Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 59/2010 vom 19.01.2010

Stellungnahme zum Abfallwirtschaftsplan I

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat mit Datum vom 9.1.2010 gegenüber dem Landtag zu dem Entwurf eines landeseinheitlichen Abfallwirtschaftsplanes im Wesentlichen wie folgt Stellung genommen:

 

„Insbesondere in Anbetracht der unmittelbar bevorstehenden Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/60/EG und der dadurch bedingten Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (Umsetzungsfrist für das nationale Recht: 12.12.2010) sehen wir es als rechtlich möglich und planerisch sinnvoll an, die fünf bestehenden Abfallwirtschaftspläne zunächst in den landeseinheitlichen Abfallwirtschaftsplan zu übernehmen und etwaige Änderungen erst dann vorzunehmen, wenn das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung und Anpassung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an die EU-Abfallrahmenrichtlinie Ende 2010 abgeschlossen sein wird, denn erst zu diesem Zeitpunkt kann abschließend beurteilt werden, welche neuen Maßgaben in § 29 KrW-/AbfG für die Abfallwirtschaftsplanung selbst und die ihr zugrundeliegenden Abfallströme — orientiert an der künftig fünfstufigen Abfallhierarchie — durch den Bundesgesetzgeber vorgegeben werden. Dies gilt zumal deswegen, weil nicht auszuschließen ist, dass das Zusammenspiel zwischen Abfallwirtschaftsplan und kommunalem Abfallwirtschaftskonzept durch den Bundesgesetzgeber in Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie  neu justiert wird bzw. werden muss, um die kommunale Steuerungsverantwortung zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang gewinnt dann vor allem die Frage an Bedeutung, für welche Abfallströme die kommunale Verantwortung greift. Auch diese bestimmt letztlich, wie ein kommunales Abfallwirtschaftskonzept aussieht. Wir gehen davon aus, dass das Land für den Fall, dass hier gravierende Veränderungen aus der Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie in nationales Recht auf die lokale Ebene zukommen, geeignete Vorsorgemaßnahmen ergreift und zusätzliche (gebührenwirksame) Risiken ausschließt. Auch unter diesem Gesichtspunkt empfiehlt es sich, zunächst die bestehenden Abfallwirtschaftspläne in einen landeseinheitlichen Abfallwirtschaftsplan zu überführen“.

 

Zum Inhalt des Entwurfes wurde Folgendes ausgeführt:

 

„Was den Inhalt des künftigen Abfallwirtschaftsplans angeht, sind die kommunalen Spitzenverbände der festen Überzeugung, dass die Stabilität der Abfallgebühren bei Einhaltung anspruchsvoller umwelttechnischer Rahmenbedingungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Grundlage und Kernziel des zukünftigen Abfallwirtschaftsplans Nordrhein-Westfalen sein muss. Der vorgelegte Entwurf eines landesweiten Abfallwirtschaftsplans NRW, Teilplan Siedlungsabfälle verfolgt im Wesentlichen drei Kernziele:

 

- Beseitigung nordrhein-westfälischer Abfälle ausschließlich in Nordrhein-Westfalen;

-  Zulassung von Abfallimporten nach Nordrhein-Westfalen nur im Rahmen freier

Kapazitäten;

-  Aufhebung der in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf bestehenden

verbindlichen Zuweisungen zu bestimmten Entsorgungsanlagen.

 

Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen die seitens des Landes erwogenen Eckpunkte, soweit sie auf die grundsätzliche Beseitigung nordrhein-westfälischer Abfälle in Nordrhein-Westfalen (Kernziel 1) und die Begrenzung von Abfallimporten auf danach verbleibende freie Kapazitäten (Kernziel 2) abzielen. Der Wegfall der bisherigen Zuweisung von Abfallströmen in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf (Kernziel 3) kann jedoch

 

-         in Anbetracht der bevorstehenden und noch nicht abgeschlossen Anpassung

bzw. Änderung des KrW-/AbfG zur Umsetzung der EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/60/EG und der festzustellenden Konzentration in der Abfallwirtschaft

-         sowie der begründeten Gefahr des Anstiegs der Abfallgebühren

 

zurzeit keine Zustimmung finden.

 

1. Gefährdung der Gebührenstabilität

 

Seitens der Landesregierung wird im Entwurf dargestellt, dass bei einem Wegfall der verbindlichen Zuweisungen in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf nicht mit kurzfristigen, grundlegenden Veränderungen der Mengenströme und Entsorgungswege bei den behandlungsbedürftigen Siedlungsabfällen gerechnet wird (S. 26). Im Landesdurchschnitt wird davon ausgegangen, dass mittelfristig von einem durch den Fortfall der verbindlicher Zuweisungen positiven Einfluss auf die Behandlungspreise und die Abfallgebühren auszugehen ist (S. 27). Diese Einschätzung verkennt, dass ein positiver Einfluss nur bei denjenigen Gebietskörperschaften denkbar ist, die bisher keine Entscheidungsmöglichkeit zwischen verschiedenen Anlagenbetreibern hatten. Diesseits besteht zudem die begründete Sorge, dass die implizierte „Verstärkung des Marktgeschehens“ nur zu vorübergehendem Wettbewerb mit der Folge zunehmender Konzentration bei abschließender Bildung eines landesweiten Angebotsoligopols im Bereich der Beseitigungsanlagen führen könnte. In der Folge könnte es zu einem Anstieg der Abfallgebühren und einem Auseinanderentwickeln der Gebührenschere in Nordrhein-Westfalen kommen.

 

Die Städte, Kreise und Gemeinden haben seit dem Inkrafttreten der Technischen Anleitung Siedlungsabfall am 1.6.1993 mit einer Übergangszeit bis zum 1.6.2005 für die Vorbehandlung von Siedlungsabfällen sowie seit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes am 7.10.1996 eine langjährige Diskussion über die Auswirkung höherer Standards auf die Abfallgebühren hinter sich gebracht. Seit dem 1.6.2005 ist in diese Gebührendiskussion eine relative Ruhe eingekehrt, weil den Bürgerinnen und Bürgern unter anderem die Notwendigkeit einer Vorbehandlung von Siedlungsabfällen und die damit verbundenen Kostensteigerungen verdeutlicht werden konnten. Es war in diesem Zeitraum auch sinnvoll, dass nicht jeder öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine eigene Müllverbrennungsanlage oder anderweitige Vorbehandlungsanlage gebaut hat, sondern zwischenzeitlich gebaute Anlagen gemeinsam genutzt wurden. Durch diese Entwicklung ist in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren Entsorgungssicherheit und Gebührenstabilität eingetreten. Diese Gebührenstabilität wird durch den vorgelegten Entwurf des Abfallwirtschaftsplanes unnötig aufs Spiel gesetzt.

 

Die kommunalen Spitzenverbände haben gemeinsam mit dem VKS im VKU NRW im Jahr 2009 in mehreren Fachveranstaltungen mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern und dem MUNLV NRW die Folgewirkungen des vorgelegten Entwurfs erörtert. Dabei zeigte sich, dass die zurzeit bestehende Gebührenstabilität in Nordrhein-Westfalen aller Voraussicht nach nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, wenn der Entwurf des landeseinheitlichen Abfallwirtschaftsplanes in der vorgelegten Art und Weise umgesetzt wird. Insoweit wird die Verantwortlichkeit für einen Gebührenanstieg und neue Diskussionen über die Höhe der Abfallgebühren allein bei der Landesregierung und nicht bei den Kreisen, Städten und Gemeinden liegen. In diesem Zusammenhang hilft auch der Hinweis nicht weiter, dass es kurzfristig zu keinen grundlegenden Veränderungen der Mengenströme und Entsorgungswege kommen wird (S. 26), denn Aufgabe eines Abfallwirtschaftsplanes ist Weitsicht, insbesondere dann, wenn die Aussagen des landesweiten Abfallwirtschaftsplans auf den Planungszeitraum 2009/2010 bis 2019/2020 bezogen sind (S. 20).

 

Nicht nachvollziehen können wir die Aussage auf S. 26, dass Anlagenbetreiber, deren Auslastung bisher durch verbindliche Zuweisungen gesichert ist, sich zukünftig dem Wettbewerb stellen müssen und sich bei ihrer Preisbildung am Markt orientieren müssen. Gleichzeitig wird ausgeführt, dass sofern ein möglicher Verlust an bisher zugewiesenen Siedlungsabfallmengen nicht kompensiert werden kann, eine Erhöhung der Behandlungspreise und mittelbar auch der Abfallgebühren der angeschlossenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nicht ausgeschlossen werden kann. Hierdurch wird deutlich, dass bei einer Umsetzung des Entwurfes für einen landeseinheitlichen Abfallwirtschaftsplan selbst durch die Landesregierung Gebührensteigerungen nicht ausgeschlossen werden.

Dieses wirft zu Recht die Frage auf, weshalb dann der Abfallwirtschaftsplan in dieser Art und Weise inhaltlich abgefasst wird. Die kommunalen Spitzenverbände gehen zurzeit davon aus, dass ein Anstieg der Abfallgebühren nicht vermieden werden kann, denn der Betrieb von Abfallentsorgungsanlagen ist durch hohe abfallmengenunabhängige Vorhaltekosten (Fixkosten) geprägt, die bei mindestens 70 % anzusetzen sind. Brechen Abfallmengen weg, so müssen diese Fixkosten für das Vorhalten betriebsbereiter und umweltgerechter Abfallentsorgungsanlagen trotzdem refinanziert werden, was sich zwangsläufig auf die Höhe des Entsorgungspreises und die Abfallgebühren auswirkt. Der betriebswirtschaftliche Zusammenhang ist hier vergleichbar mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges. Ein Kraftfahrzeug hat bestimmte Fixkosten (u.a. Anschaffungspreis, Kfz-Steuer, Kfz-Haftpflichtversicherung). Der Preis pro km Fahrleistung ist also geringer je mehr Kilometer im Jahr gefahren werden.

 

Vor diesem Hintergrund wird bei den jetzigen Festlegungen im Entwurf des Abfallwirtschaftsplanes nach der Einschätzung der kommunalen Spitzenverbände ein deutlicher Anstieg der Abfallgebühren bei einigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nicht zu vermeiden sein. Insgesamt dürfte sich — entgegen der Annahme des MUNLV — im Mittel eben keine Gebührensenkung ergeben, sondern eine noch stärkere Differenzierung der Abfallgebühren. Letztlich sind die örE — als vom Land bestimmte Träger der Entsorgungssicherheit für die Siedlungsabfallwirtschaft — gleichsam gezwungen, an der „Gebührenschraube“ zu drehen, um die Refinanzierung der Infrastruktur zu gewährleisten. Hierfür wird allein das Land NRW die Verantwortung übernehmen müssen“.

Az.: II/2 31-20 qu/qu

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