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StGB NRW-Mitteilung vom 19.12.2024
Sachverständigenrat Migration zur Umsetzung des Migrations- und Asylpakets der EU
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) warnt die neue Europäische Kommission in einem aktuellen Positionspapier davor, das gerade beschlossene Migrations- und Asylpakets nachzuverhandeln. Stattdessen müsse die Kommission dringend auf die Mitgliedstaaten einwirken, die Reform der europäischen Asylpolitik gemeinschaftlich zeitnah umzusetzen. Weiter wird in dem Papier die Stärkung von Solidarität und Rechtsstaatlichkeit zwischen Mitgliedstaaten eingefordert. Zudem kommen die Autoren zu dem Fazit, dass jene Kommunen, die früher Strukturen und Ressourcen zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen aufgebaut hätten, schneller und pragmatischer auf Flüchtlingswellen reagieren würden. Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes können viele Kommunen nur Strukturen und Ressourcen für künftige Flüchtlingswellen ausbauen, wenn Bund und Länder dauerhaft bei der Vorhaltung von entsprechenden Kapazitäten unterstützen.
Die Europäische Union hat sich am 19. Dezember 2023 auf eine grundlegende Reform des Asylsystems geeinigt. Das kürzlich beschlossene Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zielt darauf ab, die Verantwortung für Schutzsuchende innerhalb der EU gerechter zu verteilen und die Verfahren an den Außengrenzen zu beschleunigen. Ein flexibler Solidaritätsmechanismus und menschenrechtskonforme Maßnahmen sind zentrale Elemente der Reform.
Der SVR betont in seinem Papier die Notwendigkeit einer zügigen und umfassenden Umsetzung der Reform, um nationale Alleingänge zu vermeiden und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssten gemeinsam handeln, um eine nachhaltige Migrationssteuerung zu gewährleisten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.
Was wird in dem Papier gefordert?
Der SVR schlägt eine Plattform für den europaweiten Austausch zwischen Kommunen vor. Diese solle das Ziel verfolgen, den Aufbau von Strukturen in den Kommunen zu fördern und schnelle, pragmatische Lösungen für Kapazitäten zu finden.
Investitionen in Teilhabechancen und soziale Infrastruktur würden allen Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen. Gleichzeitig verbessere eine solche Infrastruktur die Voraussetzung für eine schnelle und nachhaltige Integration von Zugewanderten. Neben spezifischen Maßnahmen zur Unterstützung von Flüchtlingen sei es daher wichtig, auch die Regelsysteme umzugestalten. Dazu müssten unter anderem Bildungssysteme und Gesundheitsversorgung bedarfsgerecht und qualitativ ausgebaut werden, damit diese diversitätssensibel auf die Bedarfe unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen reagieren könnten.
Die zügige und umfassende Umsetzung der GEAS-Reform sei entscheidend, um eine nachhaltige und menschenrechtskonforme Asylpolitik in der EU zu gewährleisten. Dies umfasse die Einführung eines flexiblen Solidaritätsmechanismus und eines beschleunigten Verfahrens an den Außengrenzen.
Die EU solle nach Ansicht des SVR weiter partnerschaftliche Migrationsabkommen mit Drittstaaten abschließen, die eine Balance zwischen Migrationskontrolle und Zuwanderungsmöglichkeiten finden würden. Eine einseitige Auslagerung der Asylverfahren werde abgelehnt. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten zudem legale Migrationswege ausbauen und die Integration von Migranten insbesondere in den Arbeitsmarkt aktiv gestalten. Dies sei angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels besonders wichtig.
Die öffentliche und politische Debatte über Migration und Asyl solle sachlich und lösungsorientiert geführt werden, um Ängste und Ablehnung in der Bevölkerung zu reduzieren und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Anmerkung des DStGB und des StGB NRW
Ob ein Nachverhandeln des beschlossenes Migrations- und Asylpakets durch die neue EU-Kommission zeitnah möglich ist, erscheint fragwürdig, wenn man bedenkt, wie lange zum letzten Paket verhandelt worden ist. Das viele EU-Staaten weitergehende Maßnahmen gegen die irreguläre Migration fordern, ist bereits lange bekannt. Auch in Deutschland hat sich die Debatte seit den Anschlägen von Mannheim und Solingen verändert. Die zeitnahe Umsetzung der GEAS-Reform durch die Mitgliedstaaten sollte jedoch zunächst das vorrangige Ziel der Kommission sein. Denn diese Maßnahmen dürften bereits zu Verbesserungen bei der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen führen. Wichtiger erscheint jedoch, das Dubliner Übereinkommen zu reformieren. Nach diesem völkerrechtlichen Vertrag wird bestimmt, welcher Staat für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft gestellten Asylantrags zuständig ist. Formal ist das Übereinkommen weiterhin gültig, wird jedoch faktisch nicht mehr angewendet. Leider wurde das Verfahren im Rahmen der Verhandlungen zum Migrations- und Asylpakets nicht überarbeitet. Dies führt in der Praxis dazu, dass Rückführungen in Länder wie Italien nicht mehr erfolgen.
Aus kommunaler Sicht ist zudem wichtig, eine Integrationsoffensive zu starten. Dies könnte bspw. bedeuten, Menschen mit festgestellter Bleibeperspektive vorrangig Zugang zum Arbeitsmarkt einzuräumen und Bürgergeld erst zukommen zulassen, wenn die Jobsuche aufgrund der Qualifikation sich als schwierig erweist. Denn dann erst macht es Sinn, alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente voll auszuschöpfen. Ebenso sollten fehlende Dokumente zur beruflichen Qualifikation durch Leistungsüberprüfungen in der Praxis stärker kompensierbar sein. Mit Blick auf den wachsenden Arbeits- und Fachkräftemangel in Deutschland müssen die Menschen unbürokratischer auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Dies beschleunigt auch sprachlich bzw. kulturell die Integration vor Ort.
Das vollständige Positionspapier ist zu finden unter: www.svr-migration.de
Az.: 16.1.1-014/001