Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 517/2014 vom 04.08.2014

Schutz vor Katastrophenregen

In den letzten Wochen sind vielerorts sog. Katastrophenregen (urbane Sturzfluten) aufgetreten. Gemeint sind damit sehr lokal begrenzt auftretende und außergewöhnlich starke Regen-Ereignisse, bei denen in kürzester Zeit (z.B. innerhalb einer halber Stunde) so viel Regen fällt, wie ansonsten in mehreren Monaten insgesamt. Die Folge dieser auch von den Wetterdiensten bislang kaum örtlich präzise vorhersagbaren Katastrophenregen ist, dass nicht nur die öffentlichen Abwasserkanäle das Regenwasser nicht mehr aufnehmen können. Regenwasser läuft ebenso aus völlig überlasteten Dachrinnen über und spritzt aus Regenfallrohren heraus, weil diese aufgrund ihrer Dimensionierung nicht mehr in der Lage sind, dass Regenwasser nach unten wegzuführen. Hierdurch werden dann nicht nur die Grundstücke überflutet, sondern auch die öffentlichen Straßen. Ganze Straßen und Privatgrundstücke stehen in der Folge unter Wasser, wobei dieses Wasser auch in die Keller oder Tiefgaragen der Gebäude eindringt. Die Geschäftsstelle weist hierzu auf Folgendes hin:

Nicht für jedes Regenereignis tritt nach der Rechtsprechung eine Haftung der Stadt bzw. Gemeinde ein. So hat der der BGH (Urt. vom 22. 4. 2004 —, Az.: III ZR 108/03 — BGHZ 159, S. 19 ff.) entschieden, dass bei einem sehr seltenen Starkregen mit einer Wiederkehrzeit von 100 Jahren der haftungsausschließende Einwand der „höheren Gewalt“ durch die Gemeinde geltend gemacht werden kann. Das Landgericht Trier hat in einem Urteil vom 21. 5. 2007  (Az.: 11 O 33/06) unter Bezugnahme auf ein Urteil des OLG München (Urt. vom 12. 11. 1998 — Az.: 1 U 6040/95) festgehalten, dass bei einem Starkregenereignis mit einer Wiederkehrzeit von einmal in 25 Jahren bis einmal in 30 Jahren höhere Gewalt angenommen werden kann, so dass eine Haftung der Gemeinde sowohl nach § 2 Haftpflichtgesetz als auch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) ausscheidet. Diese Wertung des LG Trier ist durch das OLG Koblenz (Az.: 1 U 787/07) in einem Hinweisbeschluss mitgetragen worden, woraufhin der Kläger die Klage zurücknahm. Gleichwohl liegt einschlägige Rechtsprechung des BGH zu diesen Fragestellungen bislang nicht vor. Dieses gilt insbesondere für die Frage, wann im unteren Jahresbereich die haftungsausschließende „höhere Gewalt“ angenommen werden kann. Der BGH hat in einem Urteil vom 11. 3. 2004 (Az.: III ZR 274/03 — BADK-Information 1/2005 S. 42) die Annahme von höherer Gewalt bei einer Wiederkehrhäufigkeit von höchstens alle 14 Jahre jedenfalls verneint.

Allerdings haben das OLG Dresden (Urteil vom 31.07.2013 Az.: 1 U 1156/11 — BADK-Information 4/2913, S. 215 ff., S. 216 f.) sowie das OLG Koblenz mit Beschluss vom 27. 7. 2009 (Az.: 1 U 1422/08) entschieden, dass eine abwasserbeseitigungspflichtige Gemeinde die Dimensionierung ihres Kanalnetzes nicht auf einen Jahrhundertregen auslegen muss, d.h. die Gemeinde grundsätzlich nicht gehalten ist, das Kanalnetz auf katastrophenartige Unwetter auszurichten (vgl. BGH, Urt. vom 18. 2. 1999 — Az.: III ZR 272/96 — VersR 1999 S. 1412; Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl. 2007 Rz. 1249 ff., Rz. 1258 f.; Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl 2013 Rz. 945 f.; Queitsch, StGRat 12/2013, S. 21 ff.).

Es kann von der Gemeinde nicht erwartet werden, dass sie für jeden, also auch erheblich über dem Durchschnitt liegenden Regen ein überdimensioniertes Kanalnetz baut, weil dieses budgetmäßig nicht vertretbar ist (vgl. BGH, Urt. vom 18. 2. 1999 — Az.: III ZR 272/96 — VersR 1999 S. 1412; Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaftung, 4. Aufl. 2007 Rz. 1249 ff., Rz. 1258 f.; Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl 2013 Rz. 945 f.; Queitsch StGRat 2013, S. 21 ff.). Die Gemeinde muss ebenso den abgabenrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten beachten. Dieser Grundsatz beinhaltet einen Anspruch des gebührenpflichtigen Benutzers darauf, nicht mit übermäßigen oder überflüssigen Kosten belastet zu werden. Ein öffentliches Kanalnetz, welches auf Katastrophenregen ausgerichtet ist, würde die Regenwassergebühr erheblich ansteigen lassen, weil sich die enormen Baukosten für solche Kanäle über die kalkulatorische Abschreibung der Kanäle (z. B. über 50 Jahre) auf die Höhe der Regenwassergebühr erheblich auswirken würden. Die Akzeptanz der Regenwassergebühr würde sicherlich nicht gefördert, wenn diese durch eine erhebliche Vergrößerung der Kanaldimensionen im Jahr etwa auf 5,00 € pro Quadratmeter bebauter und/oder befestigter Grundfläche ansteigen würde. Zurzeit liegt die Regenwassergebühr in den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen jedenfalls noch in der Spannbreite zwischen 0,20 € und 1,90 € pro Quadratmeter und Jahr. Gleichwohl müssen es Grundstückseigentümer nach der bislang ergangenen Rechtsprechung ebenso nicht hinnehmen, einmal jährlich einer Überschwemmung ausgesetzt zu sein (vgl. BGH, Urt. vom 11. 7. 1991 — Az.: III ZR 177/90 — NJW 1992 S. 39 ff.; BGH, Urt. vom 18.2.1999 — Az.: III ZR 272/96 —, VersR 1999 S. 1412; Sprau in: Palandt, BGB, Kommentar, 72. Aufl. 2013, § 839 BGB Rz. 91).

Insgesamt sollte die Stadt/Gemeinde dennoch die Zunahme der sog. Katastrophenregen sorgfältig im Blick behalten. Es kann nicht erwartet werden, dass eine sofortige und gleichzeitige Anpassung aller öffentlichen Abwasserkanäle erfolgt, weil dieses die wirtschaftliche und personelle Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden bei weitem übersteigen würde. Vielmehr ist hier auch die Eigenvorsorge jedes Einzelnen gefordert (so zutreffend: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl. 2013, Rz. 962).

Je größer allerdings im konkreten Einzelfall die Gefahr und die möglichen Schadensfolgen sind, um so eher, kann eine Anpassung auch für einzelne sog. Altanlagen angezeigt sein (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 31.07.2013 — Az.: 1 U 1156/11 — BADK-Information 4/2913, S. 215 ff., S. 217). Dabei sind bei der Bestimmung des Umfangs der Nachrüstungspflicht aber wiederum wirtschaftliche Gesichtspunkte sowie die Zeit zu berücksichtigen, die seit der Errichtung der konkreten Anlage vergangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 2.3.2010 — Az.: VI ZR 223/09 — NJW 2011, S. 1967; Rotermund/ Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Aufl. 2013, Rz. 945).

Es empfiehlt sich, dass die Stadt/Gemeinde die Grundstückseigentümer bzw. die  Mieter/Pächter darauf hinweist, dass ein Versicherungsschutz gegen Schäden durch sog. Katastrophenregen grundsätzlich möglich ist. Hierzu gehört eine Wohngebäude-versicherung, die nicht nur Schäden durch Leitungswasser, sondern auch Schäden durch Wasser abdeckt, welches von außen in das Gebäude eindringt. Mit der Wohngebäudeversicherung ist ein Haus standardmäßig nur gegen Schäden durch Brand, Blitzschlag, Sturm, Hagel und Leitungswasser versichert. Wassermassen, die von außen kommen, gelten als Elementarschäden. Hierfür gibt es aber bei der Wohngebäudeversicherung Zusatzmodule (Zusatzpolicen), die auch Schäden durch Überschwemmungen des Gebäudes von außen abdecken (die sog. Elementarschadens-versicherung; vgl. hierzu auch das Informationsblatt „Schutz vor Überschwemmung und Hochwasser“ des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. GDV — www.gdv.de - Stichwort: Elementarschadensversicherung). Zusätzlich sollte der Grundstückseigentümer aber ebenso der Mieter/Pächter seine Hausratversicherung darauf überprüfen, ob diese auch etwaige Überschwemmungsschäden (Elementarschäden) einschließt, denn auch hier ist in der Regel eine Ergänzung der Hausratpolice gegen die Folgen von Überschwemmungen möglich.

Das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz und das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg haben gemeinsam mit dem Informations- und Beratungszentrum Hochwasservorsorge Rheinland-Pfalz und der WBW GmbH im Jahr 2013 eine Broschüre unter dem Titel „Starkregen — Was können Kommunen tun?“ herausgegeben. In der Broschüre werden u. a. Maßnahmen gegen Überflutung der öffentlichen Kanalisation und der Bauvorsorge aufgezeigt. Die 52seitige Broschüre ist im Intranet des StGB NRW unter Fachinfo/Service ≥ Fachgebiete ≥ Umwelt, Abfall und Abwasser unter dem Dateinamen „Broschüre Starkregen“ zum Abruf bereitgestellt. Auch der Praxisleitfaden zur Überflutungsvorsorge der DWA (Stand: August 2013 -  „Starkregen und urbane Sturzfluten“ zeigt, wie Gebäude gegen Überflutung von außen geschützt werden können.

 

 

 

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