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Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 624/2002 vom 05.10.2002
Verkehrssicherungspflicht bei Fahrbahnrissen
Eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 5.6.2002, 16 U 195/01) wurde jetzt zum Anlaß genommen, den Erhaltungszustand kommunaler Straßennetze in den Medien erneut zu diskutieren. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte eine Autofahrerin mit ihrem Pkw eine Straße befahren, an deren Fahrbahn sich Netzrisse gebildet hatten. Beim Überfahren waren Fahrbahnstücke herausgebrochen und hatten das Fahrzeug beschädigt. Ein Mitarbeiter der beklagten Stadt hatte erst wenige Tage zuvor das betroffene Straßenstück begutachtet und dabei die Netzrißbildung auch festgestellt.
Das OLG kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, die Kommune habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Netzrißbildungen im Asphalt könnten ungefährlich sein, aber auch ein Anzeichen dafür darstellen, daß sich Teile der Fahrbahndecke von dem Untergrund gelöst haben. Für den Straßenbegeher entstehe damit die Pflicht, bei Netzrissen in der Fahrbahndecke jedenfalls dann in nähere Prüfung einzutreten, wenn die Risse - wie im vorliegenden Fall - eine gewisse Breite aufweisen. Dann bestehe nämlich die Gefahr, daß der Asphalt an diesen Stellen unterspült worden sein könne und damit die feste Verbindung der Fahrbahndecke zum Untergrund gelöst sei.
Der Straßenbegeher habe bei Netzrissen auch zu prüfen, beispielsweise durch ein manuelles Anklopfen der betreffenden Stellen, ob schon ein akuter Handlungsbedarf bestehe. Sollte dabei festgestellt werden, daß sich möglicherweise Fahrbahnstücke lösen können, sei unverzüglich ein Warnschild aufzustellen. Hierfür bedürfe es auch keiner besonderen Vorlaufzeit, da auch ein provisorisches Schild eine ausreichende Warnung darstellen könne.
Aus Sicht der Geschäftsstelle sind mit diesem Urteil entgegen einiger Einschätzungen in den Medien keine neuen und erhöhten Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht aufgestellt worden. Vielmehr subsumiert das OLG den Sachverhalt unter die durch die Rechtsprechung seit langem aufgestellte Definition der Verkehrssicherungspflicht. Der Inhalt umfaßt die notwendigen Maßnahmen zur Herbeiführung und Erhaltung eines für den Straßenbenutzer hinreichend sicheren Zustandes und die erforderlichen Warnhinweise bei noch nicht behobenen Straßenschäden. Der Verkehrssicherungspflichtige hat deshalb die objektiv erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, die notwendig sind, damit Gefahren, die anderen unvermutet drohen, abgewendet werden (BGH, NJW 1967, 1325; NJW 1973, 460, 461). Das bedeutet allerdings nicht, daß Straßen und Wege schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein müssen. Von den Gemeinden ist nur dasjenige geschuldet, was ein vernünftiger Verkehrsteilnehmer an Sicherheit erwarten darf. Der Verkehrsteilnehmer muß sich nämlich den gegebenen Verhältnissen anpassen und die Straßen und Wege so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muß nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benützer, der die erforderliche Sorgfalt walten läßt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 26.9.2001 - 18 U 57/01; vgl. auch BGH, VersR 1979, 1055).
Zur Frage der Erhaltung kommunaler Straßennetze hält die Geschäftsstelle strategische Empfehlungen vor.
Az.: III/1 642 - 31