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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 451/2000 vom 05.08.2000
Verordnung über allgemeine Bedingungen der Abwasserentsorgung
Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Entwurf einer Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Entsorgung von Abwasser (AEBAbwasserV) vorgelegt. Der Entwurf beruht auf § 27 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz). Die Konzeption des Verordnungsentwurfes entspricht im wesentlichen der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser. Das Bundeswirtschaftsministerium verfolgt mit der Verordnung das Ziel einer verstärkten unternehmerischen Abwasserentsorgung. Zugleich sollen hierdurch Wettbewerbs- und somit Kostensenkungspoteniale ausgenutzt werden, wobei allerdings fraglich ist, worin diese Kostensenkungspotentiale liegen sollen. Denn die Kosten der Abwasserentsorgung werden maßgeblich durch die Abwasserreinigungs-Vorgaben des Bundes und der Länder bestimmt. Die Geschäftsstelle hat den Entwurf überprüft und hierzu dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Umweltministerium NRW und dem Innenministerium NRW im wesentlichen folgendes mitgeteilt:
"1. Zunächst möchten wir darauf hinweisen, daß sich wegen der Regelung in § 18 a Abs. 2 a Wasserhaushaltsgesetz und der dort vorgesehenen Möglichkeit, die Aufgabe der Abwasserbeseitigung ganz oder teilweise befristet und widerruflich auf einen Dritten zu übertragen, keine Notwendigkeit ergibt, eine Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Entsorgung von Abwasser zu erlassen. Denn bislang ist von der Regelungsbefugnis in § 18 a Abs. 2 a Wasserhaushaltsgesetz lediglich in den Ländern Sachsen und Baden-Württemberg Gebrauch gemacht worden. In diesen Ländern sind Ermächtigungen in die Landeswassergesetze aufgenommen worden, auf deren Grundlage Rechtsverordnungen erlassen werden können, die die Aufgabenübertragung im Rahmen der Abwasserbeseitigungspflicht regeln. Das Land Baden-Württemberg hat vor kurzem den Entwurf einer entsprechenden Rechtsverordnung vorgelegt, der zur Zeit diskutiert wird. Im Land Nordrhein-Westfalen ist zur Zeit nicht zu erkennen, ob überhaupt und wie bei der anstehenden Änderung des Landeswassergesetzes die Möglichkeit der Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht landesgesetzlich geregelt werden soll. Bislang ist nicht zu erkennen, daß die Landesregierung eine solche "Übertragungsregelung" erlassen möchte.
Unabhängig davon gibt es eine ganze Palette von ungeklärten Rechtsproblemen, die im Hinblick auf eine Übertragung der Abwasserbeseitigung auftreten. Hierzu gehört z.B. die Frage, ob der mit der Abwasserbeseitigungspflicht beliehene Dritte, eine Abwasserent-sorgungssatzung (Entwässerungssatzung) erlassen und den Anschluß- und Benutzungszwang ausüben kann bzw. ihm gegenüber eine Abwasserüberlassungspflicht besteht. Zumindestens bedarf die Durchsetzung der Abwasserüberlassungspflicht unter rechtsstaatlichen Erfordernissen (Art. 20 Abs. 3 GG) gesetzlich geregelter Tatbestände und Zuständigkeiten. Eine weitere Frage ist, ob und inwieweit die Pflicht zur Gebühren-erhebung übertragen werden kann. Denn in Nordrhein-Westfalen ist beispielsweise auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW nur den Städten, Gemeinden und Landkreisen das Recht zur Gebührenerhebung eröffnet und nur ihnen steht das Wahlrecht zu, ob eine Gebühr oder ein privates Entgelt erhoben wird. Schließlich ist auch zu klären, ob eine Gemeinde langfristig aus der Haftung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht entlassen wird, zumal die Pflicht nach § 18 a Abs. 2 a WHG lediglich ganz oder teilweise befristet übertragen werden kann, was für eine Restgewährleistungsfunktion der Gemeinde (z.B. für den Fall des Konkurses des Dritten) spricht.
Vor diesem Hintergrund kann die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Entsorgung von Abwasser zur Zeit nur dann Bedeutung gewinnen, wenn Städte und Gemeinden keine Gebühren mehr erheben wollen, sondern alternativ wie in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG NRW gesetzlich vorgesehen - auf die Erhebung privater Entgelte umsteigen möchten. In diesem Zusammenhang ist aber festzustellen, daß die Praxis der Erhebung privater Entgelte in Nordrhein-Westfalen zur Zeit nur in 2 Städten praktiziert wird. Außerdem ist hierfür eine entsprechende Verordnung nicht erforderlich, weil zumindest gebühren-rechtlich die "Flucht in das Privatrecht" nicht von der Einhaltung der kommunalabgabenrechtlichen Grundsätze freistellt und Abwasserentgelte der zivilgerichtlichen Billigkeits-kontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB unterliegen (so ausdrücklich: BGH, Urteil vom 10.10.1991 III ZR 100/90, DVBl. 1992, S. 369 ; Dahmen in: Driehaus, Kommunal-abgabenrecht, § 4 Rz. 235ff, 237).
2. Grundsätzlich ist zur Regelung in § 27 AGB-Gesetz und auch zur Regelung in § 22 des AEBAbwasserV auszuführen, daß die dort getroffene Regelung einen Verstoß gegen das Grundgesetz beinhaltet. Sowohl in § 27 Satz 2 AGB-Gesetz als auch in § 22 des Entwurfes der AGB-AbwasserV wird geregelt, daß Rechtsvorschriften, die das Abwasserverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen der (künftigen) Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Entsorgung von Abwasser entsprechend zu gestalten bzw. anzupassen sind. Zunächst ist diese Rechtsfolge völlig unakzeptabel, weil nicht erwartet werden kann, daß die Gemeinden ihre öffentlich-rechtlichen Satzungen im Abwasserbereich an die künftige Verordnung des Bundes anpassen.
Für eine solche Regelung und Rechtsfolge hat der Bundesgesetzgeber auch keine verfassungsrechtliche Regelungskompetenz. Die Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht durch kommunale Entsorgungseinrichtungen betrifft das Recht der kommunalen Einrichtungen und Anlagen, die der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegt (Art. 70 GG). Da das Recht der kommunalen Einrichtung und Anlagen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegt, steht den Ländern grundsätzlich auch die ausschließliche Gesetzgebungs-befugnis über kommunale Gebühren und Beiträge zu. Deshalb kann sowohl in § 27 Satz 2 AGB-Gesetz als auch in § 22 des Entwurfes der AEB-AbwasserV nicht geregelt werden, daß Rechtsvorschriften, die das Abwasserentsorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen der AEB-AbwasserV anzupassen sind.
Vielmehr besteht die Anpassungsnotwendigkeit in umgekehrter Hinsicht, namentlich, daß die Regelungen in der AEB-AbwasserV den öffentlich-rechtlichen Regelungen, die auf Länderebene und dort durch die Städte und Gemeinden getroffen werden, anzupassen sind (vgl. hierzu auch Driehaus in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 1 Rz. 16 f.; Queitsch in: Lenz/Queitsch/Schneider/Stein/ Thomas, Kommunalabgabengesetz für das Land NRW, Loseblatt-Kommentar, § 6 Rz. 100). Im Ergebnis ist damit festzuhalten, daß sowohl § 27 Satz 2 AGB-Gesetz als auch § 22 des Entwurfes der AEB-AbwasserV mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.
Wir bitten daher, dem Erlaß der Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Entsorgung von Abwasser vehement entgegenzutreten, zumal z.Zt. kein aktueller Bedarf für eine solche Regelung erkennbar ist. Denn nach der BGH-Rechtsprechung unterliegt die Erhebung von privaten Abwasserentgelten im Rahmen von privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnissen der zivilgerichtlichen Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB, wobei die kommunalabgabenrechtlichen Grundprinzipen (Kostendeckungsprinzip, Äquivalenzprinzip, Gleichbehandlungsgebot/Grundsatz der Entgeltgerechtigkeit) zu beachten sind und gerichtlich überprüft werden (so: BGH, Urteil vom 10.10.1991 III ZR 100/90, DVBl. 1992, S. 369 ; BGH DVBl. 1984, S. 1118 ; Dahmen in: Driehaus, Kommunal-abgabenrecht, § 4 Rz. 235ff, 237)."
Az.: II/2 24-28