Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 301/2001 vom 05.05.2001
Urteil zum Gebührenverzicht bei Abwasser-Großeinleiter
Das Verwaltungsgericht Minden hat mit Urteil vom 22. Februar 2001 (Az: 9 K 3085/99; nicht rechtskräftig) entschieden, daß eine vertragliche Vereinbarung über die Bezahlung der Abwasserreinigung zwischen einem Abwasser-Großeinleiter und einer Gemeinde diese nicht berechtigen , die Abwässer des Großeinleiters bei der Kalkulation der Abwassergebühren unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Gründe dafür vorliegen, die eine solche "vertragliche Vereinbarung" über die Kostenbeteiligung bei der Abwasserbeseitigung anstelle der Heranziehung zu einer satzungsmäßigen Gebühr ausnahmsweise rechtfertigen können. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen der abwasserbeseitigungspflichtigen Gemeinde und einem Abwasser-Großeinleiter, wonach die Abwässer bei der Kalkulation des Gebührensatzes unberücksichtigt bleiben, widerspricht nach dem VG Minden grundsätzlich dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Gebührenerhebung. Nach diesem Grundsatz kann nicht abweichend von den gesetzlichen und gebührensatzungsrechtlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen dem Benutzer und der Gemeinde eine Abrechnung der Kosten der Abwasserbeseitigung erfolgen. Verstöße hiergegen haben grundsätzlich die Nichtigkeit einer entsprechenden Vereinbarung zur Folge. Denn eine Vereinbarung mit einem Gebührenpflichtigen, nach der dieser geringere Beträge als nach den satzungsmäßigen Gebührensätzen zu zahlen hat, sei als teilweiser Gebührenverzicht zu werten. Dieser Gebührenverzicht sei nach der Rechtsprechung nur ausnahmsweise zulässig, z.B. dann wenn der Gebührenpflichtige eine adäquate Gegenleistung erbringt, die dem Gebührenhaushalt und damit den übrigen Benutzern insofern zugute kommt, als diese bei der Gebührenveranlagung durch die Vereinbarung nicht benachteiligt werden (vgl. hierzu OVG NRW, Urt. v. 22.11.1971 - 2 A 38/70 -, KStZ 1972, S. 72; OVG NRW, Urt. v. 22.11.1974 - 2 A 1036/71 - KStZ 1975, S. 195). Als derartige Gegenleistung werde es etwa angesehen, einem Betrieb, der auf eigene Kosten einen Abwasserkanal verlegt und dadurch weitere Straßen an das öffentliche Abwassernetz anschließen läßt, vertragsmäßg für einen künftigen, nach dem wirtschaftlichen Wert dieser Leistung zu bemessenen Zeitraum von der Pflicht zur Zahlung von Abwassergebühren freizustellen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 22.11.1971 - 2 A 38/70 -, KStZ 1972, S. 72, S. 73).
Eine diesen Anforderungen entsprechende Gegenleistung lag nach dem VG Minden im entschiedenen Fall nicht vor. Durch die Leistungen des Abwasser-Großeinleiters erhalte der Gebührenhaushalt eine deutlich geringere Gegenleistung als er bei satzungsgemäßer Gebührenerhebung erhielte. Die Vorbehandlungsanlage auf dem eigenen Grundstück des Abwasser-Großeinleiters sei kein Bestandteil der gemeindlichen Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde geworden. Sie könne daher nicht als Gegenleistung angesehen werden, die dem Gebührenhaushalt zugute gekommen sei. Dasselbe gelte für die Anschlußleitung zum Klärwerk, weil die beklagte Gemeinde selbst diese nicht als Bestandteil ihrer Abwasseranlage ansehe, da sie den Großeinleiter kostenmäßig so behandele, als nutze dieser das gemeindliche Kanalsystem nicht, weil diese seine Abwässer getrennt über die selbst gebaute Zuleitung dem Klärwerk zuleite. Schließlich komme auch die Vorklärungsanlage auf dem Klärwerksgelände der Gemeinde nicht der Gesamtheit der Gebührenpflichtigen zugute, weil sie ausschließlich der Vorbehandlung der stark verschmutzten Abwässer des Großeinleiters diene und erst ermögliche, daß dieser seine Abwässer überhaupt dem Klärwerk zuführen könne. Abgesehen davon decke die beklagte Gemeinde die Kosten für die gesonderte Behandlung stark verschmutzter Abwässer ohnehin nach ihrer Gebührensatzung über einen gesonderten Starkverschmutzer-Zuschlag und nicht über den normalen Abwassergebührensatz, der Gegenstand des Gerichtsverfahrens sei. Soweit darüber hinaus die beklagte Gemeinde anführe, eigene Investitionen durch die des Großeinleiters erspart zu haben, sei - so das VG Minden - darauf hinzuweisen, daß die Stadt nicht verpflichtet gewesen wäre, die Vorklärung für den Großeinleiter vorzunehmen und dementsprechend das Klärwerk nur wegen seiner Ansiedlung größer zu dimensionieren. Insofern sei die Behauptung spekulativ, die betrieblichen Investitionen des Abwasser-Großeinleiters hätten den allgemeinen Gebührenhaushalt von den anderenfalls von der Stadt übernommenen Kosten der Klärwerkserweiterung entlastet.
Schließlich sieht das VG Minden die Vereinbarung mit dem Großeinleiter auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Unbilligkeit der normalen Gebührenerhebung als zulässig an. Zwar könne eine Abgeltungsvereinbarung auch ohne ausreichende Gegenleistung bei Vorliegen der Voraussetzungen für einen Billigkeitserlaß (§§ 12, Abs. 1 Nr. 5 a KAG NRW, 227 AO) zulässig sein. Die Voraussetzung der sachlichen Unbilligkeit lägen jedoch nicht vor. Ein Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit dürfe nicht gewährt werden, um einen vom Gesetzgeber zulässigerweise gewolltes oder doch in Kauf genommenes Ergebnis abzuwenden. Genau dieses würde aber ein Erlaß im konkret entschiedenen Fall bewirken. Denn ein Erlaß ermöglichte dem Großeinleiter, nur für den Teil der Einrichtung zu Kosten herangezogen zu werden, den er auch nutzt, obwohl die Bildung einer einheitlichen Abwasserentsorgungseinrichtung durch Gemeinde als Satzungsgeber gerade den Zweck habe, im Interesse einer praktiablen Gebührenerhebung und gleichmäßigen Lastenverteilung eine anteilige Kostenbeteiligung der Gebührenpflichtigen an den Gesamtkosten der Einrichtung unabhängig von dem Umfang der konkret genutzten Einrichtungsteile zu ermöglichen. Da der Großeinleiter die Investition zur Vorklärung wegen der Dimensionierung des kommunalen Klärwerks ohnehin hätte vornehmen müssen, könnten diese auch nicht angeführt werden, um einen atypischen Einzelfall anzunehmen, der ausnahmsweise eine Abweichung rechtfertige. Es liege darüber hinaus auch eine sachliche Unbilligkeit nicht deshalb vor, weil die Investition des Großeinleiters nur deshalb höher als erforderlich lägen, weil er ebenso wie die beklagte Gemeinde bei Abschluß der Vereinbarung die Zulässigkeit der Vereinbarung und ihre Umsetzung angenommen habe. Zwar habe der Großeinleiter offensichtlich in diesem Vertrauen eine ungewöhnlich lange Anschlußleitung von etwa 1,7 km verlegen lassen. Jedoch habe der Großeinleiter inzwischen etwa 10 Jahre lang Jahr für Jahr Gebühren in erheblichem Umfang gespart und sei überdies nicht zu Kanalanschlußbeiträgen herangezogen worden, obwohl er an die öffentliche Einrichtung angeschlossen sei. Gemessen hieran dürften sich - so das Gericht - etwaige höhere Investitionskosten bereits ausgeglichen haben.
Die Abwässer des Großeinleiters -so das Gericht hätten deshalb in der Kalkulation der Abwassergebühren der beklagten Gemeinde berücksichtigt werden müssen, weil dieser zu den Gebührenpflichtigen der einheitlichen Abwasserentsorgungseinrichtung der Gemeinde gehöre. Denn der Abwasser-Großeinleiter nehme die Abwasserentsorgungseinrichtung für die Schmutzwasserbeseitigung in Anspruch und ihm sei auch nicht kraft Gesetzes die Pflicht zur Abwasserbeseitigung übertragen worden. Unerheblich für die Gebührenpflicht sei auch, daß von den Abwässern des Abwasser-Großeinleiters bestimmte Einrichtungsteile (der gesamten Abwasseranlage) nicht durchflossen werden. Denn die Abwasserentsorgungseinrichtung sei als rechtliche und wirtschaftliche Einheit ausgestaltet. Daher dürften einzelne Nutzer nicht nur nach den konkret verursachten Kosten der von ihnen jeweils in Anspruch genommenen Teile der Einrichtung zur Zahlung herangezogen werden. An die Stelle des jeweils in Anspruch genommenen Teils der Einrichtung tritt - so das VG Minden - bei der einheitlichen Einrichtung eine nur rechnerisch abgrenzbare Teilhabe an der Gesamteinrichtung, so daß für Grundstücke in Klärwerksnähe dieselben Gebührensätze zu gelten hätten wie für abgelegene Grundstücke (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.07.1977 - IV C 3.75 - KStZ 1978, S. 12 zum Erschließungsbeitragrecht).
Az.: II/2 24-21