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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 341/2011 vom 06.06.2011
StGB NRW-Umweltausschuss zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz
Der Umweltausschuss des StGB NRW hat in seiner Sitzung am 23.5.2011 einstimmig folgenden Beschluss gefasst: „Der Ausschuss fordert die Bundesregierung, den Bundestag, den Bundesrat und die Landesregierung auf, die heutige Regelung im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zu den gewerblichen Abfallsammlungen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz) unverändert beizubehalten und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.06.2009 (Az.: 7 C 16.08 — NVwZ 2009, S. 1292ff.) in vollem Umfang zu berücksichtigen. Anderenfalls besteht die begründete Gefahr, dass die Abfallgebühren massiv ansteigen werden. Eine Wertstofftonne kann nur unter der Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, d. h. unter der Verantwortung der Städte, Gemeinden und Kreise eingeführt werden, weil nur auf dieser Grundlage eine vom Verwertungspreis unabhängige dauerhafte Verwertung in gesicherten Finanzierungsstrukturen gewährleitet werden kann“.
Hintergrund des einstimmigen Beschlusses ist der von der Bundesregierung am 30.3.2011 beschlossene Gesetzentwurf zur Anpassung des KrW-/AbfG an die EU-Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG. Aus der Sicht der Städte, Gemeinden und Landkreise als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sowie ihrer Bürgerinnen und Bürger beinhaltet der Gesetzentwurf zwei Themenkomplexe, die in besonderer Weise betrachtet werden müssen.
1. Abfallüberlassungspflichten und gewerbliche Abfallsammlungen
Es genügt nicht, im Gesetzentwurf Abfallüberlassungspflichten für private Haushaltungen zu regeln (§ 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG-Entwurf) und diese im Nachgang durch die Zulassung von flächendeckenden gewerblichen Sammlungen auszuhebeln (§§ 17 Abs. 3, 18 KrWG-Entwurf). Der beschlossene Gesetzentwurf gefährdet damit in massiver Weise die Stabilität der Abfallgebühren für die Bürgerinnen und Bürger. Denn fallen Einnahmen bzw. Erlöse aus der Verwertung von Abfällen bei den Städten, Gemeinden und Landkreisen weg, so können diese nicht mehr dafür eingesetzt werden, einen Teil der Gesamtkosten der umweltverträglichen Abfallentsorgung zu decken und den Gebührendarf dadurch zu senken. Nach dem kommunalabgabenrechtlichen Kostendeckungsprinzip müssen dann vielmehr alle Kosten der Abfallentsorgung an die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden, was zwangsläufig einen Anstieg der Abfallgebühren zur Folge hat. Dennoch soll es nach dem Gesetzentwurf privaten gewerblichen Sammlern zukünftig möglich sein, verwertbare Abfälle aus privaten Haushalten auf vertraglicher Grundlage in dauerhaft festen Strukturen zu entsorgen (Definition der gewerblichen Sammlung in § 3 Nr. 18 KrWG-Entwurf). Damit wird das zugunsten der Städte und Gemeinden ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08 — NVwZ 2009, S. 1292ff.) komplett auf den Kopf gestellt und ausgehebelt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08) in beeindruckender Klarheit entschieden, dass die öffentliche (kommunale) Abfallentsorgung durch parallele private Entsorgungsstrukturen nicht gefährdet oder ausgehöhlt werden darf. Deshalb seien gewerbliche Abfallsammlungen gelegentlich möglich, jedoch nicht in dauerhaft festen Strukturen in Konkurrenz zur kommunalen Abfallentsorgung.
Auch die von der Bundesregierung vorgeschobenen europarechtlichen Gründe für die Ausweitung der gewerblichen Sammlungen überzeugen nicht, denn bereits das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in seinem Urteil vom 18.6.2009 (Az.: 7 C 16.08) mit den europarechtlichen Fragestellungen auseinandergesetzt und die heute bereits in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz getroffene Regelung zu den gewerblichen Sammlungen für europarechtskonform erachtet. Insbesondere wird die europäische Warenverkehrsfreiheit im Rahmen einer geordneten, kommunalen Erfassung von verwertbaren Abfällen in vollem Umfang gewährleistet. Schließlich werden die erfassten Abfälle durch die Städte, Gemeinden und Landkreise dem „Verwertungsmarkt“ zugeführt. Weshalb deshalb Wohnstraßen zukünftig zu „Wettkampfarenen“ für gewerbliche Sammler mit allen nachteiligen Folgen für die Wohnqualität und die Verkehrssicherheit umgestaltet werden sollen, erschließt sich nicht. Das im Gesetzentwurf vorgesehene bürokratische Anzeigeverfahren (§ 18 KrWG-Entwurf) hilft ebenfalls nicht, diese Verwerfungen abstellen zu können. Dieses gilt umso mehr, als das Anzeigeverfahren dann leerläuft, wenn gewerbliche Sammlungen — wie bereits heute oftmals zu beobachten - ohne Anzeige schlichtweg durchgeführt werden. Vor allem aber fehlt eine Regelung, wie mit zahlreichen kleinteiligen gewerbliche Sammlungen umgegangen werden soll, die in der Summe nach und nach dazu führen, dass das gesamte Zuständigkeitsgebiet des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers komplett abgedeckt wird (Beispiel: 10 gewerbliche Sammlungen werden jeweils mit Zugriff auf jeweils 10 % der verwertbaren Abfälle = 100 % im Laufe der Zeit durchgeführt). Dieses zeigt, dass die vorgesehene Regelung in §§ 17 Abs. 3, 18 KrWG-Entwurf an der Praxis vorbeigeht und nicht vollzugsfähig ist.
2. Wertstofftonne
Die geplante Wertstofftonne (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 KrWG-Entwurf) muss in der Verantwortung der Städte, Gemeinden und Landkreise stehen. Nur auf dieser Grundlage können bei sinkenden Verwertungserlösen dauerhaft und in verlässlichen Finanzstrukturen Verwertungswege beständig beschritten werden. Es bedarf keines übergeordneten Systembetreibers, sondern die Stadt, Gemeinde oder der Landkreis erfassen die verwertbaren Abfälle mit einem eigenen Fuhrpark oder durch die Einschaltung eines privaten Entsorgungsunternehmens als technischen Erfüllungsgehilfen und die sich daran anschließende Verwertung erfolgt gemeinsam mit der privaten Entsorgungswirtschaft in für alle Beteiligten verlässlichen gebührenfinanzierten Finanzierungsstrukturen. Nach dem zurzeit laufenden Planspiel beim Umweltbundesamt, das im Juni 2011 abgeschlossen werden soll, ist bislang vorgegeben, dass in einer Wertstofftonne nur sog. stoffgleiche Nichtverpackungen aus Metall und Kunststoff erfasst werden sollen. Nicht über die Wertstofftonne erfasst werden sollen: Batterien, Elektrogeräte, Gummi, Holz, Glas, Papier/Pappe/Karton und Textilien. Außerdem könnten auch gebrauchte Einweg-Verkaufsverpackungen nach der Verpackungs-Verordnung in einer öffentlich-rechtlichen Wertstofftonne mit erfasst werden. Gemeint sind dabei die Einwegverpackungen aus Kunststoff, Metall, Verbundstoffen, die heute in der gelben Tonne/dem gelben Sack erfasst werden. Eine Finanzierung über ein „Lizenz-Entgeltsystem“ — vergleichbar der Verpackungs-Verordnung - bezogen auf die Hersteller/Vertreiber von stoffgleichen Nichtverpackungen aus Metall und Kunststoff wird sich bei der Vielzahl der Produkte (z.B. Kunststoff-Wurstschale, Mixer-Rührschüssel, Wischeimer) nicht tragfähig verwirklichen lassen (Stichwort: Trittbrettfahrerei). Es wäre außerdem wieder einmal ein typisch deutsches System, welches viel zu kompliziert ist. Die Niederlande und Frankreich zeigen hier bei den Einweg-Verpackungen wie es deutlich einfacher gehen kann. Schlussendlich kommt es insbesondere im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Verwertung darauf an, dass in der Wertstofftonne keine Abfälle erfasst werden, die z.B. aufgrund ihrer Alters und/oder ihrer Materialbeschaffenheit einer Verwertung nicht mehr zugänglich sind und deshalb von vornherein in die Beseitigungsschiene gehören. Kreislaufwirtschaft heißt nicht Abfälle getrennt zu erfassen, dann im Kreis umher zu fahren und schließlich den gleichen Entsorgungsweg einzuschlagen, den auch der Inhalt der Restmülltonne genommen hätte. Eine solche Wertstofftonne würde wohl kaum die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger finden.
Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände hat auf Initiative des StGB NRW bereits im Februar 2011 den Umweltminister, den Innenminister und den Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen angeschrieben und darum gebeten, sich im Bundesrat dafür einzusetzen, dass das Kreislaufwirtschaftsgesetz in dieser Art und Weise nicht verabschiedet wird . Der Umweltminister, Herr Remmel, hat mit Schreiben vom 25.3.2011 und der Innenminister, Herr Jäger, hat mit Schreiben vom 18.4.2011 zugesagt, sich im Bundesratsverfahren für eine Änderung des Gesetzentwurfes zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes einzusetzen.
Az.: II/2 31-02 qu/qu