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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 458/2015 vom 03.07.2015
Studie der Bertelsmann Stiftung zu kommunalen Sozialausgaben
Die Bertelsmann Stiftung hat eine Studie zum Thema „Kommunale Sozialausgaben — Wie der Bund sinnvoll helfen kann“ vorgestellt. Diese enthält Darlegungen zur Entwicklung der kommunalen Sozialausgaben und einen Vorschlag, über welchen Weg die vom Bund zugesagten 5 Mrd. Euro/Jahr an die Kommunen fließen sollen, nämlich vollständig über eine Kostenübernahme des Bundes bei den Kosten der Unterkunft (KdU). Dies stößt auf die Kritik des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und des StGB NRW.
Die Studie der Bertelsmann Stiftung analysiert und beschreibt die Strukturen und Inhalte der sozialen Leistungssysteme und belegt, dass die kommunalen Sozialausgaben in den vergangenen zehn Jahren über 50 Prozent angestiegen sind. Im Jahr 2014 lagen die kommunalen Sozialausgaben bei insgesamt 78 Mrd. Euro, zehn Jahre vorher hatten sie im Jahr 2004 bei 50 Mrd. Euro gelegen. Problematisiert wird die Frage, wie der Bund die im Koalitionsvertrag zugesagte Finanzentlastung der Kommunen in Höhe von 5 Mrd. Euro jährlich umsetzen soll.
Ausgangspunkt ist dabei der Umstand, dass nach den Entscheidungen in den Föderalismusreformen I und II eine finanzielle Beteiligung des Bundes an kommunalen Kosten grundsätzlich an verfassungsrechtlichen Hürden scheitert, aber auch administrative, fiskalische und politische Probleme zu lösen hat. Direkte Finanzzuweisungen vom Bund an die Kommunen sind verfassungsrechtlich nicht möglich. Die Zahlungen müssen über die Länderhaushalte erfolgen, welche die Verteilung eigenständig regeln. Daraus resultieren Möglichkeiten der direkten oder indirekten „Abschöpfung“, so die Bertelsmann-Stiftung in ihren Ausführungen. Damit hat der Bund kaum einen Einfluss auf die Nettoentlastungswirkung, die in den kommunalen Haushalten ankommt.
Untersucht wird in der Studie, welche Sozialkosten der Bund den Kommunen von der Schulter nehmen könnte. Im Ergebnis kommt die Studie zu dem Schluss, dass aus dem Katalog kommunaler Sozialleistungen die Kosten der Unterkunft nach dem SGB II der am besten geeignete Weg seien, um durch Kostenübernahme des Bundes eine kommunale Finanzentlastung zu erreichen.
Begründet wird dies vor allem damit, dass die KdU die Haushalte der Kreise und kreisfreien Städte maßgeblich belasteten, die SGB-II-Quote als zentraler Armutsindikator der Städte und Kommunen diene, die Kosten der Unterkunft eine reine Geldleistung sind, die über Wohnungsstandards und Mietspiegel einfach steuerbar sei. Daher schlägt die Studie vor, dass der Bund seinen Finanzierungsanteil an den KdU ab dem Jahr 2018 um die zugesagten 5 Mrd. im Jahr aufstocken sollte. Der Finanzierungsanteil des Bundes bei den KdU würde dann von aktuell bundesweit 28 Prozent auf ca. 65 Prozent ansteigen.
Dies führte u.a. zu der Konsequenz, dass die KdU zur Bundesauftragsverwaltung würde. Die Studie kritisiert selbst, dass die bestehende Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG als Steuerungsform für den Bund nicht geeignet sei und zudem die kommunale Selbstverwaltungsautonomie einschränke. Die Bertelsmann-Stiftung fordert daher, dass Bund, Länder und Kommunen ein neues föderales Steuerungsverfahren entwickeln müssten, welches auf messbaren Indikatoren örtlicher Belastungen basiert und ein bundesweites Monitoring erlaubt. Bei der Kostenübernahme des Bundes bei der Grundsicherung im Alter sei es versäumt worden, ein solches neues Steuerungsinstrument einzuführen.
Bewertung
Die Studie beschreibt zutreffend eine der wichtigsten Ursachen für kommunale Finanzprobleme: die kommunalen Sozialausgaben mit neuem Rekordniveau in jedem Jahr. An diesem Befund hat auch die günstige Konjunkturentwicklung in den letzten Jahren nichts geändert. Durch die hohen Soziallasten in vielen Kommunen verbleibt diesen kaum eigener Handlungsspielraum, in einige Kommunen werden mehr als 50 Prozent des Etats für Sozialleistungen ausgegeben.
Die Belastung der Kommunalhaushalte durch Sozialleistungen ist bundesweit aber sehr unterschiedlich. Am geringsten ist sie in Baden-Württemberg mit durchschnittlich 31 Prozent, am höchsten in Nordrhein-Westfalen mit 43 Prozent. Dadurch würde eine Kostenübernahme des Bundes bei den KdU - wie von der Bertelsmann Stiftung vorgeschlagen - in Höhe von 5 Mrd. Euro/Jahr auch sehr unterschiedliche kommunale Kostenentlastungen zur Folge haben. Zwar würden die 5 Mrd. Kostenentlastung des Bundes in ihrer Streuwirkung vorrangig Kommunen mit hohen Sozialkosten erreichen. Diese sind im Bundesgebiet aber sehr heterogen verteilt, sowohl von den Fallzahlen, als auch von den jeweiligen Fallkosten her betrachtet.
Der Vorschlag der Studie führt zur Rechtsfolge der Bundesauftragsverwaltung bei der KdU. Diese Konsequenz wird auch in der Studie selbst kritisiert. Allerdings enthält diese keine Vorschläge, wie man in der Praxis damit umgehen soll. Die Vorschläge, dazu gemeinsam mit Bund, Ländern und Kommunen ein neues „Steuerungsinstrument“ einzuführen, sind sehr vage gehalten. Die Idee, eine modifizierte Form der Bundesauftragsverwaltung einzuführen, könnte durchaus diskutiert werden. Allerdings muss dabei klar sein, dass dann schwierige verfassungsrechtliche Fragen im föderalen Gefüge aufgeworfen und praxisgerecht beantwortet werden müssen. Zudem müssten für diese sowohl im Deutschen Bundestag, als auch im Bundesrat verfassungsändernde Mehrheiten erreicht werden.
Zudem erwarten StGB NRW und DStGB, dass mit der vom Bund zugesagten Finanzentlastung von 5 Mrd. Euro/Jahr alle Kommunen erreicht werden. Alleine eine Kostenübernahme bei den KdU würde aber nur die Haushalte der Kreise und kreisfreien Städte erreichen. Ob dann Kreisumlagen gesenkt würden, bliebe ungewiss. Daher ist eine Kostenübernahme des Bundes bei kommunalen Sozialkosten zwar ein diskussionswürdiger Ansatzpunkt.
Zugleich muss jedoch auch und in einem größeren Umfang die gemeindliche Steuerkraft gestärkt werden, zum Beispiel über höhere kommunale Einkommen- oder Umsatzsteueranteile oder eine Absenkung der Gewerbesteuerumlage zu Gunsten der Gemeinden. Dies würde zu einer Stärkung der Kommunen insgesamt führen. Eine gestärkte gemeindliche Steuerkraft kommt zudem im Rahmen des Systems der Kreisumlageberechnung mittelbar auch den Kreishaushalten zu Gute.
Die Studie und weitere Informationen der Bertelsmann Stiftung sind im Internet abrufbar unter www.bertelsmann-stiftung.de .
Az.: IV/1 41.9.2-001