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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 238/1997 vom 05.05.1997
Reform des Energiewirtschaftsrechts
I. Entwurf einer Europäischen Gasbinnenmarkt-Richtlinie
Nachdem die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.12.1996 betreffend Gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt am 30.01.1997 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden und am 19.02.1997 in Kraft getreten ist (Umsetzungsfrist für die Mitgliedsstaaten: 19.02.1999), hat die irische Präsidentschaft im Anschluß an die Kommissionsentwürfe für eine Gasbinnenmarkt-Richtlinie aus dem Jahre 1992 und 1993 am 15.10.1996 einen überarbeiteten Entwurf zur Ausgestaltung eines Gasbinnenmarktes vorgelegt. Dieser Entwurf lehnt sich stark an die vom Europäischen Parlament verabschiedete Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie an, sieht allerdings mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Erdgasversorgung einige stärker wettbewerbsorientierte Besonderheiten vor. Die wichtigsten Abweichungen der Gasbinnenmarkt-Richtlinie sind insoweit:
- Beschränkung des Netzzuganges auf die Alternative der Durchleitung, wobei den Mitgliedsstaaten ein Wahlrecht zwischen dem Netzzugang auf Vertragsbasis und einem geregelten Netzzugangssystem auf Grundlage veröffentlichter Tarife eingeräumt wird; die Einrichtung eines Single-Buyer-Systems ist damit nicht vorgesehen.
- Die stufenweise Öffnung der nationalen Gasmärkte vor dem Hintergrund von Marktöffnungsquoten ist derzeit noch offen.
- Für Service Public-Verpflichtungen wird dem Durchleitungsverweigernden die Beweislast auferlegt.
- Für die in der Erdgaswirtschaft besonders wichtigen Take-or-Pay-Verträge wird zugunsten der Mitgliedsstaaten eine Option für eine von diesen zu beantragende Übergangsregelung vorgesehen.
- Die Entscheidung über eine weitergehende Marktöffnung soll bereits nach 7 Jahren, (Strom: 9 Jahre) getroffen werden, wobei der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gasbinnenmarkt-Richtlinie derzeit noch offen ist.
Auf seiner Sitzung am 03.12.1996 führte der Ministerrat eine "Sondierungsdebatte" über den Richtlinienvorschlag, konnte sich dabei jedoch lediglich auf allgemeine Schlußfolgerungen einigen. Unter dem 20.02.1997 wurden dann die Schlußfolgerungen des niederländischen Vorsitzes zum Richtlinienvorschlag für den Gasbinnenmarkt bekanntgemacht.
Obwohl damit eine Einigung in zentralen Fragen, nämlich z.B. der Marktöffnung oder der zukünftigen Behandlung der Take-or-Pay-Verträge, nach wie vor aussteht, hat der Ministerrat seine Absicht bekräftigt, auf der nächsten Sitzung am 26.05.1997 eine Einigung über einen gemeinsamen Standpunkt erreichen zu wollen.
II. SPD-Entwurf eines Gesetzes über die Elektrizitätswirtschaft
Die Bundestagsfraktion der SPD hat nach Abstimmung mit den A-Ländern als Alternative zum Regierungsentwurf einen eigenen Entwurf eines Gesetzes über die Elektrizitätswirtschaft erarbeitet, der gemeinsam mit dem Regierungsentwurf am 17.04.1997 Gegenstand der 1. Lesung des Deutschen Bundestages war.
Der SPD-Gesetzentwurf setzt folgende Schwerpunkte:
- Beschränkung auf die Elektrizitätswirtschaft, da rechtliche Regelungen für die Gaswirtschaft auf der europäischen Ebene bislang nicht getroffen worden sind,
- Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung, Wirtschaftlichkeit und Verbraucherschutz als gleichrangige Gesetzesziele für alle Teilgebiete der Elektrizitätswirtschaft (Erzeugung, Übertragungsnetzbetrieb, Verteilnetzbetrieb, Lieferung),
- Festschreibung der Energiekompetenz der Gemeinden für die örtliche Energieversorgung im Rahmen ihrer Daseinsvorsorge (Art. 28 Abs. 2 GG) und in Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Allgemeininteresse (Art. 90 Abs. 2 EU-Vertrag),
- Regelung der örtlichen Elektrizitätsversorgung durch Satzung und Verträge, wobei den Gemeinden drei Wettbewerbsmodelle als Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen: freie Vertragsfreiheit ohne Versorgungspflicht für bestimmte Kundengruppen, Vertragsgestaltung mit Versorgungspflicht für bestimmte Kundengruppen (Garantielieferung) und Vertragsgestaltung mit der Einräumung der Stellung als alleiniger Verkäufer.
- betriebliche und bilanzielle Trennung von Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Lieferung von Elektrizität (Unbundling),
- diskriminierungsfreier Netzzugang von Erzeugern, Lieferanten und Kunden, verbunden mit einem gesetzlichen Durchleitungstatbestand,
- gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne von Vorrangregelungen aus Gründen des Umweltschutzes, der Ressourcenschonung, der Markteinführung erneuerbarer Energien und der Nutzung heimischer Energien (Integration des Stromeinspeisungsgesetzes bei gleichzeitiger Einbeziehung der Kraft-Wärme-Kopplung in das Energierecht).
Eine erste Bewertung des in einigen Detailfragen noch aufklärungs- und abklärungsbedürftigen Gesetzentwurfs läßt aus gemeindlicher Sicht folgende Schlußfolgerungen zu:
1. Der Gesetzentwurf enthält wesentliche Bausteine, die dem kommunalen Forderungskatalog Rechnung tragen und die insbesondere auch die öffentliche Aufgabenstellung der Energieversorgung und die hiermit verbundene, höchstrichterlich bestätigte Energiekompetenz der Städte und Gemeinden für die örtliche Energieversorgung herausstellen. Positiv sind in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Bestimmungen hervorzuheben: Aufgabenstellung der Gemeinden, Regelung des Wettbewerbsmodells durch die Gemeinde, wobei insoweit auch ausdrücklich das gemeindlicherseits geforderte Alleinabnehmersystem als Wettbewerbsalternative anerkannt wird, besondere Berücksichtigung des Umweltschutzes durch ökologische Vorrangregelungen sowie die folgerichtige Integration des Stromeinspeisungsgesetzes in das Energiegesetz, gesetzlicher Durchleitungstatbestand, der verhindert, daß alle sich aus der Anwendung der allgemeinen Mißbrauchsregelungen des Kartellgesetzes ergebenen Probleme der Rechtsprechung zugeschoben werden.
2. Aus gemeindlicher Sicht kritisch anzumerken sind hingegen folgende Aspekte:
- Konzessionsabgabenregelung: Da nach dem SPD-Konzept zukünftig Konzessionsabgaben - infolge des konsequenten Unbundlings auch auf der Endverteilerstufe - lediglich für den örtlichen Netzbetrieb, nicht hingegen auch für die Versorgung erhoben werden sollen, degeneriert die Konzessionsabgabe zu einem reinen Netzbetreiber- oder auch Wegebenutzungsentgelt. Insoweit stellt sich nachhaltig die Frage, ob angesichts dieses Funktionswandels das bisherige Konzessionsabgabevolumen auch zukünftig jedenfalls überwiegend abgesichert werden kann. Zwar wird nur ein Netzbetreiber für den örtlichen Netzbetrieb bestimmt, so daß insoweit ein Element der Ausschließlichkeit Platz greift; entscheidend dürfte jedoch sein, daß die Konzessionsabgabe auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben, insbesondere der Konzessionsabgabenverordnung für die Versorgung mit Strom und Gas, inhaltlich eine nicht unerhebliche Änderung erfährt.
- Der gemeindlicherseits geforderte Grundsatz der Gleichpreisigkeit für die vom Wettbewerb nicht umworbenen Kunden wird bislang nicht angesprochen.
- Die Wettbewerbsmodelle sollten mit der EU-Richtlinie abgeglichen werden: Die Auswahl sollte sich konzentrieren und zugleich beschränken auf den verhandelten Netzzugang einerseits sowie auf das Alleinabnehmersystem andererseits.
- Diskussionsbedarf besteht auch hinischtlich der in der Endverteilung vorgenommenen Trennung zwischen Netzbetrieb einerseits und Versorgung andererseits. Insoweit erscheint aus gemeindlicher Sicht eine Zusammenführung beider Aufgaben in Fortführung des bisherigen Systems vorzugswürdig.
Der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Volker Jung, MdB, hat den kommunalen Spitzenverbänden eine Fortsetzung der Gespräche über die konkrete Ausgestaltung des Gesetzentwurfs während des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zugesichert.
III. Beginn der parlamentarischen Beratungen im Deutschen Bundestag
Am 17.04.1997 hat der Deutsche Bundestag die parlamentarische Beratung der Energierechtsreform in 1. Lesung aufgenommen. Mit Rücksicht darauf, daß sicherlich der Regierungsentwurf zunächst weiterhin im Vordergrund stehen dürfte, ist die diesbezügliche Kritik unverändert aufrechtzuerhalten. So hat z.B. der Nordrhein-Westfälische Städte- und Gemeindebund im Vorfeld der Bundestagssitzung alle Bundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen noch einmal nachdrücklich auf die gemeindliche Brisanz der Problematik hingewiesen.
Az.: V/2-811-00