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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 94/2007 vom 24.01.2007
Untersuchung der EU-Kommission zum Energiesektor
Die Europäische Kommission hat ihren Abschlussbericht über die Untersuchung des Energiesektors veröffentlicht. Darin kommt sie zu dem Schluss, dass ineffiziente und teure Erdgas- und Elektrizitätsmärkte für Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen von Nachteil sind. Um dies zu beheben, will die Kommission einerseits für eine bessere Durchsetzung des Wettbewerbsrechts sorgen und andererseits den Rechtsrahmen im Energiebereich modifizieren.
Besondere Probleme bereiten nach Auffassung der Kommission die hohe Marktkonzentration und die vertikale Integration von Versorgung, Erzeugung und Infrastruktur, durch die kein „nichtdiskriminierungsfreier“ Zugang möglich sei und die zur Folge habe, dass zu wenig in die Infrastruktur investiert werde. Ferner sieht die Kommission die Gefahr, dass die etablierten Betreiber den Markt untereinander aufteilen. Um diese Probleme zu beseitigen, kündigt die Kommission an, einerseits die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der EU (Kartellrecht, Fusionskontrolle, Beihilfevorschriften) in konkreten Einzelfällen konsequent anzuwenden und außerdem darauf hinarbeiten, die Vorschriften für die Liberalisierung der Energiemärkte zu verbessern (siehe auch IP/07/29). Nach ihrer Einschätzung hat sie bereits in mehreren Unternehmen Nachprüfungen durchgeführt, in denen die erwähnten Probleme eine Untersuchung rechtfertigen.
Durchsetzung des Wettbewerbsrechts
Die Kommission hat angekündigt, von allen Befugnissen Gebrauch zu machen, die ihr die kartellrechtlichen Vorschriften des EG-Vertrags (Artikel 81, 82 und 86), die Fusionskontrollvorschriften (Verordnung Nr. 139/2004) und die Vorschriften über staatliche Beihilfen (Artikel 87 und 88 EG-Vertrag) verleihen.
Besonders bedenklich ist nach Auffassung der Kommission die Marktkonzentration. Künftige Unternehmenszusammenschlüsse müssten deshalb genau geprüft werden, damit sich die Situation nicht noch weiter verschlechtere. Die Kommission kündigt an, wie in der Vergangenheit, insbesondere Veräußerungen, Vertrags- und/oder Gas-Release-Programme und die Folgen langfristiger Lieferverträge auf die Konzentration auf den nachgelagerten Märkten genau zu untersuchen.
Die Kommission verweist darauf, dass Artikel 81 und 82 EG-Vertrag außerdem weitreichende strukturelle Maßnahmen zuließen, um Zuwiderhandlungen zu unterbinden. Insbesondere sei bei staatlichen Beihilfen, die das Fortbestehen einer Marktkonzen€tration begünstigten und ein Hindernis für die Marktliberalisierung darstellten, eine strenge Beihilfenkontrolle notwendig.
Die Kommission hat ferner angekündigt, Marktaufteilungsabsprachen zwischen den etablierten Marktteilnehmern, die den Wettbewerb ganz besonders stark gefährdeten und deshalb Priorität bei der Anwendung des Kartellrechts haben müssten, mit Aufmerksamkeit zu verfolgen. Dies entspräche dem übergeordneten Ziel der Kommission, jeden Versuch von Unternehmen, ihr Marktverhalten abzustimmen anstatt miteinander zu konkurrieren, zu unterbinden.
Die vertikale Integration von Lieferung, Erzeugung und Infrastruktur verschärft nach Auffassung der Kommission die Wettbewerbsprobleme, da nicht alle Marktteilnehmer gleichen Zugang zu Marktinformationen hätten und die etablierten Unternehmen sich infolgedessen strategisch verhalten könnten. Mangelnder (insbesondere grenzüberschreitender) Zugang zu Infrastrukturen wie Übertragungs- und Verteilungsnetzen und/oder Speicheranlagen könnten Wettbewerbsprobleme verursachen, weil dadurch die Marktintegration erschwert werde. In diesem Zusammenhang müssten vor allem langfristige Kapazitätsbuchungen und ihre Auswirkungen auf den nachgelagerten Wettbewerb geprüft werden.
Das Fehlen oder Aufschieben von Investitionen durch Übertragungsgesellschaften mit vertikal integrierten Liefergesellschaften verhindere ebenfalls die Marktintegration und sei infolgedessen ein weiteres ernstzunehmendes Wettbewerbsproblem. So habe z. B. die italienische Wettbewerbsbehörde festgestellt, dass ein vertikal integrierter Netzbetreiber im Interesse seiner Versorgungstochter ein Investitionsvorhaben gezielt stoppte, um zu verhindern, dass deren Wettbewerber Zugang zu mehr Kapazität erhielten.
Abgesehen von der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in konkreten Einzelfällen müssen nach der Strategie der Kommission auch zentrale Aspekte der Marktstruktur und der rechtlichen Rahmenbedingungen angegangen werden. Die Sektoruntersuchung habe gezeigt, dass der Rechtsrahmen der Elektrizitäts- und Erdgasmärkte zahlreiche Mängel aufweise. Diese wurden von der Kommission bei der Überprüfung der regulatorischen Maßnahmen für den Erdgas- und Elektrizitätsbinnenmarkt berücksichtigt.
Az.: IV/3 811-00/3