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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 210/2004 vom 16.02.2004
Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht zur Gewerbeabfallverordnung
Die Geschäftsstelle hatte in den Mitteilungen vom Januar 2004 Nr. 75 zuletzt darüber berichtet, dass das VG Stuttgart mit Urteil vom 24.10.2003 (Az.: 19 K 2192/03 - nicht rechtskräftig) den Rechtsstandpunkt eingenommen hat, aus § 7 Satz 4 Gewerbeabfallverordnung ergebe sich keine generelle Pflicht für Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen eine Pflicht-Restmülltonne in Benutzung zu nehmen. Vielmehr sei ein konkreter Nachweis erforderlich, dass überlassungspflichtige Abfälle zur Beseitigung anfielen.
Das Urteil des VG Stuttgart vom 24. Oktober 2003 (Az.: 19 K 2192/03) ist mittlerweile im Rahmen eines Sprungrevisions-Verfahrens beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (Az.: 7 C 25.03). Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsauffassung der VG Stuttgart folgt. Für das Land Nordrhein-Westfalen liegen bislang keine verwaltungsgerichtlichen Urteile oder Beschlüsse zur Gewerbeabfall-Verordnung vor.
Der vom VG Stuttgart eingenommene Rechtstandpunkt führt dazu, dass die am 1.1.2003 in Kraft getretene Gewerbeabfall-Verordnung im Zweifelsfall ins Leere läuft, d.h. sich durch die Gewerbeabfall-Verordnung keine Änderung der Rechtslage auf der Grundlage des am 7. Oktober 1996 in Kraft getretenen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ergeben hat. Diesem Rechtsstandpunkt kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
Die Gewerbeabfall-Verordnung dient dazu, die ordnungsgemäße, schadlose und hoch-wertige Verwertung von Abfällen weiter voranzubringen. Vor diesem Hintergrund hat die Pflicht für Abfallbesitzer/-erzeuger von gewerblichen Siedlungsabfällen in § 7 Satz 4 GewAbfV mindestens einen Restabfallbehälter des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu nutzen, eine eigenständige Bedeutung gegenüber den Regelungen in § 7 Satz 1 bis 3 GewAbfV, wo lediglich die schon nach §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 KrW-/AbfG bestehende Rechtslage wiedergegeben wird. Ein Verstoß gegen die Maßgabe in § 7 Satz 4 GewAbfV stellt nach § 11 Nr. 9 GewAbfV sogar eine Ordnungswidrigkeit dar. Eine ander-weitige Auslegung der Regelungssystematik in § 7 GewAbfV, etwa eine optionale, d.h. in das Belieben des gewerblichen Abfallerzeugers/-besitzern, gestellte Nutzung des Restabfall-behälters des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, würde demnach dem Sinn und Zweck der Gewerbeabfall-Verordnung nicht gerecht, da der Verordnungsgeber sich dann die umfangreichen Regelungen insbesondere zur Getrennthaltung von Abfällen in der Gewerbeabfall-Verordnung (§ 3, 4, 6 und 8 GewAbfV) hätte gänzlich ersparen können. Denn es macht keinen Sinn eine Rechtsverordnung zur Absicherung des Kreislauf- und Abfallwirtschaft zu erlassen, die im Ergebnis den vor dem Erlass der Rechtsverordnung bestehenden Rechtszustand unverändert fortbestehen lässt und damit einem Nullsummen-spiel gleichkommt. Eine solche Absicht hat der Bundes-Verordnungsgeber nachweislich der Verordnungs-Begründung auch nicht verfolgt (vgl. BT-Drucksache 14/7328, S. 1; Versteyl in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 2. Aufl. 2003, Einl. Rz. 168ff., Rz. 170; Rühl, Abfallrecht 2002, S. 14ff.; Schink, UPR 2002, S. 401ff., S. 407ff.; Dieckmann, AbfallRecht, 2003, S. 15ff. und 2002, S. 20ff.; Queitsch, Gewerbeabfall-Verordnung, Systematische Darstellung, 1. Auf. 2003, S. 11, S. 34; ders. Abfallrecht 2003, S. 289ff.).
In diesem Zusammenhang darf auch nicht verkannt werden, dass § 7 Satz 4 GewAbfV die Folge der Getrennthaltungspflichten in § 3 GewAbfV und der Ermächtigungsgrundlage in §§ 7 Abs. 1 Nr. 2, 12 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG an die Bundesregierung ist, Anforderungen, d.h. Vorgaben, für die Getrennthaltung von Abfällen zu regeln. Die Befugnis nach § 7 Abs.1 Nr. 2 KrW-/AbfG Anforderungen an die Getrennthaltung von Abfällen zu regeln soll dabei insbesondere im Interesse einer sortenreinen Verwertung Vermischungen und Verunreini-gungen der Abfälle vorbeugen und dient damit der Konkretisierung der Maßgabe in § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG, wonach Abfälle zur Verwertung untereinander getrennt zu halten sind, wenn anderenfalls die Verwertung bestimmter Abfälle z.B. durch Verschmutzung zu nichte gemacht wird. Eben diese Maßgabe in § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG, die in § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG auch für Abfälle zur Beseitigung geregelt ist, bedurfte einer Konkretisierung durch die Gewerbeabfall-Verordnung, zumal diese allgemeinen Trennungsvorgaben in § 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG anderenfalls praktisch ins Leere gingen (vgl. Kunig in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, Kommentar, 2. Aufl. 2003, § 5 Rz. 16; Mann in: Jarass/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG. Loseblatt-Kommentar, § 7 Rz. 32; Queitsch, Gewerbeabfall-Verordnung, Systematische Darstellung, a.a.O. , S. 34f.)
In diesem Zusammenhang hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15.6.2000 (Az.: 3 C 4.00, NVwZ 2000; S.1178f.) darauf hingewiesen, dass das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zwar kein generelles Vermischungsverbot für Abfälle zur Beseitigung und Abfälle zur Verwertung, sondern nur relative Getrennthaltungsgebote (§§ 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG) kenne, gleichwohl eine Getrennthaltung von Abfällen zur Verwertung und Abfällen zur Beseitigung verlangt werden könne, wenn unter anderem durch Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG durch den Verordnungsgeber Anforderungen an die Getrennthaltung von Abfällen aufgestellt werden. Dieser Regelungsmöglichkeit ist der Bundes-Verordnungsgeber mit der Gewerbeabfall-Verordnung nachgekommen (vgl. Frenz, WiVerw 2003, S. 33ff., S. 39, wonach das BVerwG seine Grundsätze quasi mit einem Verfallsdatum belegt hat, falls eine Konkretisierung durch Rechtsverordnung erfolgt).
Schließlich bleibt anzumerken, dass sich über die Gewerbeabfall-Verordnung hinaus zusätzlich nach einer weiteren neueren Rechtsprechung die Pflicht zur Benutzung eines Restmüllgefäßes des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ergeben kann, wenn der gewerbliche Abfallbesitzer/-erzeuger die bei ihm anfallenden Abfälle lediglich einer energetischen Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage zuführt. Denn nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. EuGH, Urteil vom 13.2.2003 - Az.: C 228/00 - , NVwZ 2003, S. 455; EuGH, Urteil vom 13.2.2003 Az.: C 458/00 NVwZ 2003, S. 457; EuGH, Urteil vom 3.4. 2003 - Az.: C 116/01) ist eine energetische Verwertung von Abfällen in einer Müllverbrennungsanlage grundsätzlich nicht möglich, weil es sich bei einer Müllverbrennungsanlage um eine Abfallbeseitigungsanlage handelt. Auf dieser Grundlage hat das OVG des Saarlandes jedenfalls in seinem Urteil vom 22.8.2003 (Az.: 3 R 1/03 ( 3 Q 71/01)) festgestellt, dass nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage nicht möglich ist und deshalb die Entsorgung von ölverschmierten Abfällen in einem Müllheizkraftwerk nur als Beseitigungs- und nicht als Verwertungsverfahren eingestuft werden könne. In gleicher Weise hat das VG Stuttgart mit Urteil vom 21.10.2003 (Az.: 13 K 4448/99) entschieden. In diesem Verfahren ist eine Drogeriemarktfiliale ohne Rückgriff auf die Gewerbeabfall-Verordnung verpflichtet worden, ein 120 Liter Restmüllgefäß des öffentich-rechtlichen Entsorgungsträgers in Benutzung zu nehmen, weil eine energetische Verwertung in einer Müllverbrennungsanlage durch das VG Stuttgart in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als unzulässig eingestuft worden ist
Az.: II/2 31-02 qu/g