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Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 265/1999 vom 20.04.1999
Thesen über die Rolle der Regionalplanung zwischen Land und Kommunen
Die Ausschüsse für Verkehr und Strukturpolitik und Landesplanung haben auf ihrer gemeinsamen Sitzung am 16.3.1999 in Goch folgende Thesen zur Rolle der Regionalplanung zwischen Land und Kommunen verabschiedet:
- Die Planung raumbedeutsamer Vorhaben geschieht mit der Zielsetzung der Gewährleistung nachhaltiger städtebaulicher Entwicklung und sozialgerechter Bodennutzung, der Sicherung menschenwürdiger Umwelt sowie zum Schutz und der Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen. Sowohl die Bauleitpläne der Gemeinden als auch die Regionalpläne müssen den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung entsprechen und sich ihnen anpassen. Den Anpassungspflichten auf der einen Seite steht die in der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG garantierte Planungshoheit der Gemeinden gegenüber. Die daraus resultierenden mitunter gegenläufigen planerischen Abwägungen beinhalten ein natürliches und ständig präsentes Konfliktpotential zwischen der Raumordnung/Landesplanung und der kommunalen Entwicklungsplanung.
- Divergierende Vorstellungen der Planungsträger prallen auf der Ebene der Regionalplanung als Schnittstelle zwischen kommunaler Planung und Landesplanung aufeinander. Die Regionalplanung ist nach der gesetzlichen Konzeption materiell Bestandteil der Landesplanung und soll die Zielsetzungen der Landesplanung für Teilräume (Regierungsbezirke) konkretisieren. Vor diesem Hintergrund ist ein neues Verständnis der Regionalplanung erforderlich: Die Regionalplanung muß den Kommunen zukünftig mehr Entwicklungsoptionen eröffnen und darf ihnen ihre Entwicklungschancen nicht durch detaillierteste Vorgaben verbauen.
- Erst dieses neue Verständnis führt zu einer angemessenen Umsetzung bzw. Weiterentwicklung des im LPLG bereits ansatzweise angelegten Gegenstromprinzips. In dem Maße, in dem die Regionalebene örtliche und interkommunale Entwicklungsvorstellungen aufgreift und diese in die Regionalplanung aufnimmt, gewinnt sie eine Kompetenz über die reine Planerstellung hinaus und wächst in die Rolle eines Moderators für regionale Themen auch neben der förmlichen Planung hinein.
- Während die sachlichen und verfahrensmäßigen Entscheidungen zum Erarbeiten eines Gebietsentwicklungsplanes nach dem Landesplanungsgesetz beim Bezirksplanungsrat liegen, obliegt die Durchführung des Erarbeitungsverfahrens der Bezirksplanungsbehörde. Bei dem Erarbeiten der Regionalpläne ist sie zwar an die Weisungen des Bezirksplanungsrates gebunden, der zudem jederzeit über den Stand des Erarbeitungsverfahrens Auskunft verlangen kann. Die Federführung für die textlichen und zeichnerischen Darstellungen des GEP mit Aussagetiefe z.T. bis auf Gemeindeteile liegt de facto aber bei der Bezirksregierung. Die Bezirksplanungsräte verfügen im Hinblick auf die GEP über die formale Entscheidungslegitimation, die kommunalen Belange können aber oft nicht ausreichend artikuliert und angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere bei Zuschußangelegenheiten sollten ihre Kompetenzen deutlich erweitert werden.
- Die regionale Ebene braucht deshalb neben der staatlichen Bezirksplanungsbehörde als verlängertem Arm der Landesregierung einen gestärkten Planungsrat. Dieser könnte die im Rahmen der Verwaltungsstrukturreform diskutierte neue Qualität eines Regionalrates erhalten. Er sollte über die sachliche und verfahrensmäßige Mitwirkung an der Gebietsentwicklungsplanung hinaus umfassende gestalterische Einflußmöglichkeiten zur strategischen Weiterentwicklung der Region erhalten. Dies setzt eine umfassende Auseinandersetzung mit den entwicklungsbestimmenden regionalen Themenstellungen unter Einschluß auch von Anliegen der regionalisierten Strukturpolitik und der Verkehrsplanung voraus. Dabei ist über eine Änderung des LPLG zu gewährleisten, daß die kreisangehörigen Kommunen nicht nur über die Kreistage, sondern unmittelbar im regionalen Planungsrat vertreten sind.
- Zielstellung und Methodik der Regionalpläne sind zu überprüfen. Eine Beschränkung auf das Wesentliche führt zu einer schlanken und effizienteren Regionalplanung. Nur über eine strategische Umsetzungsorientierung ist die Balance zwischen der Sicherung von Entwicklungsvoraussetzungen und der Eröffnung von Entwicklungsoptionen zu halten. Eine derart konzipierte Planung umfaßt im wesentlichen die Festlegung von Zielen und Leitmotiven, eine Bewertung der Chancen und Risiken sowie Handlungsvorschläge, die eine zeitnahe Realisierung ermöglichen.
Die aktuelle Diskussion zur Gebietsentwicklungsplanung in den Regierungsbezirken des Landes zeigt, daß der Gestaltungsspielraum auf regionaler Ebene zunehmend durch die hohe Zieldichte im Landesentwicklungsplan eingeengt ist. Vor diesem Hintergrund muß insbesondere der Gefahr begegnet werden, daß die Regionalplanung die Funktion kommunaler Flächennutzungsplanung übernimmt bzw. diese dominiert. - Wie es der Landesentwicklungsplan NW vorschreibt, sollen die Ergebnisse der überkommunalen, regionalen Willensbildung als wichtiger Belang im Abwägungsprozeß von der Regionalplanung berücksichtigt werden. Bis heute ist dieses Anliegen des LEP nur unzureichend umgesetzt. Ein richtig verstandenes Gegenstromprinzip im Sinne des § 1 Abs. 3 ROG und des LEP ist deutlich mehr als eine Anpassung der Planungen von oben nach unten. Die Gegebenheiten und Erfordernisse der Teilräume müssen bei den Planungen auf höherer Ebene vielmehr umfassender und zeitnäher berücksichtigt werden. Derzeit sieht z.B. die rechtliche Ausgestaltung der gemeindlichen Beteiligung bei der Regionalplanung vor, daß (erst) mit der Aufforderung zur Mitwirkung der Beteiligen ein Entwurf des GEP zu übersenden ist. Die Mitwirkung der Gemeinden setzt formalrechtlich demnach erst dann ein, wenn bereits maßgebliche Vorentscheidungen getroffen sind.
Über eine Novellierung des LPlG muß deshalb baldmöglichst eine Neujustierung des Gegenstromprinzips erreicht werden. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob und in welchem Umfang durch eine offensive Umsetzung der im ROG eröffneten Möglichkeit erreicht werden kann, daß bei raumstrukturellen Verflechtungen ein Plan zugleich die Funktion eines Regionalplans und eines gemeinsamen Flächennutzungsplans übernimmt. - Die Bedeutung des Gegenstromprinzips läßt sich an der Bewältigung des Konfliktes zwischen Siedlungspolitik einerseits und Freiraumschutz andererseits veranschaulichen: Außerhalb der Ballungsräume zu verzeichnende Bevölkerungszuwächse führen zu einer Steigerung von Raumansprüchen für Wohnen, Gewerbe, Freizeit und Infrastruktur, die durch die bislang als Siedlungsbereiche ausgewiesenen Flächen nicht befriedigt werden können und zukünftig ggfls. auch nur eingeschränkt zu berücksichtigen sind. Bevölkerungsprognosen, die der Landes- und Regionalplanung zugrunde gelegt werden, überholen sich ständig; eine "punktgenaue" Bedarfsabschätzung für die Darstellung neuer Siedlungsbereiche im Gebietsentwicklungsplan ist nicht nur deshalb methodisch sehr problematisch. Landesplanerische Vorgaben, beispielsweise die Beschränkung der Siedlungsbereiche auf 50% des Siedlungsflächenpotentials, wie sie im GEP Münsterland vorgenommen wurde, lassen der kommunalen Bauleitplanung zumindest mittelfristig nicht mehr ausreichend Spielraum bei der Darstellung von Bauflächen im Flächennutzungsplan.
Der Konflikt zwischen Freiraum- und Siedlungspolitik beinhaltet ein Spannungspotential, das sich auf das Verhalten der Flächeneigentümer auswirkt. Deren Monopolstellung und die Transparenz prognoseadäquater planerischer Baulandentwicklung führen zu Bodenspekulationen und letztlich dazu, daß vorsorgende Baulandkonzepte leerlaufen. Spekulativem Verhalten der Grundstückseigentümer kann vorgebeugt werden, indem im GEP ausreichend große Siedlungsbereiche als Suchräume dargestellt werden, so daß die Kommunen zwischen verschiedenen Alternativ-Flächen wählen können, die sowohl die Ansiedelung von Wohn- als auch von GI-Gebieten zulassen. Dabei gilt, daß zusätzliche Suchräume keinen Anreiz für größeren Flächenverbrauch bieten dürfen. Generell muß ein umweltverträglicher Flächenverbrauch nicht über ein geringeres Angebot, sondern über eine nachhaltige Flächenpolitik (z.B. flächenschonende Bauweise) abgesichert werden. - Auch eine strikte Umsetzung der landesplanerischen Grundsätze und Ziele zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und insbesondere zur Sicherung und Entwicklung des Freiraums erfordert nicht von vornherein einengende Siedlungsbereichsdarstellungen im Gebietsentwicklungsplan. Freiraum wird planerisch nämlich nicht bereits durch die Siedlungsbereichsdarstellung im GEP in Anspruch genommen, sondern erst durch die Bauflächendarstellung im Flächennutzungsplan. Diesen Schritt kann die Bezirksplanungsbehörde auf die Notwendigkeit der Freirauminanspruchnahme hin kontrollieren. Der Gedanke des Freiraumschutzes kann für die Einengung der Siedlungsbereichsdarstellungen im GEP daher nicht als Rechtfertigung dienen.
Außerdem steht mit der planerischen Eingriffs-/Ausgleichsregelung (§ 1 a Abs. 3, 5 BauGB) nach der Novellierung des BauGB ein geeignetes und differenziertes Mittel des Freiraumschutzes zur Verfügung. Das Vermeidungsgebot sorgt dafür, daß bereits auf der Ebene der Flächennutzungsplanung durch ökologisch orientierte Standortauswahl unnötige Eingriffe in Natur und Landschaft vermieden werden und als Entwicklungsräume für die Belange von Natur und Landschaft optimiert und hierbei auch als Räume für die externe Kompensation genutzt werden können. Eine derart ökologisch orientierte Standortauswahl für zukünftige Siedlungsflächen ist auch ökonomisch vernünftig, weil dadurch unnötige Planwiderstände und hohe Kompensationskosten bei Eingriffen in ökologisch wertvolle Räume vermieden werden können. - Die Forderung nach einer Neu- bzw. Umorientierung der Regionalplanung kann von den Städten und Gemeinden erfolgversprechend nur in die landesplanerische Diskussion eingebracht werden, wenn sie selbst kooperative Strategien für regionale Aufgabenstellungen nachdrücklich verfolgen. Es ist noch nicht allgemeiner Konsens, daß die kommunale Zusammenarbeit etwa zur Aufgabenteilung in der Region kommunale Selbstverwaltung auf Dauer eher stärkt als schwächt. In diesem Sinne sollte auch die Forderung des ROG, die Zusammenarbeit von Gemeinden zur Stärkung teilräumlicher Entwicklungen (Städtenetze) zu unterstützen, wo immer möglich aufgegriffen werden. Am Beispiel schon bestehender Städtenetze kann belegt werden, daß kommunale/regionale Kooperation die Aufgabenerledigung gerade für Klein- und Mittelstädte sinnvoll ergänzt. Die Bildung von Städtenetzen erleichtert das Bündeln von Entwicklungspotentialen besonders in strukturschwächeren Regionen und ermöglicht eine Entlastung der verdichteten Räume. Regionalplanung und Städtenetze sollen dabei nicht miteinander konkurrieren, sondern sich funktional ergänzen.
Az.: III/1 n 5/n 10