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StGB NRW-Mitteilung 710/1998 vom 20.12.1998
Stimmenauszählung bei der Europawahl 1999
Daß seit März d.J. praktisch keine Aussichten mehr bestehen, den Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments vom 20. September 1976 dahingehend zu ändern, daß eine Verkürzung der Wahlzeit bei der Europawahl auf 18.00 Uhr ermöglicht wird, hat sich die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände an den zuständigen Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern gewandt und einen Lösungsvorschlag allein aufgrund nationalen Rechts unterbreitet. Das Schreiben, das auch dem Bundeswahlleiter, den Landeswahlleitern sowie den Innenministern und senatoren der Länder zur Kenntnis gegeben wurde, geben wir im Folgenden wieder:
"Bereits bei den vorangegangenen Europawahlen haben sich die kommunalen Spitzenverbände für die Vorverlegung des Beginns der Auszählung von 21 Uhr auf 18 Uhr am Wahltag ausgesprochen. Die letzte Bundesregierung war sehr darum bemüht, zu einer Verkürzung der Wahlzeit zu gelangen. Eine entsprechende rechtliche Regelung auf EU-Ebene scheiterte bisher immer an der Haltung Italiens, das traditionell seine Wahllokale erst um 22 Uhr schließt.
Wir befürchten, daß die kommunalen Wahlämter vor erhebliche Probleme gestellt werden, wenn in Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen zum gleichen Termin, nämlich dem 13.06.1999, Kommunalwahlen, Landtagswahlen oder Oberbürgermeisterwahlen durchgeführt werden. Den ehrenamtlichen Wahlhelfern ist nämlich kaum zuzumuten, noch nach 21 Uhr zwei Wahlgänge auszuzählen und dies mit der gebotenen Sorgfalt und zügig zu tun.
In Baden-Württemberg bestand die Möglichkeit, den Kommunalwahltermin auf den Herbst 1999 zu verlegen, was mit Blick auf die seinerzeitige Überbeanspruchung der Wahlorganisation im Jahr 1994 auch geschah. Bremen hat sich in Abwägung der Schwierigkeiten dafür entschieden, die Bürgerschaftswahl am 06.06.1999, also eine Woche vor der Europawahl, durchzuführen. Wahlpraktiker raten zwar aus organisatorischen Gründen dringend von der Durchführung von zwei Wahlgängen innerhalb von vier Wochen ab, eine Abwägung der Schwierigkeiten hat aber offensichtlich die Bürgerschaft zu dieser Entscheidung bewegt.
Bei einer Bund-Länder-Besprechung im Jahre 1996 haben wir vorgetragen, daß auch bei Berücksichtigung der bestehenden Rechtslage durchaus die Möglichkeit gegeben sei, die Wahlzeit für die Europawahl auf 18 Uhr zu verkürzen und zu diesem Zeitpunkt mit dem Auszählen der Stimmen lediglich auf Wahlbezirksebene zu beginnen. Beim Kreiswahlleiter sollten die Meldungen dann so lange verbleiben, bis auch in Italien alle Wahllokale geschlossen sein würden. Damit könnte sichergestellt werden, daß die weitere Ermittlung und später Feststellung von Wahlergebnissen im Wahlgebiet auch in Deutschland erst nach 22 Uhr stattfindet. Lediglich auf Wahlbezirksebene würden vorab Zusammenstellungen vorgenommen. Dieser Auffassung ist ein Teil der Länder gefolgt, der Bundeswahlleiter ist auf diese Vorschläge jedoch mit dem Hinweis nicht eingegangen, daß die Auszählung der Stimmen öffentlich sei und Wahlforschungsinstitutsmitarbeiter aus repräsentativ ausgewählten Wahllokalen die dort ermittelten Zahlen an eine zentrale Stelle weiterleiten könnten. Damit sei die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß auch vor 22 Uhr hochgerechnete Ergebnisse aus Deutschland bekannt würden.
Eine ähnlich gelagerte Problematik, daß nämlich zuletzt Wählende ihre Stimme nicht unbeeinflußt von bereits vorliegenden Ergebnissen abgeben können, besteht grundsätzlich auch beispielsweise bei Bundestagswahlen. So wären die Wahlforschungsinstitute durchaus in der Lage, bereits vor 18 Uhr aufgrund von Wählerbefragungen Prognosen abzugeben. Dem hat der Bundesgesetzgeber dadurch vorgebeugt, daß er in § 32 Abs. 2 BWG derartige Veröffentlichungen ausdrücklich untersagt hat. Eine entsprechende Regelung könnte auch im Europawahlgesetz eingeführt werden, wobei eine Ergänzung dahingehend vorzunehmen wäre, daß auch in Wahlbezirken ermittelte Zahlen der für die einzelnen Wahlvorschläge abgegebenen gültigen Stimmen nicht vor 22 Uhr für Hochrechnungen genutzt werden dürfen.
Uns ist bekannt, daß auf EU-Ebene eine Änderung des Aktes zur Einführung allgemeiner Wahlen für das Europäische Parlament rechtzeitig nicht mehr erfolgen kann. Wir bitten Sie, im Interesse der Wahlbehörden, noch mehr aber der großen Zahl von ehrenamtlichen Wahlhelfern, denen eine Präsenz von 8 Uhr morgens bis zum Teil nach Mitternacht eigentlich nicht zuzumuten ist, noch einmal die beschriebene Lösungsmöglichkeit für einen Beginn der Auszählung der Stimmen in den Wahllokalen bei der Europawahl ab 18 Uhr zu prüfen."
Quelle: DStGB
Az.: I/2 05-05