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StGB NRW-Mitteilung 657/2023 vom 31.10.2023

Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fassen wichtige Beschlüsse zur Flüchtlingspolitik

Im Rahmen der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 11. bis 13. Oktober 2023 in Frankfurt am Main wurden wichtige Beschlüsse in der Flüchtlings- und Migrationspolitik gefasst. Aus kommunaler Sicht sind insbesondere die Maßnahmen für eine stärkere Begrenzung und Steuerung des Zugangs, zur finanziellen Lastenverteilung, Unterbringung, Betreuung und Integration sowie der Beschleunigung von Verfahren, gerade mit Blick auf das Gespräch der Länder mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. November, ausdrücklich zu begrüßen. Dabei ist entscheidend, dass weitere Abkommen mit Drittländern zur Rückführung getroffen und aufnahmebereite Länder, wie etwa beim EU-Türkei Abkommen, stärker unterstützt werden. Die Kompetenz für Rückführungen und Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern sollte beim Bund liegen.

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder erkennen in ihrem Beschluss zunächst ausdrücklich die momentane Belastungssituation in den Kommunen an. Sie weisen darauf hin, dass die Kommunen hier und jetzt auf eine spürbare Veränderung angewiesen sind, da die Grenzen des Leistbaren vielfach bereits erreicht sind. Das Leistungs- und Integrationsvermögen der Kommunen sollte insgesamt im Blick behalten werden. Die bisherigen Maßnahmen werden als unzureichend beziffert, um den Migrationsdruck entscheidend zu reduzieren.

Angesichts der angespannten Lage in den Kommunen und bei einem Großteil der Gesellschaft fordern die Länder insbesondere folgende Maßnahmen, die aus kommunaler Sicht ausdrücklich unterstützt werden können:

Steuerung und Begrenzung des Migrationsgeschehens

-    Der Bund wird aufgefordert, seiner Pflicht nach § 44 Abs. 2 des Asylgesetzes
     nachzukommen und monatlich die Zahl der Zugänge von Asylbegehrenden, die voraussichtliche
     Entwicklung und den voraussichtlichen Bedarf an Unterbringungsplätzen mitzuteilen.

-     Nötig sind klare und zielgerichtete Maßnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung, die rasch und
      wirksam für Entlastung sorgen und den aktuellen unkontrollierten Zuzug effektiv begrenzen. Die
      Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stellen fest, dass der Bund seinen
      Verpflichtungen vom 10. Mai 2023 an dieser Stelle bisher nicht vollumfänglich nachgekommen ist.

-     Für einen wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen sind eine Stärkung von FRONTEX und geeignete
      Grenzschutzmaßnahmen erforderlich, um unerlaubte Einreisen zu reduzieren. Die Bundesregierung
      wird gebeten, ihr Engagement in dem Bereich auszuweiten.

-     Das Ziel muss es sein, dass weniger Menschen nach Europa und nach Deutschland kommen, die
      keine Aussicht auf Bleiberecht haben, und Menschen mit Bleiberecht solidarisch in der EU verteilt
      werden.

-     Darüber hinaus muss der Bund auch die Kapazitäten beim BAMF vor dem Hintergrund der aktuellen
      Zahlen aufstocken sowie die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Rückführung intensivieren.

-     Die Bundesregierung wird aufgefordert, in enger Abstimmung mit den Ländern zeitnah die
      Voraussetzungen zur Einführung einer bundesweit einheitlichen Bezahlkarte zu schaffen und dabei
      die Umsetzbarkeit in den Kommunen sicherzustellen.

-     Die Rückführung abgelehnter Asylbewerbender muss konsequenter erfolgen, insbesondere von
      Personen, die schwere Straftaten oder Gewaltverbrechen verübt haben.

Aus Sicht des DStGB ist es notwendig, dass die Kompetenz für Rückführungen und Abschiebungen ausschließlich beim Bund liegen sollte.

-     Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder stellen fest, dass es auch einer
      Beteiligung des Bundes an den Kosten der abgelehnten Asylbewerbenden bedarf, die bereits in
      Deutschland sind und aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen in Deutschland bleiben. Dies gilt
      insbesondere mit Blick auf die bestehenden Rückführungshindernisse.

Unterbringung, Versorgung und Integration

-     Die Länder bekräftigen, dass weitere Erleichterungen von bau- und vergaberechtlichen Regelungen
      sowohl für Geflüchtetenunterkünfte als auch für soziale Einrichtungen, Schulen und Kitas zeitnah
      umgesetzt werden müssen.

-     Die Integrationsbemühungen für Geflüchtete mit rechtlich gesicherter Bleibeperspektive müssen
      verstärkt auf die Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung ausgerichtet werden.

-     Mit Blick auf den stetig zunehmenden Arbeitskräftemangel ist es nicht länger hinnehmbar, dass
      viele Geflüchtete nicht in Arbeit und Beschäftigung gebracht werden können. Es ist daher dringend
      notwendig, dass die Bundesregierung die bestehenden Hürden für die Arbeitsaufnahme von
      Geflüchteten mit rechtlich gesicherter Bleibeperspektive beseitigt und zudem höhere Mittel für
      Integrations-,Sprach- und Erstorientierungskurse bereitstellt.

-     Um Fehlanreize für einen längeren Verbleib in Deutschland zu senken und um eine gleichmäßige
      und faire Verteilung innerhalb Europas einfacher erreichen zu können, ist durch die
      Bundesregierung zu prüfen, ob und wie eine Harmonisierung von kaufkraftbezogenen
      Sozialleistungsstandards in den EU-Mitgliedstaaten erreicht werden kann.

-     Die Bundesregierung wird insbesondere aufgefordert, effektive Maßnahmen zur Beschleunigung
      der Asylverfahren zu ergreifen, so dass der Anhörungstermin spätestens nach vier Wochen erfolgt
      und die behördliche Entscheidung möglichst bereits während des Aufenthalts in der Erstaufnahme
      getroffen wird.

Digitalisierung und Beschleunigung der Verfahren

-     Die beabsichtigte Stärkung und Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters in eine zentrale
      bundesweite ausländerbehördliche IT-Plattform muss auch Verfahren zur Abwicklung der
      Zuweisung Geflüchteter in die Länder umfassen, um eine gleichmäßige Verteilung entsprechend
      dem Königsteiner Schlüssel sicherzustellen.

-     Bund und Länder haben das gemeinsame Ziel, Asylverfahren für Angehörige von Staaten, für die
      die Anerkennungsquote weniger als fünf Prozent beträgt, zügiger als bisher rechtskräftig
      abzuschließen. Sie werden dafür, sofern nicht vorhanden, die personellen und organisatorischen
      Voraussetzungen schaffen. Zielsetzung ist, das Asyl- und das anschließende Gerichtsverfahren
      jeweils in drei Monaten abzuschließen.

Finanzielle Lastentragung

-     Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bekennen sich zu der gemeinsamen
      Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen für die Übernahme der flüchtlingsbedingten
      Kosten.

-     Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fordern den Bund daher auf, sich wie
      folgt an den Kosten zu beteiligen: eine allgemeine flüchtlingsbezogene Pauschale in Höhe von 1,25
      Mrd. Euro, die die bisherigen Pauschalen, insbesondere für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge
      von bislang 350 Mio. Euro, ablöst und im Übrigen auch Leistungen für Integration abdecken soll.

-     5.000 Euro pro Kopf für Erst- und Folgeanträge als Sockel für Unterbringung und Versorgung sowie
      zusätzlich bei jedem gestellten Asylantrag (Erst- und Folgeanträge) die Übernahme der Kosten von
      der Registrierung bis zur Erteilung eines Bescheides durch das BAMF mit einem Betrag von 1.000
      Euro je Verfahrensmonat sowie für einen weiteren Monat bei ablehnendem Bescheid für Personen,
      die nicht als politisch Verfolgte oder Kriegsflüchtlinge anerkannt wurden; die Höhe der vom Bund zu
      übernehmenden Kosten muss dabei aber mindestens 10.500 Euro pro Person und Jahr betragen.

-     Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fordern den Bund auf zuzusichern, die
      Beträge künftig jährlich an die inflationsbedingten Preissteigerungen anzupassen.

-     Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder halten im Bereich des SGB II außerdem
      die vollständige Übernahme der flüchtlingsbedingen Kosten der Unterkunft (sog. „Flucht-KdU“)
      durch den Bund angesichts der von den Kommunen für sonstige soziale Aufgaben zu tragenden
      Lasten für zwingend erforderlich, um eine angemessene Lastenteilung in einem atmenden System
      herzustellen.

Die vollständigen Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz sind unter https://hessen.de/handeln/mpk abrufbar.

Anmerkung des StGB NRW und des DStGB

Aus Sicht des DStGB sind eine Vielzahl der von der MPK beschlossenen Maßnahmen ausdrücklich zu begrüßen. Eine Neuausrichtung der Migrationspolitik, die den Zuzug begrenzt, besser steuert und die Kommunen bei der Bewältigung dieser Aufgabe nachhaltig und verlässlich entlastet und unterstützt, ist dringend erforderlich.

Dazu gehören mit Blick auf die am 6.11. bevorstehende Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler insbesondere folgende Forderungen, die sich zu einem großen Teil mit den Forderungen der MPK decken:

-     Eine Begrenzung des Zustroms auf die tatsächlich Schutzbedürftigen,

-     eine faire Verteilung der Flüchtlinge – auch aus der Ukraine – innerhalb der EU,

-     ein wirksamer Schutz der Außengrenzen der EU mit den Möglichkeiten, schon dort Asylverfahren
      insbesondere für Personen, die voraussichtlich keine Bleibeperspektive haben, durchzuführen,

-     eine Harmonisierung der Integrations- und Sozialleistungen innerhalb der EU,

-     die konsequente Abschiebung von ausreisepflichtigen Personen,

-     die Beschleunigung der Asyl- und Gerichtsverfahren,

-     ein Frühwarnsystem (Lagezentrum), das über ankommende Personen informiert, um die
      Planbarkeit zu verbessern,

-     die deutliche Ausweitung der Erstaufnahme- und Rückführungseinrichtungen, sodass nur Personen
      mit Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden,

-     die Entlastung der für die Aufnahme und Integration von Geflüchteten zuständigen kommunalen
      Behörden durch Entbürokratisierung, die Digitalisierung und Vereinfachung der Verwaltungsabläufe,

-     die dauerhafte Finanzierung von Bund (und Ländern) für Unterbringung, Versorgung und
      Integration (inkl. Kita- und Schulplätzen).

-     Die Arbeitsaufnahme sollte zeitnah nach der Verteilung auf die Kommunen möglich sein. Der Bund
      ist aufgefordert, die Bemühungen von Arbeitgebern zu unterstützen, Sprachkurse sowie
      berufsbegleitende Sprachkurse flächendeckend anzubieten sowie die Anerkennung von
      Berufsqualifikationen und -abschlüssen deutlich zu beschleunigen.

-     die Verbesserung der Sprach- und Integrationsangebote des Bundes durch Standardabbau und
      Entbürokratisierung,

-     Unterstützung der Kommunen bei der Zurverfügungstellung von geeignetem Wohnraum,

-     eine nachhaltige Finanzierung durch Bund und Länder (für die Unterbringung, Versorgung und
      Integration inkl. Kita- und Schulplätzen und Vorhaltekosten), die sich an tatsächliche
      Migrationsbewegungen anpasst.

Mittel- und langfristig ist es aus Sicht des DStGB erforderlich, dass die Finanzierung der Aufgabe Migration (Unterbringung, Versorgung, Integration) im Grundgesetz als Gemeinschaftsaufgabe (Art. 91 a GG) abgesichert ist. Damit einhergehen sollte die Einführung eines Migrationsgesetzbuchs, welches alle bestehenden Regelungen in einem Gesetz zusammenführt und harmonisiert. In diesem Migrationsgesetzbuch sollen auch Zuständigkeiten neu geregelt werden, sodass für Rückführungen und Abschiebungen zukünftig der Bund zuständig sein soll.

Quelle: DStGB Aktuell 4223 vom 20.10.2023

Az.: 16.1.1-003/001

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