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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 374/2018 vom 27.06.2018
Vergabekammer Nordbayern zu Planungsleistungen bei Kindergärten
Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluss vom 09.05.2018 (RMF-SG21-3194-3-10) eine Additionspflicht bei der Vergabe unterschiedlicher Planungsleistungen zum Bau eines Kindergartens verneint. Insoweit hat die Vergabekammer festgestellt:
- Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV ist eine Addition der Kostenschätzungen bei Planungsleistungen für Lose über gleichartige Leistungen vorzunehmen. Das Kriterium der „Gleichartigkeit" der Planungsleistungen bezieht sich auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen.
- Ein Gebäude mit durchschnittlicher Komplexität, wie beispielsweise ein Kindergarten, erfordert standardmäßig eine Integration verschiedener Planungszweige. Dies allein führt nicht dazu, dass von gleichartigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV auszugehen ist.
Vergibt eine Kommune als Auftraggeber Planungsleistungen für ein Gebäude in mehreren Losen, fragt sich, ob die Auftragswerte der Lose nach § 3 Abs. 7 VgV addiert werden müssen. Ist diese Frage zu bejahen und überschreitet die Summe den EU-Schwellenwert, sind alle Lose europaweit auszuschreiben, auch wenn sie den Schwellenwert für sich allein betrachtet nicht überschreiten. Das OLG München hatte in seinem Beschluss vom 13.03.2017 (siehe StGB NRW-Mitteilung 244/2017 vom 22.03.2017) offengelassen, ob die Leistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung für ein einheitliches Bauvorhaben generell gleichartige Leistungen sind und auf den Einzelfall abgestellt.
Im vorliegenden und der VK Nordbayern zugrunde liegenden Fall ging es um die Errichtung eines Kindergartens. Die Objektplanung wurde europaweit ausgeschrieben, obwohl das Honorar unterhalb des Schwellenwerts liegt. Ein Bieter rügt, dass der Auftraggeber zu umfangreiche Referenzen verlangt habe. Da der Auftraggeber der Rüge nicht abhilft, führt der Bieter ein Nachprüfungsverfahren durch.
Der Nachprüfungsantrag ist nach Auffassung der Vergabekammer unzulässig. Da das Honorar unterhalb des Schwellenwerts liegt, ist der Rechtsweg zur Vergabekammer nicht eröffnet. Die Honorare für Objektplanung, Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung müssen nach Auffassung der Vergabekammer Nordbayern nicht addiert werden. Nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV sind nur die Honorare gleichartiger Leistungen zu addieren. Dieses Kriterium bezieht sich auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungen.
Im vorliegenden Fall hatte die Vergabestelle mitgeteilt, dass eine enge Verzahnung der Planungsleistungen nicht vorliegt und die Planungsleistungen – anders als im Fall des OLG München vom 13.03.2017 - nicht als Einheit zu betrachten sind. Vielmehr habe sich zunächst der Architekt mit dem Projekt zu befassen. Die übrigen Fachplaner seien erst nach grober Einschätzung des Architekten hinzuzuziehen. Von einer nach Maßgabe des Auftraggebers vorgegebenen „Einheit ohne Schnittstellen“, wie sie noch der Entscheidung des OLG München vom 13.03.2017 nach Maßgabe der Vorgaben des Auftraggebers entsprach, sei daher vorliegend gerade nicht auszugehen.
Insoweit hatte im Sachverhalt des OLG München der Auftraggeber bereits in der Vergabebekanntmachung deutlich auf die funktionale, wirtschaftliche und technische Einheit („Einheit ohne Schnittstellen“) hingewiesen. Diese Vorgaben des Auftraggebers hatte das OLG München im Rahmen seiner „Einzelfallbetrachtung“ ausdrücklich als Grund für eine von ihm angenommene Addition der Planungsleistungen zugrunde gelegt.
Demgegenüber geht es nach Auffassung der Vergabekammer bei der vorliegenden Planung des Kindergartens um Einzelplanungsgewerke, die lediglich eine Integration in die Objektplanung erfordern. Ein Kindergarten ist nach den Ausführungen der Vergabekammer keine hochkomplexe oder hochtechnische Anlage, die eine besonders enge Verzahnung der einzelnen Planungsleistungen erfordert.
Anmerkung
Die Entscheidung der Vergabekammer stellt zwar auf den ersten Blick ein gewisses Spanungsverhältnis mit dem Beschluss des OLG München vom 13.03.2017 dar; jedoch macht sie ausdrücklich die Unterschiede klar. Denn bei der Entscheidung des OLG München wurde – anders als bei dem der Vergabekammer zugrunde liegenden Fall – vom Auftraggeber bereits in der Vergabebekanntmachung deutlich auf die funktionale, wirtschaftliche und technische Einheit („Schnittstellen“) der verschiedenen Planungsleistungen hingewiesen.
Zwar gibt es auch eine gewisse Friktion der jetzigen Entscheidung der VK Nordbayern mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im „Autalhallen-Urteil“ vom 15.03.2012. Dort hatte der EuGH die Planungsleistungen für Tragwerk, Dach und Beleuchtung für eine Mehrzweckhalle als Planungsleistungen mit „innerer Kohärenz“ und „funktionale Einheit“ aufgefasst. Jedoch wurde im „Autalhallen-Fall“ des EuGH primär und mit Recht die europarechtswidrige Aufsplitterung der vergebenen Leistungen an ein Planungsbüro, die ohne Addition auf mehrere Jahre verteilt wurden, beanstandet. Dies ist ein entscheidender Unterschied zum jetzigen Sachverhalt der Vergabekammer Nordbayern.
Im positivem Sinne ist daher herauszustellen, dass es mit der Entscheidung der Vergabekammer jedenfalls für „weniger komplexe und nicht hochtechnische Anlagen“ eine Auffassung einer Vergabenachprüfungsinstanz gibt, die Kommunen als Auftraggeber heranziehen können, wenn sie bei der Vergabe von Planungsleistungen die Lose nicht addieren wollen.
Der StGB NRW bleibt jedoch bis zu einer weiteren und endgültigen Klärung bzw. einer eindeutigen Vorgabe durch die nordrhein-westfälische Landesregierung bei seiner grundsätzlichen Empfehlung: Danach sollten Kommunen die unterschiedlichen Planungen (Objektplanung und Fachplanungen) im Hinblick auf die Auftragswertberechnung zumindest dann addieren und bei Überschreiten der EU-Schwellenwerte europaweit ausschreiben, wenn sie für das Investitionsvorhaben (EU-)Fördermittel erhalten. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die EU-Kommission trotz Einstellung ihres Vertragsverletzungsverfahrens in der Sache „Stadt Elze“ ausdrücklich an ihrer Auffassung festhält. Danach sind die Objektplanung und die Fachplanungen bei „funktionaler Einheit“ (hier: Planung zur Sanierung eines Schwimmbads) grundsätzlich zu addieren.
Az.: 21.1.1.4-002/001