemacht wird. Eben diese Maßgabe in § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG, die in § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG auch für „Abfälle zur Beseitigung“ geregelt ist, bedurfte einer Konkretisierung durch die Gewerbeabfall-Verordnung, zumal diese allgemeinen Trennungsvorgaben in § 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG anderenfalls praktisch ins Leere gingen (vgl. Kunig in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 2. Aufl. 2003, § 5 Rz. 16; Mann in: Jarass/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG. Loseblatt-Kommentar, § 7 Rz. 32; Queitsch, Gewerbeabfall-Verordnung, Systematische Darstellung, a.a.O.. S. 34).

Unabhängig davon ergibt sich aber nach einer weiteren neueren Rechtsprechung auch dann die Pflicht zur Benutzung eines Restmüllgefäßes des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, wenn der gewerbliche Abfallbesitzer/-erzeuger die bei ihm anfallenden Abfälle lediglich einer energetischen Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zuführt. Denn nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2003 (EuGH, Urteil vom 13.2.2003 - Az.: C 228/00 - , NVwZ 2003, S. 455; EuGH, Urteil vom 13.2.2003 – Az.: C 458/00 – NVwZ 2003, S. 457; EuGH, Urteil vom 3.4. 2003 - Az.: C 116/01 - ) ist eine energetische Verwertung von Abfällen in einer Müllverbrennungsanlage grundsätzlich nicht möglich, weil es sich bei einer Müllverbrennungsanlage um eine Abfallbeseitigungsanlage handelt. Auf dieser Grundlage hat das OVG des Saarlandes in seinem Urteil vom 22.8.2003 (Az.: 3 R 1/03 ( 3 Q 71/01)) festgestellt, dass nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage nicht möglich ist und deshalb die Entsorgung von ölverschmierten Abfällen in einem Müllheizkraftwerk nur als Beseitigungs- und nicht als Verwertungsverfahren eingestuft werden könne. In gleicher Weise hat das VG Stuttgart mit Urteil vom 21.10.2003 (Az.: 13 K 4448/99) entschieden. In diesem Verfahren ist eine Drogeriemarktfiliale – ohne Rückgriff auf die Gewerbeabfall-Verordnung – verpflichtet worden, ein 120 Liter Restmüllgefäß des öffentich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Benutzung zu nehmen, weil eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage durch das VG Stuttgart in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als unzulässig eingestuft worden ist.

Az.: II/2 31-02 qu/g

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