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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 321/2011 vom 24.06.2011
Vergabekammer Baden-Württemberg zu kommunalem Grundstücksgeschäft
Die Vergabekammer Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 12.01.2011 (1 VK 67/10) zu einem kommunalen Grundstücksgeschäft Stellung genommen. Dem Beschluss zufolge ergibt sich ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse nicht aus gestalterischen Anforderungen an ein Bauwerk, welche über die städtebaulichen Regelzuständigkeiten hinausgehen. Ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse folgt bei wertender Beurteilung auch nicht aus der Forderung nach der Errichtung eines Gehwegs und eines öffentlich genutzten Parkplatzes, soweit die Kosten hierfür lediglich 0,55 Prozent des im privaten Interesse liegenden Hauptbauwerks ausmachen („gemischte Interessen“).
Im zugrunde liegenden Sachverhalt schrieb eine Kommune unter dem Eindruck der „Ahlhorn-Rechtsprechung“ einen Grundstückskaufvertrag mit der Verpflichtung zur Errichtung eines Möbelmarkts EU-weit aus. Neben dem Hauptgebäude sollte der Investor einen Gehwegsabschnitt sowie einen Parkplatz auf einem im Eigentum der Kommune verbleibenden, angrenzenden Grundstück errichten. Letzteren behielt sich die Kommune vor, später als P+R-Parkplatz zu widmen. Ein Bieter stellte einen Nachprüfungsantrag.
Die Vergabekammer hat den Antrag bereits als unzulässig verworfen, da kein öffentlicher Bauauftrag vorliege. Die Vergabekammer hat zunächst dargestellt, dass sich rein städtebauliche Interessen, die nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25.03.2010 — Rs. C-451/08) nunmehr vergaberechtsfrei sind, nicht allein aus gesetzlich normierten Befugnissen ableiten lassen. Vielmehr sollen sämtliche rein städtebaulichen Vorgaben lediglich ein mittelbares wirtschaftliches Interesse an der Bauleistung auslösen. Weiterhin führten nach Ansicht der Vergabekammer auch die Verpflichtung zur Errichtung eines Gehwegs (Baukosten ca. 50 000 Euro) und eines potenziellen P+R-Parkplatzes (Baukosten ca. 60 000 Euro) im Hinblick auf das Gesamtprojekt nicht zu einem ausschreibungspflichtigen Bauauftrag. Das wirtschaftliche Interesse müsse „im Rahmen einer wertenden Beurteilung“ bestimmt werden. Ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse von ca. 0,55 Prozent bezogen auf das Gesamtbauvolumen sei im vorliegenden Fall nicht geeignet, sich vergaberechtlich auf das Gesamtprojekt auszuwirken.
Anmerkung:
Der vorliegende Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg ist von besonderem Interesse, da er erstmalig der Frage nachgeht, wie Fälle mit einem so genannten „gemischten Interesse“ vergaberechtlich zu bewerten sind. Nach Auffassung des DStGB erscheint es sachgerecht, eine wertende Beurteilung des gesamten Bauprojekts vorzunehmen. Die Bejahung einer Wesentlichkeits- oder Bagatellgrenze, unterhalb derer sich Bauteile im unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse nicht auf das ansonsten vergaberechtsfreie Gesamtprojekt auswirken sollen, ist ebenfalls nachvollziehbar. Dies dürfte insbesondere für Maßnahmen geeignet sein, die „anlässlich“ eines Bauwerks gefordert werden (hier zum Beispiel die Erstellung eines Gehwegs). Offen bleibt allerdings, wann konkret eine Bagatellgrenze erreicht beziehungsweise überschritten wird. Darüber hinaus sollten Städte und Gemeinden beachten, dass völlig eigenständige Beschaffungszwecke, die nicht anlässlich eines Bauwerks gefordert werden, als eigenständiger Bauauftrag beziehungsweise Baukonzession gewertet werden dürften. Insoweit ist immer die Prüfung des Einzelfalls geboten.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die vergaberechtliche Rechtsprechung zu den vorgenannten Rechtsfragen weiterentwickelt.
Az.: II/1 608-00