Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 584/2015 vom 22.09.2015

Vergaberechtliche Anforderungen an ein Preiswertungssystem

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 29. April 2015 — Az.: Verg 35/14 — zu einem vom Auftraggeber vorgegebenen Preiswertungssystem wie folgt entschieden:

  1. Ein Preiswertungssystem „zehn oder drei Punkte" ist wettbewerbsverzerrend und unzulässig.
  2. Davon, dass ein Wertungssystem „zehn oder drei Punkte" vergaberechtswidrig sein kann, muss der Antragsteller im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB keine Kenntnis haben.

Die Auftraggeberin ist eine mit Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung betraute GmbH. Sie hatte einen Forschungs- und Dienstleistungsauftrag ausgeschrieben. Als Zuschlagskriterien wurden Qualität und Preis genannt, wobei der Preis mit 30 Prozent gewichtet wurde. Die Wertung sollte dabei dergestalt erfolgen, dass für den höchsten Gesamtangebotspreis die niedrigste Punktzahl von drei Punkten, für den niedrigsten Gesamtangebotspreis die Höchstzahl von zehn Punkten vergeben werden sollte.

Die übrigen Gesamtangebotspreise sollten relativ zu diesen beiden Preisen auf eine Nachkommastelle genau interpoliert werden. Gegen dieses Preiswertungssystem wandte sich die Antragstellerin. Sie hält das Wertungssystem für vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin wandte Rügepräklusion ein, da die Wertungssystematik bereits der Angebotsaufforderung zu entnehmen war, ohne dass die Antragstellerin gerügt hatte.

Entscheidung

Das OLG Düsseldorf teilt die Bedenken der Antragstellerin gegen die Fairness des Bewertungssystems. Zunächst weist der Senat den Einwand verspäteter Rüge zurück. Die vergaberechtlichen Anforderungen an die Bewertung der Angebote sind so vielschichtig und komplex, dass von einem durchschnittlichen Bieter nicht erwartet werden kann, etwaige Vergaberechtsverstöße zu erkennen. Im Anschluss an die Entscheidung vom 22. Januar 2014 qualifiziert der Senat auch dieses Wertungssystem als vergaberechtswidrig. In der vorangegangenen Entscheidung hatte das OLG Düsseldorf eine Bewertungsformel, bei der die Qualität auf einer Punkteskala von Null bis 100 Punkten derart bewertet wurde, dass das beste Angebot alle, das niedrigste jedoch null Punkte erhält, als wettbewerbsverzerrend qualifiziert - jedenfalls in einem Fall, in dem nur zwei Bieter vorhanden waren.

Nicht anders liegt es hier bei der Bewertung des Preises. Die „Verschmälerung" der Preiswertung auf drei Punkte beim teuersten Angebot wirkt sich wettbewerbsverzerrend aus. Trotz möglicherweise geringen Preisabstands erhält der letztplatzierte Bieter nur 30 Prozent der möglichen Punkte. Die Rechtfertigung des Auftraggebers, durch diesen verzerrenden Effekt sollten strukturelle Vorteile staatlicher Einrichtungen ausgeglichen werden, weist das OLG Düsseldorf - völlig zu Recht - unumwunden zurück, denn darin liege eine „glatte Diskriminierung öffentlicher Einrichtungen". Sind diese zum Wettbewerb zugelassen, kann sie das Wertungssystem nicht benachteiligen.

Praxishinweis

Das OLG Düsseldorf erklärt in der auch für kommunale Vergaben wichtigen Entscheidung nebenbei auch, wie ein Wertungssystem richtig ausgestaltet werden kann. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das günstigste Angebot die volle Punktzahl erhält. Die teureren Angebote können dann prozentual entsprechend weniger Punkte erhalten. Der prozentuale Punktabschlag führt dazu, dass ein fiktives Angebot, das doppelt so teuer ist wie das preisgünstigste Angebot, mit null Punkten bewertet wird.

Dass kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen Angeboten, die doppelt so teuer, und Angeboten, die mehr als doppelt so teuer wie das günstigste Angebot sind (gleiche Punktzahl Null), hält das OLG Düsseldorf offenbar für hinnehmbar. Disproportionale Wertungssysteme sind vergaberechtlich nunmehr endgültig zu den Akten zu legen. Dabei kann es auch nicht darauf ankommen, ob wie hier nur zwei oder mehrere Bieter im Verfahren sind.

Az.: II gr-ko

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