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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 536/2000 vom 05.10.2000
Vergaberecht und Stromlieferverträge
Viele Kommunen in NRW haben langjährige Lieferverträge mit ihrem Stromlieferanten, die entweder noch aus der Vor-Liberalisierungszeit stammen und verlängert wurden oder danach ohne Ausschreibungsverfahren neu abgeschlossen wurden. In der Regel enthalten diese Verträge eine Klausel, wonach sie sich automatisch verlängern, sofern nicht eine Seite ausdrücklich eine Kündigung vornimmt. Nur wenige Kommunen haben bislang für diese Stromlieferverträge ein förmliches Ausschreibungsverfahren durchgeführt, so daß hier auch eine erhebliche Unsicherheit besteht.
Mit der Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes, dem Vergaberechtsänderungsgesetz bzw. der Änderung des Kartellrechts gilt auch für Stromlieferungsverträge grundsätzlich eine Ausschreibungsverpflichtung, bei deren Nichtbeachtung es zu Schadenersatzklagen von nicht berücksichtigten Wettbewerbern kommen kann.
Vor diesem Hintergrund sind im Rahmen einer Kleinen Anfrage (Drs. 13/49) an die Landesregierung folgende Fragen gestellt worden:
1. Ist es richtig, daß Stromlieferverträge grundsätzlich öffentlich oder beschränkt auszuschreiben sind?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die vielerorts geübte Praxis, Stromlieferverträge stillschweigend zu verlängern (also von der Möglichkeit einer Kündigung nach Ende der Laufzeit keinen Gebrauch zu machen) und damit faktisc h eine Ausschreibung zu umgehen?
3. Welche Laufzeiten von Stromlieferverträgen (1 Jahr, 2 Jahre) sind noch als vergaberechtskonform anzusehen?
4. In welcher Form gibt die Landesregierung den Kommunen fachliche Hilfestellung bei diesen Ausschreibungen, z.B. durch Zusammenstellung von Informationen und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen?
5. Teilt die Landesregierung die Auffassung, daß bei Nichtbeachtung der Ausschreibungspflicht die abgeschlossenen Lieferverträge nichtig sein können?
Der Innenminister hat namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr diese Fragen am 31.08.2000 (Drs. 13/155) wie folgt beantwortet:
Unter Stromlieferverträgen werden im Folgenden solche Verträge verstanden, die Kommunen zur Deckung ihres Eigenbedarfs, insbesondere zur Versorgung kommunaler Gebäude, abgeschlossen haben.
Zur Frage 1
Die Rahmenbedingungen für den Bezug von Energie haben sich mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes am 28. April 1998 grundlegend geändert. Von dieser Entwicklung ist nicht nur die privatrechtlich organisierte Wirtschaft, sondern insbesondere auch die Energieversorgung als Aufgabe öffentlicher bzw. kommunaler Daseinsvorsorge berührt. Konsequenzen ergeben sich daraus auch für das Vergabewesen. Aus vereinzelt ergangener Rechtsprechung und den kontrovers geführten Diskussionen in der Fachliteratur lassen sich bislang keine gesicherten Erkenntnisse zu allen mit der Stromlieferung aufgeworfenen vergaberechtlichen Problemkreisen gewinnen. Die Beurteilung der Rechtslage ist maßgeblich vom jeweiligen Einzelfall geprägt. Vor diesem Hintergrund vertritt die Landesregierung die Auffassung, daß der Neuabschluß von Stromlieferverträgen grundsätzlich ausschreibungspflichtig und bei Überschreiten des Schwellenwertes regelmäßig europaweit auszuschreiben ist.
Zur Frage 2
Die Verlängerung von befristeten Stromlieferverträgen kann auch nur im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Dabei wird zu prüfen sein, ob die Vertragsverlängerung einem Neuabschluß gleichkommt. Für diesen Fall gilt das zu Frage 1 Ausgeführte.
Zu Frage 3
Aus dem Vergaberecht können keine zwingenden Vorgaben für die Laufzeit von Stromlieferverträgen abgeleitet werden. U.a. wird im Rahmen der jeweiligen Marktlage zu berücksichtigen sein, welche wirtschaftlichen Überlegungen ein Auftragnehmer berechtigterweise anstellen muß, damit das Geschäft für ihn auskömmlich ist. Auch haben die Kommunen zu bedenken, daß lange Vertragslaufzeiten ohne die Möglichkeit eines vorzeitigen Ausstiegs -, insbesondere unter Wettbewerbs- und Preisgesichtspunkten, nachteilig sein können.
Zur Frage 4
Die Landesregierung bleibt wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft bemüht, den Kommunen in vielfältiger Weise wie z.B. in Dienstbesprechungen fachliche Hilfestellung im Vollzug vergaberechtlicher Vorschriften zu geben. Es ist darüber hinaus bekannt, daß die kommunalen Spitzenverbände ihre Mitglieder ebenfalls hinreichend informieren.
Zur Frage 5
Die Nichtigkeit von Verträgen richtet sich grundsätzlich nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 134 ff. BGB. Ob die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften durch eine Kommune ggf. zu einer Nichtigkeit der abgeschlossenen Energielieferverträge bzw. zu Schadenersatzansprüchen des nicht zum Zuge kommenden Interessenten führen können, wird im jeweiligen Einzelfall rechtlich zu klären sein.
Az.: G/3 811-00