Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 94/2012 vom 15.12.2011

Sachstand zur Dichtheitsprüfung nach § 61 a Landeswassergesetz NRW

Der Umweltausschuss des NRW-Landtages hat am 14.12.2011 mit den Stimmen der Landtags-Fraktionen der FDP, der Linken und der CDU mehrheitlich beschlossen, der Landtag solle die Landesregierung auffordern, die Regelung zur Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen (§ 61 a Abs. 3 bis 6 LWG NRW) auszusetzen. Vor der Abstimmung konnte nicht mehr geklärt werden, ob ein solcher Beschluss verfassungsgemäß ist, weil eine Landesregierung ein Gesetz (§ 61 a LWG NRW), das vom Landtag im Jahr 2007 beschlossen worden ist, lediglich vollziehen aber nicht aussetzen kann.

Ebenso hatte im Vorfeld der Abstimmung der Umweltminister des Landes NRW, Johannes Remmel, ausgeführt, dass den Forderungen aus der gemeinsamen Landtags-Entschließung 15/2165 der Landtags-Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 29.06.2011 nachgekommen worden sei. Insbesondere sei in einem vorbereiteten Faltblatt des Ministeriums zu den Methoden der Dichtheitsprüfung die drucklose Durchflussprüfung enthalten. Zugleich sei ein NRW-Merkblatt zur drucklosen Durchflussprüfung auf der Grundlage eines Merkblattes aus Bayern erarbeitet worden.

Ab dem 01.01.2012 soll es außerdem ein neues Förderprogramm des Landes NRW geben, wonach für die Sanierung von defekten privaten Abwasserleitungen ein zinsverbilligtes Darlehen der NRW.Bank mit einem Zinssatz von ca. 1 % beantragt werden kann. Herr Minister Remmel wies darauf hin, dass die Regelung zur Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen seit dem 01.01.1996 in Nordrhein-Westfalen gelte.  Die rot-grüne Landesregierung habe die Regelung als § 45 LBauO NRW im Jahr 2000 angepasst und die schwarz-gelbe Landesregierung habe die Regelung im Jahr 2007 als § 61 a LWG NRW in das Landeswassergesetz übertragen.

Umweltminister Remmel kündigte weiter an, dass im Januar 2012 ein Gesetzentwurf zur Änderung des § 61 a LWG NRW vorgelegt werden soll. In dem Gesetzentwurf soll auch der Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen werden. Mit dieser Rechtsverordnung soll in allen Punkten Klarheit geschaffen werden. Die Rechtsverordnung soll mit Zustimmung des Landtages erlassen werden.

Der Städte- und Gemeindebund NRW bedauert, dass die Städte und Gemeinden und auch die Grundstückseigentümer bei dem Thema „Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen“ bereits seit März des Jahres 2011 stetig verunsichert werden. Im Interesse derjenigen Grundstückseigentümer, welche eine Dichtheitsprüfung und sogar eine Sanierung einer defekten Abwasserleitung durchgeführt haben, ist Verlässlichkeit besonders wichtig, damit gesetzestreue Grundstückseigentümer nicht nachträglich enttäuscht werden. Der Städte- und Gemeindebund NRW sieht es als notwendig an,  dass die Stadt- und Gemeindeverwaltungen und die Gemeinderäte, die das Gesetz vor Ort umsetzen müssen, auf Beständigkeit vertrauen können.

Soweit ein Gesetzentwurf im Januar 2012 vorgelegt wird, sollte dieser alsbald beraten und verabschiedet werden. Das Umweltministerium des Landes NRW hat in der 2. Jahreshälfte 2011 die Forderungen aus dem Entschließungsantrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der CDU-Landtagsfraktion (Entschließungsantrag 15/2165) aufgegriffen und damit eine Grundlage geschaffen. Durch den Städte- und Gemeindebund NRW wurde in diesem Zusammenhang mit dem Umweltministerium auch eine überarbeitete Mustersatzung vorbereitet, die aber aufgrund der Entwicklung im Landtag am 14.12.2011 nun vorerst nicht herausgegeben wird.

Den Städten und Gemeinden wird zunächst empfohlen, den Gesetzentwurf der Landesregierung im Januar 2012 abzuwarten.

Erlassene und bestehende Satzungen zu § 61 a LWG NRW sollten aufrecht erhalten bleiben, weil § 61 a LWG NRW nach wie vor gültiges Landesrecht ist und er auch durch den Beschluss des Umweltausschusses des Landtages am 14.12.2011 keine Änderung erfahren hat.

Für diejenigen Städte und Gemeinden, die noch keine Satzungen auf der Grundlage des § 61 a Abs. 5 LWG NRW erlassen haben, wird die Empfehlung gegeben, ebenfalls erst einmal die weitere Entwicklung abzuwarten.

Diese Empfehlung ergeht vor dem Hintergrund, dass gesetzlich ohnehin für jede bestehende Abwasserleitung, die Schmutzwasser führt und die noch nie auf Dichtheit geprüft worden ist, gilt, dass diese bis zum 31.12.2015 erstmalig auf Dichtheit geprüft worden sein muss. Hiernach verbleibt noch genügend Zeit (nahezu 4 Jahre), um etwa die gesetzliche Frist durch den Erlass einer Satzung zu verlängern. Ebenso kann über eine Verkürzung der gesetzlichen Frist noch im Jahr 2012 oder 2013 entschieden werden, wenn der Landtag NRW endlich Klarheit geschaffen hat.

Im Rahmen der Unterrichtungs- und Beratungspflicht der Städte und Gemeinde im Hinblick auf die Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen (§ 61 a Abs. 5 Satz 4 LWG NRW) empfiehlt es sich außerdem, die Grundstückseigentümer z. B. durch die Lokalzeitung darauf hinzuweisen, dass eine Dichtheitsprüfung erst dann durchgeführt werden sollte, wenn zuvor mit der Stadt oder Gemeinde Rücksprache genommen worden ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zunächst abgewartet werden muss, wie der Landtag im 1. Quartal 2012 entscheiden wird.

Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass defekte Abwasserleitungen auch auf der Grundlage des Wasserhaushaltgesetzes des Bundes saniert werden müssen (§ 60 Abs. 2 WHG). Insoweit gibt es keine Ersatzansprüche gegen eine Stadt oder Gemeinde, wenn ein Grundstückseigentümer eine private Abwasserleitung, die Schmutzwasser führt, saniert hat, weil diese defekt war, denn mit dieser Sanierung hat der Grundstückseigentümer seine gesetzliche Pflicht erfüllt, dass private Abwasserleitungen dicht sein müssen (§ 60 Abs. 1 WHG, § 61 a Abs. 1 LWG NRW).

Im Übrigen trifft den Grundstückseigentümer nach § 53 Abs. 1 c LWG NRW eine Abwasserüberlassungspflicht für das Schmutzwasser gegenüber der Stadt bzw. Gemeinde, die er erfüllen muss. Schmutzwasser darf deshalb durch defekte private Abwasserleitungen nicht auf dem Grundstück versickern, weil dieses nicht nur zu schädlichen Bodenveränderungen führen kann, sondern auch das Grundwasser verschmutzt werden kann, welches insbesondere in Wasserschutzgebieten die Grundlage für die öffentliche Trinkwasserversorgung bildet. Insoweit hat auch das OVG NRW in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass der Anschluss an das öffentliche Kanalnetz der Volksgesundheit dient (vgl. zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 14.12.2010 — Az.: 15 A 1290/10 ; OVG NRW, Beschluss vom 2.11.2010 — Az.: 2.11.2010 — jeweils abrufbar unter: www.nrwe.de ).

Auch das am 01.03.2010 in Kraft getretene Wasserhaushaltsgesetz des Bundes verpflichtet den Betreiber einer privaten Abwasserleitung, deren Zustand zu überprüfen (§ 61 Abs. 2 WHG). Eine Frist für diese Prüfung hat der Bundesgesetzgeber allerdings nicht geregelt. Ebenso hat der Bund hierzu bislang keine Rechtsverordnung erlassen, die diese Pflicht konkretisiert (§ 61 Abs. 3 WHG).

Bis zum Erlass einer bundesrechtlichen Verordnung gelten die landesrechtlichen Regelungen wie § 61 Abs. 3 bis 6 a LWG NRW zunächst fort, weil der Bund erst einmal bundesrechtliche Vollregelungen schaffen muss. Im Gesetzgebungsverfahren zum Wasserhaushaltsgesetz bestand immer Klarheit darüber, dass landesgesetzliche Regelungen zum Wasserrecht weiter gelten, bis der Bund neue, eigene Vollregelungen schafft, damit es nicht zu Schutzlücken im Wasserrecht kommt, welches durchgängig vom sog. Vorsorgeprinzip getragen ist.

In diesem Zusammenhang sind außerdem auch ausfüllende Landesregelungen denkbar, die etwa die Überwachungspflicht bei privaten Abwasserleitungen (§ 61 Abs. 2 WHG) landesrechtlich unter zeitlichen Gesichtspunkten konkretisieren (vgl. BT-Drucksache 16/12275, S. 41; Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Aufl. 2011, Einl. zum WHG, Rz. 38ff., 39f. ; Queitsch in: Wellmann/Queitsch/Fröhlich, WHG, Kommentar, 1. Aufl. 2010, § 61 WHG Rz. 7).

Ähnliche landesrechtliche Regelungen wie in Nordrhein-Westfalen bestehen in den Landeswassergesetzen der Bundesländer Hessen und Hamburg. Schlussendlich wird darauf hingewiesen, dass das Ableiten von Schmutzwasser durch defekte private Abwasserleitungen in den Boden den Straftatbestand der Gewässerverunreinigung (§ 324 Strafgesetzbuch) erfüllen kann, weil auch das Grundwasser als Gewässer anzusehen ist. Die Geschäftsstelle wird über den weiteren Fortgang berichten.

Az.: II/2 24-39 qu-qu

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