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Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 828/2005 vom 24.11.2005
StGB NRW-Ausschuss für Strukturpolitik und Verkehr in Vreden
Am 9.11.05 fand in Vreden die 91. Sitzung des StGB-Ausschusses für Strukturpolitik und Verkehr statt, zu der Ausschussvorsitzender Rötters, Moers, zahlreiche Mitglieder und Gäste begrüßen konnte. Bürgermeister Pennekamp stellte die einladende Stadt Vreden als eine Kommune vor, die aus einer Jahrhunderte bestehenden Randlage zu den Niederlanden heraus eine positive wirtschaftliche Entwicklung vollzogen habe. Als Beispiel nannte er insbesondere das in Kürze entstehende erste internationale und interkommunale Gewerbegebiet zwischen den Städten Stadtlohn und Vreden sowie Winterswyk auf der niederländischen Seite.
Dipl.-Ing. Tietz, Ennepe-Ruhr-Kreis, berichtete über aktuelle Entwicklungen zur ÖPNV-Gestaltung im kreisangehörigen Raum. Als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen ÖPNV-Aufgabenträger in der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und Mitautor erläuterte er aktuelle Vorschläge zur Reform des ÖPNV. Sinnvoll sei es, Aufgabenträgerverantwortung und unternehmerische Verkehrsdurchführung zu trennen sowie die Regieaufgaben der Bestelleraufgabe von den Aufgaben der Erstellerebene zu entflechten. Bei der Gestaltung der Verkehrsverträge seien die europäischen Vergabe- und Beihilferegelungen zu beachten. Diese verlangten transparente Verfahren. Tietz wies auch auf das Recht der Kommunen hin, den ÖPNV unter Beachtung der Vorgaben der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie für Inhouse-Geschäfte selbst zu erbringen. Nach Meinung der ÖPNV-Aufgabenträger müssten sich die Aufsichtsbehörden auf Rechtsaufsicht und Gefahrenabwehr konzentrieren. Die Aufgabenträger sollten die Aufgabe der Genehmigungserteilung übernehmen. Für alle Marktteilnehmer müsse ein diskriminierungsfreier Zugang zur ÖPNV-Infrastruktur sichergestellt werden. Aufgabenverantwortung und Ausgabenverantwortung sei bei den Aufgabenträgern zusammenzuführen. Hierzu seien sämtliche Förderinstrumente und
mittel des Bundes und der Länder zu konzentrieren; die konkrete Finanzierungspraxis müsse in die Hände der Aufgabenträger gegeben werden. Schließlich sei die ÖPNV-Finanzierung langfristig zu sichern. Hierzu müssten die Mittel, die dem System ÖPNV aus dem sog. steuerlichen Querverbund zur Verfügung stehen, dem ÖPNV auch zukünftig erhalten bleiben.
Der Ausschuss unterstützte nach eingehender Beratung diese verkehrspolitischen Ansätze und unterstrich insbesondere die Notwendigkeit einer klaren Aufgaben- und Verantwortungsteilung zwischen den Akteuren des ÖPNV. Zum neuen Vorschlag der EU-Kommission für eine Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße nahm der Ausschuss zustimmend zur Kenntnis, dass erstmals grundsätzlich das Recht der kommunalen Aufgabenträger anerkannt werde, unter bestimmten Voraussetzungen darüber zu entscheiden, ob sie Nahverkehrsleistungen selbst bzw. durch eigene Unternehmen erbringen oder ob sie ausschreiben. Unabdingbar sei allerdings eine klare Regelung dahingehend, dass eine europäische ÖPNV-Verordnung als spezialrechtliche Regelung dem allgemeinen Vergaberecht vorgehe.
Zentrale These des Referats von Dipl.-Ing. Sabine Degener, VTIV, zu Schwerpunkten kommunaler Verkehrssicherheitsarbeit aus Sicht des Deutschen Verkehrssicherheitsrats war, dass die Verkehrssicherheitsarbeit vor Ort in erster Linie durch mehr Fortbildung und Qualifizierung der Akteure zu verbessern sei. Verkehrsunglücke passierten oft an Unfallschwerpunkten, die der Gemeindeverwaltung und dem Rat bekannt seien. Es fehle vielfach an Fachkompetenz, um die richtigen Lösungen zu finden.
Basis, Stellschraube und Grundvoraussetzung für lokale Verkehrssicherheitsarbeit sei nach wie vor die Unfalltypen-Steckkarte, die alle von der Polizei innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufgenommenen Unfällen vermerke. Werde anhand der Unfallsteckkarte ein Unfallschwerpunkt erkannt, so trete die Unfallkommission auf den Plan. Nach Auffassung von Frau Degener bedeutet Planungssicherheit auch, Straßenbaumittel einzusetzen, um Unfallgefahren von vornherein zu vermeiden, Unfallschwerpunkte mit Hilfe von Baumaßnahmen zu beseitigen und ein möglichst hohes Sicherheitsniveau anzustreben. Sicherheitsanalysen zeigten ein überraschendes Bild: Würden nur 10 % innerstädtischer Straßen im Hinblick auf Sicherheitsdefizite umgestaltet, wären dort damit mehr als die Hälfte der Unfallkosten vermieden.
Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt bildete der Entwurf einer neuen Muster-Straßenreinigungssatzung, den die Geschäftsstelle derzeit erarbeitet. Hauptreferent Thomas, Geschäftsstelle, verwies vorab auf die vielfach in den Städten und Gemeinden diskutierte Problematik, auf die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren zu verzichten und stattdessen eine anderweitige Refinanzierung, entweder über den allgemeinen Haushalt oder bspw. über eine Erhöhung der Grundsteuer, vorzunehmen. Das OVG Münster habe in einem Urteil von 2003 ein Wahlrecht der Kommunen diesbzgl. konstatiert. Die Geschäftsstelle sei nach eingehender Prüfung der Vor- und Nachteile zu der Bewertung gelangt, eine Abkehr vom System der Straßenreinigungsgebühren nicht zu empfehlen. Die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren erfolge nach einem in sich geschlossenen, vor Ort gut kommunizierbaren System. Straßenreinigung und Winterdienst seien eine Gemeinschaftsleistung von Gemeinde und Bürger. Der Bürger, konkret der Eigentümer eines von einer Straße erschlossenen Grundstücks, sei mit dafür verantwortlich, dass seine Straße sauber bzw. im Winter verkehrssicher sei. Seine Beteiligung erfolge entweder durch eine Geldleistung (Gebühren) oder durch reales Handeln, nämlich bei Übertragung der Straßenreinigung bzw. Winterwartung.
Bei der Grundsteuer würden demgegenüber alle Eigentümer von Grundstücken zur Kasse gebeten, unabhängig davon, ob in ihrer Straße eine Sommer- bzw. Winterwartung erfolge. Hinzu komme, dass trotz erhöhter Grundsteuer Grundstückseigentümern die Reinigungsleistung zusätzlich auferlegt werde. Der Ausschuss schloss sich dieser Einschätzung an.
Hauptreferent Thomas stellte sodann den derzeitigen Diskussionsstand im Hinblick auf die neue Mustersatzung Straßenreinigung dar. Regelungsbedarf habe sich zum einen bei der Übertragung der Straßenreinigung auf die Anlieger ergeben. Ein weiteres Augenmerk der Satzungsarbeiten werde auf ein differenziertes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gelegt. Schließlich werde überlegt, der Mustersatzung einen weiteren Verteilungsmaßstab hinzuzufügen, der dem überkommenen Frontmetermaßstab an die Seite gestellt werde. Die Geschäftsstelle habe einen kleinen Arbeitskreis von kommunalen Praktikern, einem Vertreter des GVV und einem Vertreter des Innenministeriums des Landes gegründet, der am 24.10.05 erstmals getagt habe. Die Bewertungen und Anregungen der Arbeitskreisteilnehmer würden in der nächsten Zeit eingearbeitet, so dass der Ausschuss in seiner Frühjahrssitzung über die neue Mustersatzung abschließend beraten könne.
Der Ausschuss diskutierte schließlich auch über weitere struktur- und verkehrspolitische Themen. Geschäftsführer Giesen berichtete anhand einer Bewertung der Geschäftsstelle über die struktur- und verkehrspolitische Vorhaben der neuen Regierungskoalition in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung habe durch Regierungserklärung und Zwischenbericht des Ministerpräsidenten sowie durch Presseerklärung der Wirtschaftsministerin ihr Vorhaben verdeutlicht, den Beratungs- und Förderdschungel in NRW zu lichten und ihn in Strukturen zu überführen, bei denen insbesondere die Kammern mehr staatliche und halbstaatliche Aufgaben übernehmen. Das von der Wirtschaftsministerin angekündigte Entschlackungsprogramm für die Wirtschaftsförderung sehe als einen wesentlichen ersten Baustein die Einrichtung von Gründungsagenturen vor, mit denen Existenzgründer aus einer Hand einschließlich der Erledigung von Gründungsformalitäten wie Gewerbeanmeldung beraten werden sollen.
Im Übrigen erläutert Geschäftsführer Giesen dem Ausschuss die zur Neustrukturierung der Arbeitsmarktförderung seitens des Sozialministeriums vorgesehenen Elemente der Jugend in Arbeit, des Werkstattjahres sowie eines dritten Weges der Berufsausbildung. Der Geschäftsführer berichtete dem Ausschuss schließlich den aktuellen Sachstand in Bezug auf die Umsetzung des SGB II. Hier sei insbesondere die Durchführung der Revision problematisch.
Schließlich nahm der Ausschuss mit Genugtuung zur Kenntnis, dass seine Forderungen nach kommunaler Handhabe zur Bekämpfung von LKW-Maut-Ausweichverkehren aufgegriffen worden sind. Durch Änderung der StVO zum 1.1.2006 wird den Straßenverkehrsbehörden die Möglichkeit eröffnet, Mautausweichverkehre in den Ortsdurchfahrten und Ortskernen zu verbieten bzw. zu beschränken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor den dadurch entstehenden Belästigungen.
Die kommende Sitzung des Ausschusses soll am 23. März 2006 in Lennestadt stattfinden.
Az.: III/1 N 5