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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 610/1996 vom 20.12.1996
Sogenannte Bagatellgrenze bei Abwassergebühren
Wollen Sie in Ihrer Entwässerungsgebührensatzung eine Bagatellgrenze für abzusetzende Wassermengen beibehalten oder einführen, so empfehlen wir Ihnen, diese Bagatellgrenze auf 15 m 3 festzulegen.
In den Mitteilungen Nr. 343 vom 20. Juli 1995 und Nr. 376 vom 05. August 1995 hatten wir über den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 1995 - 8 N 3.93 - informiert. Mit dieser Entscheidung hatte der 8. Senat des BVerwG seine bisherige Rechtsprechung zu den sogenannten Bagatellgrenzen in Entwässerungsgebührensatzungen geändert und den bisher akzeptierten Grenzwert von 60 m 3 als rechtswidrig angesehen. Auf der Grundlage entsprechender Ausführungen in dem Beschluß des BVerwG hatten wir damals empfohlen, bis auf weiteres von einem Grenzwert von 20 m 3 auszugehen.
Diese Entscheidung war aufgrund eines Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen OVG im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens ergangen. Der 9. Senat des Niedersächsischen OVG hat dieses Verfahren durch inzwischen rechtskräftiges Urteil vom 14. November 1995 - 9 K 5063/95 - (= 9 K 2005/92) - beendet und die einschlägige Satzungsbestimmung, die eine Bagatellgrenze von 60 m 3 pro Jahr vorsah, für nichtig erklärt. Ausdrücklich hat der Senat darauf hingewiesen, er habe keine Veranlassung gesehen, die rechtliche Zulässigkeit eines Grenzwertes von 20 m 3 abschließend zu prüfen. Allerdings hat der Senat auf folgendes hingewiesen:
"Wie schon gesagt, würden die aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Einwände, die gegen einen satzungsmäßigen Grenzwert von 60 Kubikmetern durchschlagen, im Falle eines deutlich niedrigeren Grenzwertes erheblich an Gewicht verlieren. Das gilt auch in bezug auf landesrechtliche Vorgaben, etwa den Grundsatz, daß eine Benutzungsgebühr die Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG), und die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsmaßstab nach § 5 Abs. 3 NKAG. Gleichwohl ist auch ein deutlich abgesenkter Grenzwert nicht ohne weiteres zulässig, er muß wegen der mit ihm zwangsläufig verbundenen Ungleichheiten sachlich gerechtfertigt sein. Hierbei werden auch die "konkreten örtlichen Verhältnisse des Abrechnungsgebietes" zu ermitteln sein, deren Erheblichkeit der Senat auch im Vorlagebeschluß angesprochen hat (Abdruck. S. 10). Soweit es darum geht, die Höhe des Grenzwertes nach dem Verwaltungsmehraufwand für die Bearbeitung von Absetzungsanträgen sowie für das Ablesen von Sonderzählern zu bemessen, ist zu beachten, daß dieser - nach Ausschöpfung der Möglichkeiten einer Kostenminderung zu berücksichtigende und näher zu ermittelnde - Mehraufwand in einem "angemessenen Verhältnis" zu den Ungleichheiten stehen muß, die ein Grenzwert für die Absetzbarkeit von nicht in die Kanalisation zugeführten Wassermengen mit sich bringt, wie auch das BVerwG herausgestellt hat; hiernach verbietet sich eine nur auf die Kostendeckung ausgerichtete Betrachtungsweise."
In einem weiteren Urteil vom 13. Februar 1996 hat das Niedersächsische OVG dann jedoch eine Satzungsregelung, die eine Bagatellgrenze von 20 m 3 vorsah, ebenfalls für nichtig erklärt. Das Gericht weist darauf hin, ein solcher Grenzwert von 20 m 3 verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG und gegen den Grundsatz der leistungsbezogenen Gebührenbemessung nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalabgabenrechts.
Erwartungsgemäß hat jetzt auch das OVG NW im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts seine bisherige Rechtsprechung modifiziert. Mit Urteil vom 04. November 1996 - 9 A 7237/95 - hat der 9. Senat entschieden, daß den Bedenken der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen werde, wenn der unzulässig hohe Grenzwert von 60 m 3 /Jahr auf einen Wert von 15 m 3 /Jahr abgesenkt wird. Eine darüber hinausgehende Reduzierung des Grenzwertes auf einen Wert von unter 15 m 3 /Jahr oder ein völliges Absehen von einem Grenzwert sei nicht zwingend geboten; vielmehr seien im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber bei der Festlegung des Gebührenmaßstabes zustehenden weiten Organisationsermessens etwaige Ungleichbehandlungen innerhalb der Gruppen der Gebührenpflichtigen durch den Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt.
Das VG Gelsenkirchen hatte in seinem Urteil vom 02. Mai 1996 - 13 K 3985/92 - demgegenüber noch eine Bagatellgrenze von 20 m 3 ausdrücklich akzeptiert.
Wir weisen schließlich darauf hin, daß sowohl in der Rechtsprechung als auch in der kommunalabgabenrechtlichen Literatur anerkannt ist, daß die Beweislast für die Menge des nicht eingeleiteten Abwassers dem jeweiligen Grundstückseigentümer auf dessen Kosten auferlegt werden kann.
Az.: IV/1 24-21 de/sb