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StGB NRW-Mitteilung 175/2017 vom 27.01.2017
Teilnahme muslimischer Mädchen am Schwimmunterricht
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verbietet nicht die Schaffung einer nationalstaatlichen Regelung, durch die muslimische Mädchen generell zur Teilnahme am geschlechterneutralen Schwimmunterricht in der Schule verpflichtet werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) durch Urteil vom 10.01.2017 (Beschwerde-Nr. 29086/12) entschieden.
Ein türkischstämmiges Elternpaar aus der Schweiz hatte vor dem Straßburger Gericht Beschwerde gegen die Durchsetzung der ihre 1999 und 2001 geborenen Töchter treffende Teilnahmepflicht erhoben. Nach Ansicht der Richter ist es jedoch nicht zu beanstanden, wenn staatliche Stellen der Schulpflicht und der Integration der Kinder Vorrang vor religiösen Empfindungen der Eltern einräumen. Sie betonten in ihrer Entscheidung die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung der Schweizer Behörden, die den Beschwerdeführern Vorschläge zur Erleichterung einer freiwilligen Teilnahme am Schwimmunterricht — zum Beispiel durch die Erteilung der Erlaubnis zum Tragen eines den ganzen Körper verhüllenden Badeanzugs (sogenannter „Burkini“) — gemacht hatten.
Das Urteil des Gerichtshofs liegt auf der Linie der deutschen Fachgerichte: Das Bundesverwaltungsgericht entschied bereits durch Urteil vom 11.09.2013 (Aktenzeichen: 6 C 25.12), dass ein mit der Teilnahmepflicht verbundener Eingriff in das Grundrecht der Glaubensfreiheit durch die staatlichen Erziehungsziele , die mit dem koedukativen Schwimmunterricht verfolgt würden, verfassungsrechtlich gerechtfertigt sei. Das Bundesverfassungsgericht hat die Annahme der dagegen eingelegten Individualverfassungsbeschwerde zur Entscheidung durch Beschluss vom 08.11.2016 (Aktenzeichen: 1 BvR 3237/13) wegen Unzulässigkeit abgelehnt.
Entgegen der früheren — eher grundrechtszentrierten — Rechtsprechung stellen die genannten jüngeren Gerichtsentscheidungen die integrative Funktion des öffentlichen Schulunterrichts als maßgebliche Determinante für die Handhabung von Konfliktfällen heraus. Ihr gegenüber hat das beeinträchtigte Grundrecht — hier die Religionsfreiheit — im Rahmen der Interessenabwägung regelmäßig zurückzutreten, wobei die Grundrechtsbeeinträchtigung so wenig intensiv wie möglich zu halten ist.
Weitere Informationen finden sich im Internet unter https://goo.gl/1XxsmH (Volltext des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10.01.2017, vorerst nur in Französisch - Quelle: Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, Meldung vom 10.01.2017 - becklink 2005420).
Az.: 42.11-004/001