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StGB NRW-Mitteilung 528/2006 vom 04.07.2006
Überlegungen zur Kindergartenpflicht
In ihrer schriftlichen Antwort auf eine Kleine Anfrage hat die Bundesregierung jüngst eine Reihe interessanter Hinweise zur Diskussion über die Einführung einer Kindergartenpflicht und zur Absenkung bzw. Abschaffung der Elternbeiträge gegeben (BT-Drs. 16/1630). Danach besuchen in Deutschland über 40 % der Kinder im Alter von 3 Jahren keinen Kindergarten. In der Altersgruppe der Vierjährigen sind es 14 % und im letzten Jahr vor der Einschulung rd. 8 % der Kinder. Die Einführung einer Kindergartenpflicht könnte nach Auffassung der Bundesregierung dazu beitragen, dass gerade Kinder aus sozial benachteiligten Familien eine individuelle und frühe Förderung vor der Schule erhalten, und damit gesellschaftliche Integration und Chancengerechtigkeit für diese Kinder geschaffen werden. Die Einführung einer Kindergartenpflicht könnte danach zudem zu einer gesellschafts- und bildungspolitischen Aufwertung des Kindergartens als nach und neben dem Elternhaus wichtigstem Ort elementarer Erziehung, Bildung und Betreuung beitragen.
Aus Sicht der Bundesregierung kommen verschiedene Möglichkeiten in Betracht, um allen Kindern den Zugang zu institutioneller Erziehung, Bildung und Betreuung spätestens im letzten Kindergartenjahr zu ermöglichen. Dazu gehöre die Einführung einer Kindergartenpflicht ebenso wie die Absenkung bzw. Abschaffung der Elternbeiträge. Über die Gründe, warum ein Kind den Kindergarten nicht besucht, lägen nur unzureichende Informationen vor. Die Bundesregierung werde deshalb entsprechend der Forderung der Sachverständigenkommission zum 12. Kinder- und Jugendbericht diese Fragestellung differenziert untersuchen lassen. Auf der Basis der Erkenntnisse aus dieser Studie werde sie die Eignung in Betracht kommender Instrumente zur Steigerung der Teilnahmequote von Kindern prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung müssten dann im Hinblick auf die Einführung einer Kindergartenpflicht insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, die in Bezug genommene Altersgruppe, der zeitliche Umfang des verpflichtenden Besuchs eines Kindergartens sowie Umsetzungs- und Finanzierungsmodalitäten zusammen mit den Ländern geklärt werden.
Die Umsetzung rechtlicher Vorgaben zur Kinderbetreuung und auch die Finanzierung obläge nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes den Ländern und den kommunalen Gebietskörperschaften. Solange jedoch die Faktoren und Gründe für den Nichtbesuch des Kindergartens sowie die rechtlichen Fragen einer Kindergartenpflicht nicht geklärt seien, erscheine es nicht angezeigt, mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden über die Einführung einer Kindergartenpflicht Gespräche zu führen. Die Bundesregierung werde jedoch rechtlich zulässige und fachlich sinnvolle Konzepte zur Steigerung der Teilnahmequote von Kindern an Angeboten institutioneller Erziehung, Bildung und Betreuung nur in enger Abstimmung mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden entwickeln.
Die Bundesregierung hält es für ein wichtiges Signal, dass einige Länder die Gebührenbefreiung der Eltern im letzten Kindergartenjahr bereits umgesetzt haben bzw. vorsehen. Sie werde darüber hinaus auf der Grundlage einer von den Regierungsfraktionen im Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarung gemeinsam mit den Ländern nach Wegen suchen, die Gebührenbefreiung der Eltern im letzten Kindergartenjahr bundesweit zu realisieren. Oberste Priorität hat jedoch nach Ansicht der Bundesregierung der qualitätsorientierte und bedarfsgerechte Ausbau der Tagesbetreuung.
Wenn eine Kindergartenpflicht für das letzte Kindergartenjahr eingeführt würde, hätte dies nach Auffassung der Bundesregierung zur Konsequenz, dass keine Kindergartengebühren für dieses letzte Jahr erhoben würden und die Träger der freien Jugendhilfe nicht zu einem Eigenanteil verpflichtet werden könnten. Wenn die Gesamtsumme der Elternbeiträge auf den Altersjahrgang der Fünfjährigen heruntergebrochen werde, ergebe sich, dass bei einer Kindergartenpflicht für das letzte Kindergartenjahr mit Einnahmeausfällen hinsichtlich der Elternbeiträge von ca. 460 bis 520 Mio. Euro jährlich zu rechnen wäre. Bezüglich des Eigenanteils der Träger der freien Jugendhilfe für ihre eigenen Kindertageseinrichtungen gebe es weder eine offizielle Statistik noch betriebswirtschaftlich fundierte Nachweise der Träger selbst.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Kompetenzverteilung wäre die Einführung einer Kindergartenpflicht mit Belastungen verbunden, die zunächst die Kommunen zu tragen hätten. Direkte Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen seien aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Der Bund sei also nicht befugt, die Kommunen durch Zuweisung finanzieller Mittel zu unterstützen. Ein Finanzierungskonzept könnte deshalb nach Auffassung der Bundesregierung nur in enger Abstimmung mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden entwickelt werden und müsste von diesen mitgetragen werden.
Eine etwaige Kindergartenpflicht insbesondere für Migrantinnen und Migranten zum Gegenstand von Integrationsvereinbarungen zu machen, hält die Bundesregierung derzeit mangels gesetzlicher Grundlagen nicht für zulässig. Die Intergrationsvereinbarung sei eine freiwillige Vereinbarung, die der Zuwanderer oder die Zuwanderin im Rahmen der Betreuung durch die Wohlfahrtsverbände abschließt, ohne dass Sanktionen vorgesehen sind. Lediglich im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB II könnten integrationspolitische Maßnahmen, wie z.B. der Besuch eines Sprachkurses, Gegenstand der Vereinbarung sein, die bei Nichteinhaltung mit finanziellen Einbußen belegt sind.
Az.: III 711